Wer Donnies Schwester anmacht, bekommt es mit mir zu tun

Ich wollte nur kurz Bescheid sagen: Ich bin kein Donnie-Darko-Fan mehr, ich bin jetzt Samantha-Darko-Fan. Es ist nicht so, dass meine Liebe zu Richard Kellys putzigen David-Lynch-für-Emo-Kids-Zeitreisethriller erloschen wäre, aber ich möchte mich entschieden und in aller Deutlichkeit von seinen anderen Liebhabern distanzieren. Meine Fresse, diese weinerlichen, humorlosen, spaßfeindlichen Quengelkinder sind ja schlimmer als alle Star-Trek-, Twilight-, Buffy-, Documenta- und Star-Wars-aber-nur-Episode-4-bis-6-in-Mono-Fans auf einmal. Wie sagte man in den Siebzigern? Keep repeating: It’s only a movie … it’s only a movie … it’s only a movie …

Wir erinnern uns (bzw. nicht ganz): Donnie Darko kam 2001 von der Menschheit unbemerkt in die Kinos, später schrieb jemand ins Internet, dass der Film jetzt Kult sei, und das fanden dann alle, jeder kaufte zwei DVDs, und so kam einer aus der Peripherie der Filmverantwortlichen auf die wirtschaftlich naheliegende und menschlich nachvollziehbare Idee, eine Art Fortsetzung anzukündigen – ohne die Hauptverantwortlichen und mit nur einer einzigen wiederkehrenden Darstellerin/Figur. Die Welt war entsetzt. Ohnmächtige Wut, Trauer und Betroffenheit überall. Finanzkrise, Erderwärmung und die 34 Kriege und bewaffneten Konflikte, die aktuell weltweit wüten, mussten sich hinten anstellen. Chris Fisher, Regisseur von S. Darko, bekam von den dümmsten Menschen des Internets diverse qualvolle Todesarten an den Hals gewünscht. Die Welt stand derart unter Schock, dass sie Omas altes Hausmittel gegen ungewollte Fortsetzungen komplett vergessen hatte: Einfach nicht hinschauen.

Das Traurige an unbegründeten und gut gepflegten Ressentiments ist, dass sie zu tief sitzen, als dass sie sich von der Zange der Vernunft ziehen ließen. Man sollte denken: S. Darko ist ein ganz anständiges kleines Filmchen geworden, also wird jeder Hassköter im Nu zum Schoßhund, wenn er es erstmal gesehen hat. Das klappt aber nicht. Wer den Film mit Ressentiments sieht, wird die erste kleine Schwachheit zur gigantischen Kränkung aufblasen und beruhigt den ganzen Film mit Inbrunst hassen, so wie man es eh geplant und in den Terminkalender eingetragen hatte: „Heute nach der Schule: S. Darko gucken + hassen. Danach: Was Gehässiges in ein IMDb-Forum schreiben und es diesem Chris Fisher richtig zeigen.“ S. Darko ist kein Film ohne Schwächen geworden, da wäre er der erste. Gibt man den Figuren höchstens fünf Minuten Zeit, wie es die orthodoxen DoDa-Fans tun, könnte man sie für typische US-Teenfilm-Weichbirnen halten. Tatsächlich sind sie aber wie echte Menschen, also nicht nach den ersten drei bis vier geäußerten Worten komplett zu erfassen. Die Geschichte um Donnies Schwester Samantha, einen verschwundenen Jungen, einen Meteoriten, einen ekligen Priester und einen verlumptem Kriegsveteranen ist verwirrend, und ich kann nicht behaupten, dass ich sie vollständig verstanden hätte. Das ist ja das Tolle. Hab ich beim nächsten Mal auch noch was zu tun. Donnie Darko hatte ich erst beim dritten Mal kapiert, und da nur mit Hilfe des Audiokommentars. Nichtsdestotrotz hatte der Film bereits nach dem ersten Mal einen großen Platz in meinem Herzen.

S. Darko ist kostengünstiger als sein Vorgänger, das äußert sich in einer überschaubareren Anzahl von Personal und Handlungsorten. Handwerklich ist er dabei äußerst sauber. Die Spezialeffekte sind genauso kitschig wie die von Donnie Darko, die Atmosphäre ist gemütlich morbide, die Musik passt (die Originalmusik ebenso wie die eingekauften Original-90er-Jahre-Songs), diverse Motive des ersten Films tauchen wieder auf, überhaupt hat Samanthas Geschichte eine gewisse Ähnlichkeit mit Donnies. Das kommt vor bei Fortsetzungen. Kommt auch vor, dass Fortsetzungen nicht so erfrischend sind wie ihre Vorgänger. Das erste Mal gibt es eben nur einmal. Besonders bei Fortsetzungen komplett abgeschlossener Geschichten kann man bestenfalls erwarten, dass die alten Themen auf interessante, konsistente Weise variiert werden, und das ist hier der Fall.

Meinetwegen gerne noch mehr Darko-Filme. Im Bonusmaterial der S. Darko-DVD sagt jemand, dass man ursprünglich über ein Prequel um die kauzige alte Roberta Sparrow nachgedacht hatte. Kann man ja immer noch machen. Meinetwegen auch eine Fernsehserie mit gutaussehenden jungen Menschen, Darko High. Würde ich mir alles ansehen.