Weihnachtsfilme: Es geht um Weihnachtsfilme (Überschrift SEO-optimiert)

Ich wollte nur klarstellen, dass es hier um Weihnachtsfilme geht, denn meinen letzten Beitrag zum Thema hatte ich unter einer Überschrift versteckt, die unter SEO-Gesichtspunkten nicht super-duper optimal komponiert war.

Es ist eine schöne Tradition in diesem Blog, über die Weihnachtsfilme zu schreiben, die ich in dieser Saison gesehen habe, weil mir sonst nichts einfällt (jetzt schon im zweiten Jahr). Vorweg: Ich habe nicht vor, die Handlungen der Filme wiederzugeben, nicht mal ein bisschen. Nicht weil ich plötzlich an Spoiler glauben würde, sondern erstens weil der Plot als Qualitätsmerkmal von Erzählungen generell überbewertet wird, zweitens weil es im modernen Weihnachtsfilm ohnehin nur zwei verschiedene Plots gibt (also fünf weniger als insgesamt auf der Welt, wenn man Creative-Writing-Klugscheißern glauben möchte):

  • 1. Jemand bringt besten Freund/beste Freundin (wahlweise eine/n völlig Fremde/n) mit zum familiären Weihnachtsfest, um ihn oder sie als die aktuelle ernsthafte Beziehung auszugeben. Zum Schluss ist es dann wirklich so.
  • 2. Eine eiskalte Geschäftsfrau (seltener Geschäftsmann) wird von der großen Stadt (gerne „L. A.“) aufs Land geschickt, um dort irgendetwas gegen den Willen der Landbevölkerung zu gentrifizieren. Zum Schluss, nach einigen Witzen über Kuhfladen und Kalbsgeburten, lässt sie sich auf dem ungentrifizierten Land häuslich nieder, und zwar mit einem gutaussehenden, breitschultrigen Typen vom Land, den sie zuerst gar nicht abkonnte.

Beginnen wir mit dem stärksten Tobak, damit wir es hinter uns haben: Lindsay Lohan in Falling for Christmas. Zu behaupten, der Netflix-Film habe gute Kritiken bekommen, wäre stark übertrieben; er hat überwiegend negative erhalten. Gleichwohl durchwehte viele ein Tenor von: „Nicht ganz so katastrophal wie erwartet, und la Lohan ist sogar richtig gut.“

Ich bin darauf reingefallen. Deshalb ist es mir umso wichtiger, dass nachfolgende Generationen nicht denselben Fehler machen wie ich, und ich sage ohne weihnachtliche Güte: „Doch! Der Film ist haargenau so katastrophal, wie man nach dem scheußlichen Trailer erwarten durfte, und Lindsay Lohan ist komplett fehlbesetzt!“ Lindsay Lohan ist eine Frau mit einer gewissen Lebenserfahrung (die Presse berichtete und berichtete und berichtete), und die steht ihr ins Gesicht geschrieben. Das zickige, naive kleine Mädchen, das noch an Daddys Rockzipfel hängt, kann sie damit nicht mehr spielen. Und das ist überhaupt nicht schlimm. Dieser talentierten Schauspielerin ist ein Comeback zu gönnen, und wenn dieser Film das Weihnachtswunder vollbringt, dann meinetwegen. Aber von Herzen hätte ich ihr einen anderen, richtigen Film gewünscht, mit einer echten Rolle für eine erwachsene Frau.

In einer Weihnachtsfilmdisziplin immerhin ist Falling for Christmas überdurchschnittlich: Es gibt nicht nur eine tote Mutter, sondern gleich zwei. Da in diesem Jahr wirklich kein einziger Weihnachtsfilm ohne tote Mutter auskommt, habe ich mir mal Gedanken gemacht, woran das liegen könnte. Hier ist das Ergebnis: Vielleicht liegt es daran, dass tote Mütter viel schlimmer sind als tote Väter. Und alleinerziehende Väter viel lustiger und rührender als alleinerziehende Mütter. Alleinerziehende Mütter sind vermutlich zu realistisch, das zieht die Stimmung total runter.

In Something from Tiffany’s gibt es, wenn ich mich nicht verzählt habe, nur eine tote Mutter. Gegen Falling for Christmas nimmt sich der Film aus wie ein Spike Lee Joint, written and directed by Woody Allen, a Martin Scorsese picture. Für sich betrachtet ist Something for Tiffany’s aber nur das, was ich von Falling for Christmas erhofft hatte: Ein Film, der nicht wehtut. Eine romantische Komödie ohne richtige Witze und allzu dramatische Konflikte. Man könnte ihn also als ‚recht erwachsen‘ bezeichnen, wie man immer alles als ‚erwachsen‘ bezeichnet, wenn man nicht ‚langweilig‘ sagen möchte. Dieser Trend hat nach meiner Beobachtung bei Quentin Tarantinos Jackie Brown angefangen und wird möglicherweise bei Star Wars‘ Andor nicht enden. Ist also wahrscheinlich gar kein Trend, sondern das neue Normal. ‚Ein bisschen langweilig‘ heißt jetzt ‚sehr erwachsen‘.

Bemerkenswert an diesem Weihnachtsfilm ist, dass es eigentlich gar keiner sein müsste. Ein vertauschtes Geschenk stößt zwar den Plot an, doch die Menschen schenken schließlich nicht zu Weihnachten allein. Die Hauptfigur weißt sogar darauf hin, dass sie Jüdin ist. Erst ganz zum Schluss, als schnell noch angetackerten Epilog, gibt es eine explizite Weihnachtsszene, die aber für den Gesamtzusammenhang irrelevant ist. Ich möchte jedoch gar nicht meckern. Als Erwachsener, dem richtige Filme oft zu aufregend sind, war mir diese Amazon-Produktion ganz sympathisch.

Sprechen wir vorübergehend nicht über Weihnachtsfilme, sondern über Weihnachtsfernsehserien (Scheibenkleister, Überschrift vielleicht doch nicht optimal). Ich war gegen The Santa Clauses auf Disney+, aber meine Frau war dafür, und man weiß ja, wie sowas endet. Bunt war es. So bunt, dass wir aus Versehen die ganze Serie gesehen haben, und nun wurde eine zweite Staffel bewilligt, und wir tragen eine Mitschuld. Das Ganze ist eine Fortsetzung der Santa-Clause-Filme mit Tim Allen, von denen ich keinen gesehen habe, weil ich über Tim Allen noch nie lachen konnte (ich habe es auch diesmal nicht gelernt). Das wiederum liegt nicht daran, dass wir auf unterschiedlichen Seiten des politischen Stammtisches sitzen, wenn wir nicht gerade Weihnachtsstimmung verbreiten. Über einen Stammtisch kann ich hinwegsehen, so viel Größe habe ich. So viel Größe hat wohl auch Kal Penn (178 cm laut Google), der hier eine Art etwas sympathischeren und viel erfolgloseren Jeff Bezos spielt (Mann von toter Mutter), was er wie gewohnt gut macht, was aber in dem kunterbunten, witzlosen, immerhin auf irgendeine magische Weise die Zeit vertreibenden Irrsinn auch nicht viel reißen kann.

Marvels The Guardians of the Galaxy Holiday Special über die Entführung des Schauspielers Kevin Bacon (der Schauspieler Kevin Bacon) durch außerirdische Superhelden ist so lustig, wie es klingt (also ziemlich).


Dennoch nur ein schwacher Ersatz für die goldige letztjährige Marvel-Weihnachtsserie Hawkeye, die ich mir in diesem Jahr einfach noch mal angesehen habe, um in Weihnachtsstimmung zu kommen. Hat wieder funktioniert. Und so ist Hawkeye nun nach Only Murders in the Building die zweite Serie des Streaming-Zeitalters, die ich mir zweimal komplett angesehen habe, und zwar beide Male mit außerordentlichem Vergnügen. Dass beide auf Disney+ laufen, heißt vielleicht irgendwas. Ich weiß nicht genau was, aber bestimmt nichts Gutes für Netflix. (Die dritte Zweimal-Serie wird gerade The Peripheral. Auch nicht Netflix.)

Marvel hat in diesem Jahr mit Moon Knight und She-Hulk: Attorney at Law bewiesen, dass doch noch ein bisschen Saft im alten Marvel-Zitroniversum ist. Hawkeye allerdings bleibt die vorderste Marvel-Vorzeigeproduktion. Gelegentliche Selbstironie statt ständiger Metaebene, richtige Menschen als Super-Protagonisten, New Yorker Lichterglanz, Weihnachtslieder und auch sonst genau das richtige Maß an Parampampampam.

Widerwillig zurück zum Film. Sollte ich eingangs behauptet haben (und das habe ich), dass Falling for Christmas der größte Tobak in diesem Beitrag sei, dann nur, weil ich I Believe in Santa zwischenzeitlich schon wieder verdrängt hatte. Jetzt jedoch kommt er wieder hoch. Es handelt sich um die Liebesgeschichte zwischen einer erwachsenen Journalistin, die Weihnachten hasst, weil sie als Kind einmal nicht ihre Barbie-Puppe bekommen hatte, und einem erwachsenen Anwalt, der noch an den Weihnachtsmann glaubt, weil … tut er halt. Gemacht wurde dieser lieblos dahingeschluderte Murks derweil ausschließlich von Menschen, die Weihnachten hassen. Und Filme. Und Fernsehen. Eigentlich alles, außer pünktlich Feierabend machen.

Was für eine visuelle Wohltat da Your Christmas or Mine?. Dieser Film sieht aus, als wäre er von Leuten gemacht, denen es nicht egal ist, wie so ein Film aussieht. Obendrein ist der Plot eine erstaunlich originelle Variation des Familientreffen-Themas und die Besetzung äußerst sympathisch. Hilft natürlich alles nichts, wenn das Skript vorgestern hätte fertig sein müssen und man knapp vor Drehbeginn schnell die erstbeste Version von allem runtertippt, was noch nicht getippt wurde. So bleibt dann doch nur in Erinnerung, wie schön die Schneeflocken purzelten. Das immerhin ist in dieser Weihnachtsfilmsaison nicht nichts.

Zuletzt schnell vorgespult ein paar Titel, die ich nicht oder nicht ganz geschafft habe.

Es gibt da einen Film, in dem Freddie Prinze Jr. den Witwer-Vater spielt. Das Überraschende daran ist, dass das nicht der Film mit Lindsay Lohan ist. Wir waren bereits zu desillusioniert, um an ein verborgenes Juwel zu glauben.

Nach dem Trailer von The Hip Hop Nutcracker sagte meine Frau: „Ich verstehe immer noch nicht, was das ist.“ Dabei steht sie der Welt des Hip-Hop näher als ich, und ich stehe ihr auch nicht völlig fern. Stellt sich heraus: Erst wird ein bisschen gerappt, dann ein bisschen Tschaikowsky gescratcht, schließlich viel getanzt. Wir haben uns nach 10 von 40 Minuten entschlossen, dass wir das respektieren können, aber nicht sehen möchten.

Halb habe ich den satirischen No-Budget-Weihnachts-Home-Invasion-Thriller The Leech auf Arrow Player gesehen, und die zweite Hälfte schaffe ich vielleicht auch noch. Aber erst nach Weihnachten. Erinnerte mich ein bisschen an einen anderen Film, dessen Titel ich leider vergessen habe. Sie wissen schon, welchen ich meine.

Hat mit Something from Tiffany’s (s. o.) nicht per se viel gemein, scheint allerdings auf den ersten halben Eindruck ebenfalls einer dieser Weihnachtsfilme zu sein, die eher zufällig an Weihnachten spielen.

Und damit verabschiede ich mich ins richtige Weihnachtsfest und wünsche uns allen bessere Weihnachtsfilme im nächsten Jahr. Das ist zugegebenermaßen keine allzu hoch gehangene Zuckerstangenmesslatte.

Steve Martin, Boris Becker und ich

Wir haben eine Gewinnerin: Only Murders in the Building ist offiziell die erste Fernsehserie des Streaming-Zeitalters, die ich gleich zweimal komplett gesehen habe.

Mein Enthusiasmus hat viele Gründe, einer ist selbstverständlich Steve Martin. Leider muss ich bei Steve Martin immer an Boris Becker denken. Und das kam so: Martin nahm ich zum ersten Mal 1985 wahr, als der Film All of Me unter dem überdurchschnittlich gelungenen Titel Solo für 2 in den deutschen Kinos lief. Es handelt sich dabei um die Mutter aller modernen Körpertausch-Komödien. Oder den Vater; das weiß man bei diesem sehr speziellen Subgenre ja nie so genau. Ein Großteil des Humors speist sich daraus, dass Steve Martin vor laufender Kamera ulkige Verrenkungen macht, weil eine Frau in seinem Körper steckt (Lily Tomlin). Ich habe mich derweil nicht nur darüber vor Lachen weggeschmissen, sondern mir war der Typ an sich sympathisch, und das lag wiederum daran, dass mir der Schauspieler sympathisch war. Ohne es gleich messerscharf zu analysieren, war mir unterbewusst sofort klar, dass dieser Steve Martin die ganze komödiantische Bandbreite von absurd albern bis knochentrocken beherrschte, und dass er fortan in meinem Leben ein ständiger Begleiter sein würde. (Ich habe jenen Film in jener Lebensphase noch etliche Male im Kino und auf Video gesehen, dann allerdings ein paar Jahrzehnte nicht mehr. Als ich unlängst bang erneut reinschaute, war ich erstaunt, wie komisch ich vieles nach wie vor fand. Man schmeißt sich mit 51 hoffentlich nicht mehr über dieselben Dinge weg wie mit 15, aber All of Me ist vorteilhafter gealtert, als man das von diesem Stoff erwarten durfte.)

Als ich nach dem Kinobesuch gut unterhalten mit dem Nahverkehrszug aus der pulsierenden Bremer Innenstadt ins beschauliche Bremen-Schönebeck zurückkehrte, machte der Zugführer eine Durchsage in heiterem Ton: Boris Becker habe soeben Wimbledon gewonnen. Ich interessierte mich damals noch weniger für Tennis als heute (Moment mal, das geht ja gar nicht), doch der Ton gefiel mir. Das norddeutsche Eisenbahnpersonal war damals eher nicht für seine ansteckende Heiterkeit bekannt. Das mag sich freilich geändert haben, genau wie das Wetter und die Landesgrenzen. Jedenfalls sind seitdem Steve Martin und Boris Becker unzertrennlich in meinem Kopf miteinander verbunden.

Es war eine gute Zeit, Steve-Martin-Fan zu werden. Durch den Erfolg von Solo for 2 kamen Schlag auf Schlag etliche seiner älteren Filme in die deutschen Kinos, die mich zu jener Zeit köstlich amüsierten (Tote tragen keine Karos, Der Mann mit den zwei Gehirnen, Ein Single kommt selten allein). Als Bonus waren diese Filme in den USA keine großen Erfolge gewesen, wodurch man sich den „blöden Amis“ (zeitgenössischer Slang) gegenüber herrlich überlegen fühlen konnte, während man sich am Opium ihrer Unterhaltungsindustrie labte. Es war ein wenig wie damals, als die Franzosen Jerry Lewis zu ihrem Gott erklärten und die Amerikaner sich am Kopf kratzten.

Einige von Martins Filmen verknüpften sich eng mit meiner Biografie. Eine Party ohne den Soundtrack von Drei Amigos war einfach keine richtig rauschende Party. L. A. Story wurde von Anfang an als eines seiner Meisterwerke gesehen, doch ich brauchte meine Zeit. Ich sah ihn mir in Gesellschaft einer jungen Dame an, der ich in jenen Tagen den Hof machte. Wir stellten dabei schnell fest, dass unser Humor völlig inkompatibel war. Es waren die unbequemsten 98 Minuten meines Lebens. Weil ich stets bemüht bin, es allen recht zu machen, sah ich den Film durch die jungen Damenaugen und mochte ihn ebenfalls nicht. Es hat Jahre gedauert und viele weitere Versuche gebraucht, bis ich die bösen Geister des misslungen Dates austreiben und den Film entspannt genießen konnte. (Die damals junge Dame traf keine Schuld, es lag allein an mir.)

Auch als seine Filme belangloser wurden, blieb ich Martin treu. Ich las seine Bücher und arbeitete mich sogar durch seine Meisterklasse über Bühnenkomik, obwohl ich nicht vorhabe, jemals auf einer Bühne Witze zu erzählen.

Ähnlich wie der ansonsten total unähnliche Bill Murray besitzt Steve Martin die Eigenschaft, dass Quatsch nicht nur von ihm abperlt, sondern er sogar dem größten Quatsch noch ein kleines bisschen Klasse zu verleihen vermag. Egal, wieviel Mist er verzapft, man assoziiert nie als erstes seine Fehlleistungen mit ihm: „Würg, der Typ aus Pink Panther.“ Andere Prominente hatten nicht so viel Glück. Bei manchen denke ich heute erst mal „Besenkammer“, frühestens danach „Wimbledon“.

Überhaupt scheint Steve Martin einer zu sein, der das Prominentenleben mit Würde zu ertragen und zu führen weiß. „Mann, dieser Steve Martin … was für ein Arschloch!“ ist eine Aussage, die ich mir gerade ausgedacht habe. Gehört habe ich sie noch nie. Steve Martin hat fünf Grammys gewonnen (zwei fürs Witzeerzählen, drei fürs Banjospielen) und bei keiner der Verleihungen irgendwem eine runtergehauen. Weder mit seiner Exfrau noch mit irgendeiner sonstigen Verflossenen musste er sich je gerichtlich darüber einigen, wer in wessen Bett AA gemacht hat.

Wie macht er das bloß? Was ist sein Geheimnis?