Vienna Calling

Ich bin gerade in London („London Calling” wäre mir als Überschrift zu abgedroschen gewesen), um dem Künstler Damien Hirst finanziell ein wenig unter die Arme zu greifen. Er kann jeden Pfennig gebrauchen, falls er sich mal wieder selbst den einen oder anderen Damien Hirst kaufen möchte.

Leider ist mein eigentlich brillant durchdachter Kunstraubplan fehlgeschlagen, denn dem Exponat For the Love of God darf man sich nicht mit großer Tasche nähern.

Sonst könnte ja jemand mit weit gestrecktem Zeigefinger ausrufen: „Gucken Sie mal da!“, der Sicherheitsbeamte neben dem Kunstwerk würde sich neugierig umdrehen, und schwups wäre der Schädel eingetütet.

Mein Plan war nicht ganz so simpel. Ich wollte das …

… gegen das austauschen:

Bis den Schwindel jemand bemerkt hätte, wäre ich längst über alle Berge.

Hat aber nicht geklappt, und so können Sie For the Love of God, die Mona Lisa dieses Jahrhunderts und der kommenden, noch bis zum 24. Juni in einem Gratiskabuff in der Turbinenhalle der Tate Modern ansehen.

Sie sollten sich jedoch einen Ruck geben und auch die kostenpflichtige Hauptausstellung sehen. Hören Sie nicht auf die Muffel, die behaupten, ein toter Hai sei keine Kunst. Das ist nicht mehr als ein ganz gemeiner Fall von Haiunterschätzung. Mir persönlich allerdings gefallen in Hirsts Werk am besten die pharmazeutischen Arbeiten. Die Muffeltheorie geht davon aus, dass man so was tagtäglich in der Apotheke kostenlos sehen kann. Das mag sein, aber man wird in der Ausstellung nicht ständig gefragt: „Kann ich Ihnen helfen?“ Und so kann man sich besser ergreifen lassen von den schönsten und traurigsten künstlerischen Arbeiten zum Verhältnis von Leben und Tod und Glauben und Wissen und Hoffnung, die man sich für Geld verschreiben lassen kann.

Denkt sich ein Apotheker beim allmorgendlichen Befüllen seiner Regale: „Also, wenn dieser Damien Hirst ein Künstler ist, dann bin ich auch einer!“, dann ist dieser Gedanke nur zu begrüßen. Man sollte ihn ermutigen: „Ja, das sind Sie! Aber sagen Sie das doch nicht so, als wäre das eine Krankheit! Freuen Sie sich an Ihrer Kunst!“ Im Allgemeinen wird man eher glücklicher als unglücklicher durchs Leben und die Welt gehen, wenn man eher mehr Dinge als weniger Dinge als Kunst betrachtet.