Hugh Grant lebt hier nicht mehr

Wie jeder vernünftige Teen und Twen war ich als Teen und Twen einigermaßen London-verrückt. So hatte ich mich angesichts meines kürzlichen dortigen Aufenthalts auf einen Rückfall in die Kindheit gefreut, wollte jedoch diesmal mit der Stadt nicht recht warm werden. Ich habe mich schließlich immer länger nach Chinatown und Uniqlo zurückgezogen. Was in London seit meinem letzten Besuch (im vergangenen Jahrtausend) baulich hinzugekommen ist, ist scheußlich und sinnlos (und ich bin durchaus ein Freund von Wandel und Moderne). Nach der aktuellen Baustellendichte zu urteilen, werden munter weitere scheußliche Sinnlosigkeiten hinzukommen. Die Musicalisierung von jedem Unsinn nimmt immer bedenklichere Züge an (Ghost – The Musical?! Oh, Shrek!). Paris, so sagt man, sei am schönsten im Regen, und da sagt man was. London ist bei Regen leider am allerunausstehlichsten, was angesichts des lokalen Normalwetters ein äußerst unglücklicher Umstand ist. Wo wir schon beim unfairen völlig gerechtfertigten Städtevergleich sind: Ist die Untergrundbahn von Paris charmant-alt, so ist die von London bloß kaputt-alt. Und dass man in der Öffentlichkeit keine Trainingshosen trägt, sollte ja wohl … ach, ich kämpfe gegen Windmühlen.

Aber es war gar nicht alles schlecht. In Notting Hill hat es mir gut gefallen. Dabei war der Hauptgrund meines Ausflugs dorthin von einem niederschmetternden Misserfolg gekrönt (falls Misserfolge überhaupt „krönen“ können).

Eine junge Dame, um deren Gunst ich einmal warb, sagte mir währenddessen, ich erinnere sie an „Hugh Grant in Notting Hill“. Das bestärkte mich in meinem Werben, auch wenn ich nach Überprüfung des Films feststellte, dass Hugh Grant darin ein ziemlicher Schlappschwanz ist. Ich verkürzte einfach „Du erinnerst mich an Hugh Grant in Notting Hill!“ zu „Du erinnerst mich an Hugh Grant!“ und machte es zu meinem Mantra. Noch heute sage ich das jeden Morgen meinem Spiegelbild.

Da mein Werben letztendlich und anhaltend Erfolg hatte, dachte ich mir, ich könne von meinem London-Aufenthalt ein selbstgeknipstes Foto des realen Reisebuchladens in Notting Hill mitbringen, der das Vorbild des fiktiven Reisebuchladens in Notting Hill war; anstatt Blumen oder eines Stoffbären in einem Union-Jack-Hemd.

Aber, ach!

Tapfer aber beschädigt hängt noch das Schild darüber, doch im Innern nur buchlose Leere, an der Scheibe ein Zu-vermieten-Schild und die Ankündigung eines bevorstehenden Hüpfburg-Events.

Ich war nicht der einzige Tourist, der sich für das Geschäft interessierte (gleichwohl der einzige männliche). Die anderen Mädels hatten es faustdick hinter den Ohren. Nach Sekundenbruchteilenttäuschung fotografierten sie einander einfach vor dem Buchgeschäft gleich nebenan, das weiterhin operiert. Zu Hause werden sie ihren schmachtenden, eifersüchtigen Freundinnen erzählen, dass das der Laden von Hugh Grant war, and it was magic. Aber wir alle wissen, dass das nicht wahr ist.

Und der Inhaber des Ladens neben dem Laden wird sich weiterhin sagen: Wenn sich hier jede Hanni und Nanni vor dem Fenster fotografieren lässt, aber keine jemals reinkommt und was kauft, geht es meinem Laden bald wie dem von Hugh Grant und ich mache endlich meine Umschulung zum Hüpfburg-Eventmanager.