Mein erster Rambo (1-5)

Ich bin zwar in dem Alter, aber ich habe bis vor kurzem nie einen ganzen Rambo-Film gesehen. Beim ersten hatte es sich seinerzeit irgendwie nicht ergeben, und beim zweiten hatte sich meine Gesinnung bereits so weit gefestigt, dass ich mental eher zu den Demonstranten vor den Kinos gehörte als zu den vom imperialistischen, reaktionären Hollywood-Propaganda-Kintopp hirngewaschenen Mäh-Schäfchen in den Sälen. Konkret habe ich natürlich nie demonstriert; hat sich auch irgendwie nicht ergeben. Der dritte Teil ist beim zweiten mitgemeint, den vierten habe ich mal im Fernsehen größtenteils verpennt, und der fünfte startete gleichzeitig mit Downton Abbey – der Film, da musste ich Prioritäten setzen.

Vor wenigen Tagen, vielleicht als Spätfolge meines gewissenlosen Freitag-der-13.-Marathons von neulich (wir berichteten), hatte ich das starke Bedürfnis, alte Versäumnisse nachzuholen. Warum sollte aus mir nicht in fortgeschrittenem Alter noch ein Rambo-Fan werden? Die Karate-Kid-Filme habe ich ebenfalls erst kürzlich erstmals gesehen und fand sie ganz goldig (wenn auch nicht ganz so goldig wie die neue Fernsehserie). Dieses Politikdings sehe ich heute nicht mehr so eng. Muss schließlich nicht jeder Film mit mir einer Meinung sein. Einen Rambo-Film muss eine Demokratie aushalten können.

Oder fünf. Aber einer nach dem anderen. Der erste, zu Deutsch Rambo (Original: First Blood) ist der, auf den sich gemeinhin alle einigen können; selbst linksversiffte Gutmenschen wie ich. Er sei „ganz anders als die anderen“, wird gebetsmühlenartig versichert. Spoiler: Ist er nicht. Schon hier geht es um den guten Amerikaner, der nicht in Frieden leben kann, wenn ihn die Bösen nicht lassen. Dass die Bösen hier ebenfalls Amerikaner sind (ein fieser Kleinstadtsheriff und seine Redneck-Gurkentruppe, die Rambo fatalerweise mit einem unerwünschten Wander-Hippie verwechseln), gibt allenfalls mildernde Umstände. Bei allen minimalen Zwischentönen lässt der Film keinen Zweifel daran, dass es das noch gibt – das Gute Amerika. Und sein Name ist John Rambo. Das Ganze ist verpackt als ein überraschend wuchtiger Action-Thriller, den man je nach Tagesform für geradlinig oder simpel gestrickt halten darf. Wenn man manchem Verehrer so zuhört, könnte man ja meinen, es handele sich um ein geradezu subtiles Charakterdrama. Das ist es keineswegs.

Rambo 2. Teil – der Auftrag (Original: Rambo: First Blood Part II) ebenso wenig. Meinen Gesinnungsgenossen zufolge gewinnt Rambo in diesem Film rückwirkend den Vietnamkrieg. Diese Interpretation ist gröber verallgemeinernd als das Weltbild der Rambo-Filme. In erster Linie schießt Rambo hier mit dem Flitzebogen auf Kraftfahrzeuge, die dann explodieren. Man muss fairerweise dazusagen, dass es sich um spezielle Rambo-Pfeile handelt. Gut zu wissen: Die bösesten Bösen sind hier gar nicht die edlen Vietcong, sondern die Russen. Und ein paar Amerikaner sind auch wieder böse (dieser fiese Billy-Idol-Sensei aus Cobra Kai ist dabei; man kann ihm einfach nicht trauen). Falls ich das alles richtig verstanden habe. Es war mitunter sehr laut.

Eine alte Filmbewertungsregel lautet, dass die Qualität eines Films mit jedem Hubschrauber abnimmt; explodierende zählen doppelt. Bei Rambo 2. Teil – der Auftrag konnte ich zum Schluss nicht mehr mitzählen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, meine Zeit schon sinnloser vertan zu haben (wir berichteten). Rambo 2. Teil – der Auftrag ist sicherlich weniger gelungen als, sagen wir mal, Außer Atem oder Die Muppets-Weihnachtsgeschichte. Aber welcher Film wäre das nicht?

Gerade wieder sehr angesagt bei der Generation Meme: Rambo III (Titel hüben wie drüben) ist der Film, in dem Rambo den guten Taliban beim Kampf gegen die bösen Russen unter die Arme greift. Fürs Herz reitet ein total süßer afghanischer Kindersoldat an seiner Seite. Dafür gab es seinerzeit von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) das Prädikat „wertvoll“. Es waren halt andere Zeiten, damals.

Trotz allem ist Rambo III nicht der ärgerlichste Film der Reihe, sondern der liebenswerteste. Politisch sicherlich ein wenig ungelenk aus heutiger Sicht, aber so ein Actionfilm kann ja nicht immer alles vorher wissen.

Wir dürfen an dieser Stelle schon einmal die Zwischenbilanz ziehen: Die Rambo-Filme sind Anti-Kriegsfilme im deutschen Sinne des Begriffs. Einen anderen Sinn kann es schließlich auch nicht geben, denn der Begriff ‚Anti-Kriegsfilm‘ ist ein deutscher Sonderweg. International werden Genrebezeichnungen eigentlich neutral gehalten: Ein Film, der den Krieg thematisiert, ist ein Kriegsfilm – was sollte er auch sonst sein? Nur das deutsche Gewissen möchte beim Kinobesuch schon vorab beruhigt werden und verlangt nach ideologischer Weisung. Eine Zeit lang war es sogar en vogue, Cowboyfilme der etwas komplexeren Art als ‚Anti-Western‘ zu bezeichnen. Dabei wäre die einzige schlüssige Art von Anti-Western ein Eastern. Seltsam, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, polizeikritische Krimis als ‚Anti-Krimis‘ zu titulieren.

Jetzt habe ich über eines meiner Lieblingsmikroaufregungsthemen fast Rambo aus den Augen verloren. Die ersten drei bis vier Filme sind also Anti-Kriegsfilme, denn der Krieg wird in ihnen stets als grausam und sinnlos dargestellt, Militärs als bestenfalls inkompetente Hirnis, meistens jedoch als sadistische Soziopathen. John Rambo war mal im Krieg, und das hat ihm gar nicht gefallen. Jetzt will er nur noch Frieden schaffen, und zwar dalli. Dass er diese Sache anders angeht, als zum Beispiel Reinhard Mey das tun würde, liegt auf der Hand und ist kein Widerspruch zur Anti-Kriegs-Botschaft. Hat ja keiner was von einer Anti-Gewalt-Botschaft gesagt. Ich behaupte: Ein Rambo-Film wird niemanden in den Militärdienst treiben. Ein Rambo-Film motiviert eher, mit dem Flitzebogen in den Wald zu gehen. Wie bei mir früher Robin Hood.

Rambo III, um endgültig zum Thema zurückzukehren, ist außerdem ein Anti-Hubschrauber-Film. Die Macher scheinen die putzigen Fluggeräte noch mehr zu hassen als die Macher des zweiten Teils. Trotzdem ist der dritte ein weitaus angenehmeres Erlebnis. Wenn man etwas fürs Action-Kino übrig hat, ist es schwierig, für Rambo III nichts übrig zu haben. Rambo 2. Teil – der Auftrag wirkt dieser Tage nicht spektakulärer als Geheimcode Wildgänse. Bei Rambo III hingegen kann man nach wie vor mit großen Kinderaugen staunen. Und da hat die Filmbewertungsstelle dann vollkommen recht: Das ist ungemein „wertvoll“.

Der ärgerlichste Film der Serie ist der vierte, John Rambo (Original: Rambo). Diesmal geht es um die verzwickte politische Lage in Burma. Die hat sicherlich einen Hollywood-Film verdient, der die Problematik der westlichen Welt ein wenig näherbringt. Fraglich nur, ob das nun ausgerechnet ein Rambo-Film sein muss. Noch dazu dieser, der endlich wirklich so maßlos gewaltpornografisch daherkommt, wie es den Vorgängern von gewissen Elementen schon immer nachgesagt wurde.

Ästhetisch ist das Ganze eh kein Hollywood-Blockbuster, sondern erinnert eher an ranzige 70er-Jahre-Eurotrash-Exploitation-Schinken. Manche Kinder mögen das ja, ich habe meine Bedenken. Hätte man jedenfalls auch unter dem Titel Mandeläugige Dschungelkätzchen bis aufs Blut gequält in die Bahnhofskinos oder in Manni’s Videothek bringen können.

Ein später Sieg für den Sheriff: In Rambo: Last Blood (Original ebenso) hat John Rambo endlich eine Frisur, mit der es zu all dem gar nicht erst hätte kommen müssen. Jetzt ist es natürlich zu spät.

Im fünften Rambo hatte niemand die Absicht, eine Mauer zu errichten. Schade eigentlich, denn sonst hätte Rambos Nichte vielleicht nicht so leicht nach Mexiko ausbüxen und üblen Menschenhändlern in die Hände fallen können. Dieser womöglich letzte Teil der Serie ist so etwas wie Taken meets Saw, nur düsterer, brutaler und mit einem älteren Herrn in der Hauptrolle. Schwer nicht zu mögen. Aber mein Herz gehört weiterhin einem anderen Rambo-Film.