Von der Ersatzflüssigkeit

Ich lese gerade Bossypants, die Autobiografie von Tina Fey, weil ich Menstruationsanekdoten so gern hab. Sollten Sie es mir gleichtun wollen, und es sprachlich einigermaßen hinzubekommen ist, lesen Sie bitte die Originalfassung des Buches und boykottieren Sie den deutschen Untertitel, der hier aus Nationalscham nicht genannt sei. Im Buch ist mir etwas wiederbegegnet, was mir vermeintlich schon ganz und gar aus dem Gedächtnis entschwunden war (es hatte sich jedoch nur im Unterbewusstsein schlummern gelegt): Ersatzflüssigkeit. Die Älteren erinnern sich: Das künstliche blaue Nass aus dem Werbefernsehen, das in Hygieneartikelreklame die Stunts für diverse Körpersäfte übernahm, die in echt mal diese, mal jene Farbe haben, aber niemals Blau. Die Ersatzflüssigkeit wurde ein beliebtes Sujet für Zoten jedweder Art, ähnlich wie Flugzeugessen und Busfahrer, war bald humoristisch auch ähnlich abgefrühstückt. Heute ist Flugzeugessen genießbar bis köstlich, Busfahrer sind meist zuvorkommend (außer vielleicht in Berlin, aber Berlin geht nur Berliner was an), und Ersatzflüssigkeit gibt es gar nicht mehr. Wer trotzdem noch diese Themen bespaßt, nennt Bühnenkomiker wahrscheinlich auch noch Blödelbarden.

Jemand wie ich, also. Habe mich jetzt so lange nicht mehr über Ersatzflüssigkeit lustig gemacht, dass sich in mir ein erkleckliches, bedenklich schwappendes, hellblaues Reservoir angesammelt hat, das nun durch irgendeine Öffnung raus muss.

Ich habe behauptet: Ersatzflüssigkeit gibt es gar nicht mehr. Behaupten heißt nicht wissen. Mir ist schon lange keine mehr untergekommen, aber vielleicht schaue ich nur nicht richtig hin. Ich gehöre nicht nur zu den nervigen Bessermenschen, die ständig behaupten, sie würden „eigentlich so gut wie gar nicht“ fernsehen. Ich gehöre sogar zu den aufrechten Bestmenschen, die dabei noch nicht mal lügen. (Dass ich gerade zwei Pakete voller attraktiver Premiumkanäle gekauft habe, muss Sie nicht verunsichern. Das ist nur, wenn mal Besuch kommt.)

Tun wir mir zuliebe so, als würden wir alle in der Traumwelt leben, in der ich lebe. Eine Welt, in der Fernsehen nur aus 3sat und Silverline besteht und Ersatzflüssigkeit nur mehr eine verrückte Neunzigerjahre-Schrulle ist. Wenn wir diese Welt als Wirklichkeit akzeptieren, muss unter Umständen jungen Menschen erklärt werden, wie das noch mal war mit der Ersatzflüssigkeit. Ich zitiere hier aus dem Gedächtnis einen typischen Ersatzflüssigkeitwerbespot aus dem Goldenen Zeitalter des Fernsehens (Tutti Frutti):

Zwei Frauen, eine unzufriedene und eine zufriedene, sitzen im Salon der zufriedenen Frau. Auf der Anrichte ist eine kleine Schale mit einer blauen Flüssigkeit, in der die unzufriedene Frau geistesabwesend ihre Finger benetzt.

Unzufriedene Frau: „Ach, gäbe es doch nur eine Flüssigkeit, die sanft meine Phantasie beflügelt, anstatt mich krass mit den schockierenden Realitäten meiner Körperlichkeit zu konfrontieren …“

Zufriedene Frau: „Aber die gibt es! Sie baden gerade Ihre Hände darin!“

„In Vaginalausfluss?! Würg!“

„In Ersatzflüssigkeit! Ich habe immer eine frisch abgefüllte Schale auf der Anrichte, falls mal Besuch kommt.“

„Ersatzflüssigkeit? Lechz!“

Eines der letzten großen Menschheitsabenteuer ist die Suche nach einem schmeckenden alkoholfreien Bier. Ich habe mit Jever Fun schon eines gefunden, hätte aber gerne noch eine Fallback-Lösung. Unlängst ist mir aufgefallen, dass es nun ein Alkoholfreies namens Beck’s Blue gibt. Bei dem Namen musste ich schon wieder an die gute alte Ersatzflüssigkeit denken, und so stelle ich dem sympathischen Familienunternehmen aus meiner alten Heimat unentgeltlich diesen Premium-Claim zur Verfügung:

Beck’s Blue – die Ersatzflüssigkeit unter den Bieren.

Noch heute merkt man, dass ich um die Jahrtausendwende einmal für 5 1/4 Tage als Werbetexter gearbeitet habe. Als cooler Kreativer. Als originell bebrillter, kahlgeschorener Mad Man in Black. Den Magic Touch verliert man nicht. Man hat’s im Blut. Oder in der Sie-wissen-schon-was.

Da ich in diesem Blog aus Furcht und Faulheit keine direkten Kommentare dulde, ein Blog ohne Kommentare aber ein bisschen nackt aussieht, werde ich ab jetzt gelegentlich Kommentare aus anderen Blogs und ähnlichem als Screenshots einfügen. Damit ich weiß, was mir entgeht.