Die Nachrichtenlage in Japan bleibt angespannt: Seit dieser Woche steht fest, dass an Sumo gar nichts mehr gut ist. Dass im fetten Stil betrogen wird, erzählen Täter zwar schon seit rund 40 Jahren, und das „Hey Kids, Mathe ist cool!“-Buch Freakonomics hatte bereits 2005 vorgerechnet, dass Sumo rein rechnerisch ohne Beschiss nicht möglich ist. In Japan gilt etwas aber erst als rechtskräftig, wenn man es auf dem Handy lesen kann. Nachdem nun auf Mobiltelefonen E-Mails gefunden wurden, die belegen, dass Siege und Niederlagen und entsprechende Geldbeträge regelmäßig in aller Seelenruhe vor den Kämpfen verbindlich besprochen wurden, ist die Wut, Trauer und Betroffenheit groß. Ob das Fernsehen Sumo weiterhin zeigen kann, oder ob sowas überhaupt noch stattfinden sollte, wird hitzig diskutiert. Leider kann man nicht mal die nicht integrationswilligen Gastathleten aus dem Ostblock (von Japan aus: Westblock) verantwortlich dafür machen, dass Sumo sich abschafft, obwohl die doch sonst für jeden Skandal rangenommen werden. Die drei bislang eindeutig überführten Mauschler und Drahtzieher sind gebürtige Japaner, zum Beispiel Chiyohakuhō Daiki, der deshalb namentlich genannt wird, weil man von ihm am leichtesten an Bilder kommt.
Ob es über kurz oder lang wirklich so ein dickes Ding ist, wird sich zeigen. Da Sportwetten in Japan ohnehin gegen das Gesetz sind, gibt es gegen Absprachen erst gar keines. Die Empörung ist also rein moralisch, juristisch ist das ganze eine Nullnummer. Gemüter kühlen sich meist schneller, als man gucken kann. Schon jetzt weisen Kommentatoren darauf hin, dass nicht alle Absprachen schnöde monetäre Beweggründe haben, sondern auch als soziales Netz verwendet werden, um alternde und schwächelnde Ringer etwas länger in der privilegierten Sumo-Welt zu halten. Wie auch immer es ausgeht: Andere japanische Traditionen leben ganz sicher weiter. Das Washlet, diese wunderbare Mischung aus Toilette und Intimspülmaschine, feiert dieser Tage 30. Geburtstag und bleibt eine einzige Erfolgsgeschichte. 70% aller japanischen Haushalte mögen nicht drauf verzichten, allein Erfinderfirma Toho hat weltweit (also asienweit) 30 Millionen Exemplare losgeschlagen. Das Verkaufsargument zur Produkteinführung gilt immer noch: Hände wischt man ja auch nicht nur mit Papier ab, wenn sie schmutzig sind. Bonus-Nachricht, weil ich Sie nicht ohne Hello-Kitty-Geschichte ins Bett schicken möchte: In Saitama wurde ein 36-jähriger Einbrecher gefasst, weil er Hello-Kitty-Sandalen trug, die per Schuhabdruck einem Tatort zugeordnet werden konnten. Da hatte der Mann aber Glück. Ich habe gesucht und gesucht, aber nie Hello-Kitty-Sandalen in meiner Größe gefunden (tsching-bum).Schlagwort-Archive: Sport
Wichtiger Hinweis für Funsportler und andere Lebensmüde
Just do it (soon)
Nach meiner furchtlosen Visite des Yasukuni-Schreins gehe ich heute wieder hin, wo es wehtut (wenn auch nicht so weh, als würde ich dabei einen Mikoshi tragen). Der Miyashita-Park ist ebenfalls ein Politikum, wenn auch eines, bei dem die Weltpolitik mit den Schultern zuckt. In Tokio aber wird durchaus kontrovers diskutiert.
In den Miyashita-Park gerät man als Tourist nur, wenn man zu Tower Records will und im Bahnhof Shibuya den falschen Ausgang erwischt hat. Der Park ist auf Karten in Reiseführern der Vollständigkeit halber eingezeichnet, wird aber im Text sicherlich keine Erwähnung finden. Mit Sicherheit steht hingegen in jedem Reiseführer der Hinweis, dass man sich in dieser Stadt selbst als Frau immer und überall ohne Leibgarde frei bewegen kann. Fragt man Tokioterinnen nach der Richtigkeit dieser Einschätzung, pflichten sie im Großen und Ganzen bei. Hängen aber oft noch an: „Außer vielleicht im Miyashita-Park.“ Es handelt sich um einen schmalen, leidlich grünen Streifen zwischen Eisenbahnschienen und Meiji-dori. Ein öffentlicher Park, er gehört also den Bürgern, und die Bürger haben ihn seit Jahrzehnten aufgegeben. Man erinnert sich allenfalls an ihn, wenn man Sperrmüll hat und die Gebühren sparen möchte. Jetzt hat der Sportartikelhersteller Nike für einen zunächst begrenzten Zeitraum den Park gekauft. Die Firma will dort renovieren und Gratis-Skatergedöns errichten. Außerdem hat Nike für die vereinbarte Zeit das Recht, den Park nach eigenem Gutdünken umzutaufen. Es gilt also als sicher, dass der Miyashita-Park bald Nike-Park heißen wird. Könnte einen als Skater freuen. Könnte allen anderen Menschen völlig egal sein, wie einem der Park schon immer völlig egal war. Dennoch regt sich jetzt Protest. Wir sind das Volk, und der Park gehört uns, meinen ein paar Aktivisten, die ohne gute Argumente viel Presse bekommen. Eines der besseren Argumente ist noch, dass der Miyashita-Park beliebt bei Obdachlosen sei. Das ist allerdings kein spezifisches Phänomen dieses einen Parks, sondern wirft auf höherer Ebene die Frage auf, wie eine Gesellschaft mit ihren Opfern umgeht. Es kann keine Lösung sein zu sagen: „Wir lassen die Obdachlosen einfach im Miyashita-Park, den haben wir eh aufgegeben, passt ja.“ Es wäre mir darüber hinaus neu, dass Obdachlose schäbige Parks gegenüber gepflegten bevorzugen. In Tokios schöneren Grünanlagen sind sie durchaus auch anzutreffen. Und es dürfte ihnen genauso egal wie mir sein, ob der Park Miyashita, Nike oder sonstwie heißt. Mir scheint der jetzige Miyashita-Park ohnehin weniger wie eine Oase für Obdachlose als ein günstig gelegener Ort, wo junge Leute hingehen um Drogen zu kaufen und sich zu erbrechen. Von Drogenhandel halte ich eh nicht viel, und was das Erbrechen angeht: Können das die jungen Leute nicht in den Zügen der Yamanote-Linie machen, wie alle anderen auch? Könnte es sein, dass es beim Protest nicht etwa um Solidaritätsbekundung mit nicht existierenden Miyashita-Liebhabern geht, sondern um stumpfen Anti-Amerikanismus, gepaart mit plumpen japanischen Nationalstolz, getarnt als Kapitalismuskritik? Schließlich ist es ausgerechnet ein amerikanisches Unternehmen, das hier ein bisschen aufräumen möchte. Dass, ebenfalls in Shibuya, schon seit geraumer Zeit ein ebenfalls öffentliches Veranstaltungszentrum nicht mehr Shibuya Public Hall heißt, sondern nach meiner Lieblingsbrause C.C. Lemon Hall, scheint niemanden groß aufzuregen. C.C. Lemon kommt freilich nicht aus dem Hause Coca-Cola, sondern von der urjapanischen Suntory-Abfüllerei. Das Vitamin C von wie vielen Zitronen passt wohl in die Halle, wenn in der Haushaltsflasche schon 210 sind?Shinto Loveparade
Bei lokalen shintoistischen Straßenfesten ist es Brauchtum, mit großem Hallo und vereinten Kräften Schreine durch die Straßen zu tragen. In Nachbarschaften, in denen Ausländer oder ausländerfreundliche Organisationen beheimatet sind, dürfen auch Ausländer mittragen, was diese offenbar gerne tun. Als ich zum ersten Mal davon hörte, dachte ich spontan: Wow – das interessiert mich null. Zuschauen ja, wenn ich in der Gegend bin und es Getränkeverkauf gibt, aber bestimmt nicht aktiv mitschleppen.
Als aber unlängst die Agentur, die mir meine Tokioter Wohnung vermietet, rumfragte, wer denn gerne den Agenturschrein beim Misaki-Festival im Stadtteil Jimbocho mittragen möchte, reckte ich sofort den Arm in die Höhe und rief: „ICH, ICH, ICH!“ Dabei hatte sich meine Einstellung gar nicht großartig geändert. Aber da war der nuttige Gedanke: Ich mach das, damit meine