Um gleich auf die Überschrift einzugehen und ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern: Unter diesem Titel (‚Generation Freddy‘) habe ich 2009 (ja, ich habe nachgesehen) zum ersten Mal versucht, ein sentimentales Memoir über meine Liebe zum Horrorgenre Verlagen zur Publikation anzubieten, quasi eine punktuelle Autobiografie des Horrorfans als Horrorfan. Meine Agentin fand die Idee nicht schlecht, doch verlagsseitig kam immer nur: „Wir auch nicht, aber Horrorfans lesen leider nicht.“ Ich habe immer mal wieder am Konzept herumgefeilt, die Agentur hat immer mal wieder angeboten, stets ohne Erfolg. Jetzt dient der Titel eben als Überschrift für den großen Abschluss meiner Trilogie der Couch-Retrospektiven der drei großen Horrorfranchises der 1980er: Freitag, der 13., Halloween und nun A Nightmare on Elm Street, oder schlicht Nightmare, wie man damals in Westdeutschland sagte, und was wir uns auch hier wieder angewöhnen wollen, der Text wird eh lang genug.
Etwas unterscheidet
Nightmare von
Halloween und
Freitag, der 13. und somit meine Grundeinstellung bei dieser Retrospektive:
Nightmare fand ich tatsächlich gut. Gelinde gesagt. Ich sah den ersten Film kurz nach seiner regulären Laufzeit im Bremer Cinema Ostertor bei einer nachmittäglichen Doppelvorstellung (für nächtliche Doppelvorstellungen war ich zu jung) mit
Halloween (damals wie heute unbeeindruckend) und war hin und weg. Vermutlich war es meine Geburtsstunde als Horrorfan. Zuvor war ich lediglich gelegentlicher Gutfinder des einen oder anderen Schauerschinkens im Spätprogramm unserer drei Fernsehsender gewesen.
In
Nightmare – mörderische Träume geht es um den untoten Kinderschänder Freddy Krueger, der sich an den Kindern seiner Lynchmörder rächt, indem er sich in deren Träumen manifestiert. Das soll hier als Inhaltsangabe reichen; in den Fortsetzungen geht es halt um dasselbe. Man findet jedes Mal eine neue todsichere Methode, Freddy Krueger diesmal aber wirklich für immer zu verbannen, nur um im nächsten Jahr herauszufinden, dass es so einfach doch nicht gewesen sein konnte. Obwohl das Konzept also im Verlauf der Serie fraglos überstrapaziert wird und mir schon damals bewusst war, dass es sich nicht bei jeder der Fortsetzungen um eine große cineastische Einzelleistung handelte, fand ich stets, dass
Nightmare als Serie ein höheres Durchschnittsniveau hielt als all die vielen anderen Horrorserien, die in jener Ära Schachtelkinocenter und Videotheken vollmachten. Selbst die schwächsten Folgen hatten noch genügend bizarre Einfälle und visuelles Flair, um einem das eine oder andere Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern. Und darauf kommt es bei Horrorfilmen doch letztendlich an.
Ich erwarte nicht, dass ich das heute anders sehen werde. Was stimmt mich bloß derartig optimistisch? Noch etwas unterscheidet meine Nightmare-Retrospektive von meinen Halloween- und Freitag-der-13.-Retrospektiven: Die letzte ist gar nicht so lange her. Vielleicht zwanzig Jahre. Ich weiß, dem Jungvolk scheint das viel, reicht die Spanne doch aus, um einen Neugeborenen zu einem vollwertigen Erwachsenen heranwachsen zu sehen, der vielleicht, vermutlich versehentlich, selbst bereits neues Leben gezeugt hat. Zwanzigjährige also so, mit ihrem schreienden Nachwuchs im Arm: Mein lieber Scholli, eine verdammt lange Zeit ist das – ein ganzes Leben! Sicherlich, mit 20 hat man einen anderen Geschmack als damals, als man selbst noch fröhlich unter dem Mobile sabberte. Zwischen dem 55-jährigen und 35-jährigen Ich dürfte es derweil eine größere geschmackliche Schnittmenge geben. Damals legte ich mir jedenfalls eine Box mit allen Nightmare-Filmen auf DVD zu, zog mir einen nach dem anderen rein, wie wir schon damals nicht mehr sagten, und erlebte dabei nur zwei Überraschungen; eine große und eine kleine (zu beiden später mehr). Auf sieben Filme hochgerechnet ist das nicht viel.
Vielleicht habe ich die Box noch, vielleicht auch nicht. Wer weiß im Streaming-Zeitalter schon so genau, wo die ganzen DVDs abgeblieben sind. Zum Glück tauchten jüngst so gut wie alle relevanten Nightmare-Filme im japanischen Hulu-Programm auf, und ich habe sie mir – für euch! – alle noch einmal angeschaut, bevor sie wieder verschwinden.
In der Filmliebhaberei ist kein Platz für buchhalterische Marotten, deshalb fing ich mit Teil 5 an.
A Nightmare on Elm Street 5 – das Trauma ist nämlich der, an den ich mich stets am wenigsten erinnere, und auf den ich mich somit stets am meisten freue. Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass er mir bei der Erstveröffentlichung gut gefiel, womit ich recht alleine dastand.

Die erste brennende Frage, die der fünfte Nightmare-Film aufwirft: Was machen diese Schauspieler wohl heute so? Sind schließlich ungefähr im selben Alter wie man selbst, also im besten überhaupt. Der erste Gedanke: Wahrscheinlich verkaufen sie ihre Autogramme, ihr Lächeln und ihren Smalltalk bei Mehrzweckhallen-Händeschüttel-Events in Las Vegas und Mannheim gegen Bargeld an Menschen, die sich noch en détail an
Nightmare 5 erinnern können. Der zweite Gedanke: Höchstwahrscheinlich verdienen sie mit diesem unwürdigen Prozedere mehr als ich mit meiner redlichen Arbeit und meinem Gratislächeln. Der dritte Gedanke: Herzlichen Glückwunsch – alles richtig gemacht, liebe Altersgenossen!
Wenn ich mich als damaliger Fangoria-Abonnent richtig erinnere, gab es irgendwelche Probleme mit dem Drehbuch. Es ging, meine ich, durch diverse Hände diverser Romanciers, die mit der sogenannten Splatterpunk-Bewegung in Verbindung gebracht wurden, bevor man einen Profi ranließ. Und zwar einen professionellen Session-Musiker (u. a. für Sparks), dessen einzige vorherige Drehbucherfahrung eine Zusammenarbeit mit Hollywoodlegende Alan Smithee war. Die Story macht nicht allzu viel aus ihrer nicht uninteressanten Prämisse, und Protagonisten sind kaum auszumachen. Aber man muss auch bedenken: Freddy verwandelt sich u. a. in einen Comic-Superhelden, eine Plazenta und ein Motorrad. Rhetorische Frage: Wie cool ist das denn? Was mir an
Nightmare 5 immer gefiel und nach wie vor gefällt, ist seine forsche Energie. Er taucht nur selten zum Luftholen aus Freddys Alptraumwelt auf. Ein trippiger Spaß, damals wie heute. Sollen die Hater doch eingeschnappt brodeln. Ich hole mir vielleicht auch ein paar Autogramme, wenn ich das nächste Mal in Mannheim bin.
Nach Teil 5 war ich folgerichtig in Stimmung für Teil 2.
Nightmare 2 – die Rache sorgte bei meiner letzten Retrospektive vor geschätzten 20 Jahren für die größere der beiden erwähnten Überraschungen: Der Film gefiel mir plötzlich. Als ich ihn jedoch bei der Premiere im großen Saal der Stern-Lichtspiele hinter Horten sah, meinte ich mit dem Rest der Welt: Nicht so glibberig wie der erste, und hat nicht mal dessen Konzept richtig verstanden. Wären wir bereits so eloquent gewesen wie die Menschen des 21. Jahrhunderts, hätten wir gesagt: Meh. Inzwischen denke ich: Glibberig genug, und es sind eher wir, die den Film damals nicht verstanden haben. Es handelt sich um eine Fortsetzung, die das Originalkonzept nicht einfach wiederholen mag, sondern es sinnvoll weiterentwickeln möchte. Hätte einerseits etwas deutlicher herausgearbeitet werden können. Andererseits habe ich eine Schwäche für Filme, die ihr Publikum für voll nehmen und ihm nicht jeden Bissen vorkauen. Und selbst als langjähriger Wellensittichhalter konnte ich über die Mini-Hitchcock-Hommage mit dem explodierenden Sittich herzhaft lachen. Vor 40 Jahren, vor 20 Jahren, und vor zwei Tagen.
Nicht nur bei mir hat mittlerweile eine Neubewertung von
Nightmare 2 – die Rache stattgefunden. In Teilen der queeren Gemeinde gilt er als Kultfilm (Kultfilmen ist natürlich stets mit Misstrauen zu begegnen). Das liegt vor allem daran, dass Hauptdarsteller Mark Patton dem Regisseur und vor allem dem Drehbuchautor vorwirft, seine damals noch verschleierte Homosexualität ausgenutzt und den Film zu schwul gemacht zu haben. Es gibt dazu einen von Mark Patton produzierten Dokumentarfilm, der länger ist als der Spielfilm selbst. Er beleuchtet vor allem, welch ein Geschenk an die Menschheit dieser Mark Patton ist, und wie ungerecht es war, dass er die Hauptrolle in einem Hollywood-Blockbuster spielen durfte, und wie dieser Umstand selbstverständlich sein unverzügliches Karriere-Aus bedeutete (kennt man ja, diese Blockbuster: absolutes Karrieregift!). Anfangs vergleicht Patton sich mit Greta Garbo und Brad Pitt, am Ende reiht er sich bei all den historischen Märtyrern ein, die unter lebensgefährlichen Umständen selbstlos für die Rechte sexueller Minderheiten gekämpft haben. Was dazwischen passiert und behauptet wird, ist kaum faktenbasierter.
Nichtsdestotrotz muss ich sagen: Weiß man um die Diskussion, sieht man die Homoerotik in
Nightmare 2 in jedem Frame. Genauso sage ich: Wüsste ich von nichts, sähe ich es wahrscheinlich auch heute noch nicht. Wie heißt es bei den Freud-Skeptikern so schön: Manchmal ist eine Bockwurst in einem Brötchen bloß ein Hotdog. Mein stets geschärfter Hetero-Blick sieht im Film allerdings nach wie vor jede Menge gut gebauter Bikini-Mädchen, die sich lasziv aus Swimming Pools an Land hieven. Möglicherweise sieht er sogar mehr davon, als tatsächlich da sind. Ist eben immer eine Frage der Perspektive und widdewidde wie sie mir gefällt.

Trallari trallahey tralla hoppsasa – es ist Zeit für den ersten Film,
Nightmare – mörderische Träume. Dieser bescherte mir bei erneuter Durchsicht in meinen 30ern die zweite der beiden besagten Überraschungen. Doch zunächst einmal das wenig Überraschende: Der Film ist so großartig, dass man ihm seine offensichtlichen Schwächen noch im Vollzug verzeiht. Das ist 2025 nicht anders, als es 1984 war. Diese Schwächen wären ein paar alberne Spezialeffekte (ja, liebe Kinder, die waren schon damals albern) und eine Klimax, die fast so antiklimaktisch ist wie die von
Suspiria (hat dem auch nicht geschadet). Wie schön, dass alles andere nach wie vor vom Feinsten ist und kein bisschen Patina angesetzt hat: das wohltemperierte Erzähltempo, die selbstbewusst-unaufgeregte Inszenierung, das bestens ausgewählte und aufeinander abgestimmte Ensemble und die Musik, die man fast nicht bemerkt (wie es sich für vernünftige Filmmusik gehört). Und natürlich mindestens zwei Jugendzimmersterbeszenen, die man sein Lebtag nicht vergessen wird.
Die kleine Überraschung von vor 20 Jahren: Ich konnte mich nicht mehr ganz dem Konsens anschließen, Freddy Krueger sei im ersten Film düster und gruselig und würde erst in den Folgefilmen zu einem kalauernden Clown. Er kam mir nun schon im ersten ziemlich clownesk vor (ähnlich wie Tim Burtons Batman-Filme ihrerzeit als recht düster galten und heute von der Fernsehserie aus den 1960ern kaum noch zu unterscheiden sind). Diese Überraschung reproduzierte sich diesmal nicht (zu meiner Überraschung – ha!). Die Kalauerdichte ist in den späteren Filmen durchaus um einiges höher. Vermutlich schärft die nicht-chronologische Herangehensweise meine Wahrnehmung. Wer also über untote Kinderschänder mal so richtig ablachen möchte, ist mit den Fortsetzungen besser beraten.
Aber herrjeh – nicht mehr heute! Guckt denn hier keiner mal auf die Uhr? Es geht ja schon wieder auf die 2.000 Wörter zu, und wir haben erst drei Filme geschafft. Wer soll denn so lange Texte auf diesen flackernden Computermonitoren lesen? Knipsen wir das Modem erst mal aus und legen uns ein bisschen aufs Ohr. Und falls wir wieder aufwachen, geht es hier bald weiter. Mit Kakerlakenmenschen, Feuer pinkelnden Höllenhunden, Johnny Depps Gehirn auf Drogen und den Fat Boys.
