Generation Freddy (Teil 2 von 3)

Was bisher geschah: Siehe letzte Woche.

Wo waren wir stehen geblieben? Wen kümmert’s, weiter geht es bei meiner non-linearen Nightmare-on-Elm-Street-Retrospektive mit Freddy vs. Jason. Zu meiner eigenen Überraschung, denn den wollte ich eigentlich aussparen. Doch der Algorithmus spülte ihn mir hoch, und das Herz begehrt nun mal, was das Herz begehrt. Da kann der Verstand mitunter nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und kapitulieren.

Freddy vs. Jason ist einer dieser Filme, an dessen Skript sich angeblich jahrelang diverse prominente Horrorautoren versucht haben. Zum Schluss schlackerte der Endverbraucher mit den Ohren, rieb sich die Augen und fragte baff: „Und dann habt ihr das genommen?“ Das Autorengespann Dings und Bums hatte vor Freddy vs. Jason nichts gemacht und wurde hinterher zu Baywatch verdonnert. Eigentlich handelt es sich bei ihrem Debüt nicht, wie man angesichts des Titels meinen könnte, um ein demokratisches Crossover der Nightmare- und Freitag-der-13.-Serien, sondern um eine Fließband-Nightmare-Folge mit ein paar Gastauftritten von Freitagskiller Jason. Angesichts des unüberbrückbaren Niveaugrabens zwischen den Franchises muss man sagen: Zum Glück.

Freddy vs. Jason war seinerzeit eine einzige Enttäuschung. Doch muss ich zugeben, dass mich jede Wiederholung ein wenig milder stimmt. Was mir dieses Mal etwas klarer wurde als bei früheren Versuchen: Das Skript und die Darsteller haben durchaus ihren augenzwinkernden Spaß mit den Horrorstereotypen, die hier breitgetreten werden. Das Ganze erreicht sicherlich nicht die selbstreferenziellen Meta-Ebenen von Scream oder Wes Craven’s New Nightmare, aber es hilft ein wenig. Da mir das vorher nicht aufgefallen ist und ich mir nun bei Tageslicht nicht mehr sicher bin, ob ich das nicht bloß hineininterpretiert habe, muss die provokante Frage erlaubt sein: Ist Freddy vs. Jason etwa zu … subtil?

Zumindest die erste Stunde vergeht dank Regisseur Ronny Yu (The Bride with White Hair, Bride of Chucky, Bride …, nee, das war’s) wie im Flug. Leider nimmt der Film im letzten Akt seinen Titel viel zu ernst und wird zu einer einzigen Monsterkeilerei, in der menschliche Charaktere kaum noch etwas zu tun haben. Wen interessiert das? Vielleicht Fans von amerikanischen Schau-Ringkämpfen. Der Reiz dieses bizarren Phänomens hat sich mir nie erschlossen.

Nightmare on Elm Street 4 (das ist tatsächlich der offizielle deutsche Titel – richtig viel Mühe gegeben) hat mit Freddy vs. Jason gemein, dass hier ein patenter Regisseur die Kohlen aus dem Feuer holt. Und damit hat er alle Hände voll zu tun. Unter den Nightmare-Filmen nimmt dieser eine Sonderstellung ein: Es ist die einzige Hollywood-Autopilot-Standard-Fortsetzung der Serie. Jeder andere Teil ringt dem Konzept irgendetwas Neues ab (der ebenfalls stark standardisierte Freddy vs. Jason läuft hier außer Konkurrenz). Bloß Nightmare 4 macht einfach dasselbe wie Nightmare 3, nur nicht so frisch. Was daran trotzdem gut ist, ist es wegen Regisseur Renny Harlin. Weil er die Serie versteht, das Genre versteht und Film versteht. Noch besser wäre es freilich gewesen, wenn die Drehbuchautoren auch etwas von alledem verstanden hätten. Der Film ist gut inszenierter Quatsch mit Soße.

Jahrelang habe ich mich über Renny Harlin lustig gemacht, weil sein Stil so pompös ist und er auf Fortsetzungen, Vorgeschichten, Spin-offs, Reboots und dergleichen abonniert zu sein scheint. So langsam allerdings werde ich Fan. Das Pompöse steht ihm. In der vierstündigen Nightmare-Dokumentation Never Sleep Again gibt es ein paar anrührende Anekdoten zu hören, wie streng Harlin vor seiner finalen Verpflichtung gerochen haben soll, weil er sich keine Dusche leisten konnte, nachdem er von Riihimäki nach Hollywood rübergemacht hatte, mit nichts als einem finnischen Filmwissenschaftsdiplom in der Tasche. Man muss ihn einfach ins Herz schließen.

Huch, ich merke gerade, ich habe schon lange keine provokante Außenseitermeinung mehr vertreten. Also Renny Harlin: Sein Exorzist-Prequel ist besser als das von Paul Schrader. Und nicht nur so ein bisschen. Es ist genau die bildgewaltige Horrorshow, die der Stoff verdient. Das ist doch keine Arthouse-Mumblecore-Franchise, Menschenskinder.

Was ich mich heute frage: Begann mit Nightmare 4 eigentlich die moderne Unsitte, am Anfang einer Fortsetzung die letzten Überlebenden des Vorgängerfilms auch noch abzumurksen? Ein älteres Beispiel fällt mir nicht ein. Anfang dieses Jahrtausends bedienten sich in schneller Folge Anatomie-, Grudge- und Bourne-Fortsetzungen dieses blöden Tricks (Franka Potente scheint da besonders viel Pech gehabt zu haben), und inzwischen ist es ein Klischee zum Stöhnen und Augenrollen. Finde ich jedes Mal respektlos gegenüber den Figuren, den Intentionen des vorangegangenen Films und der emotionalen Bindung, die das Publikum zu diesen Figuren über die Laufzeit jenes Films hinaus aufgebaut hat.

Nightmare 4 ist ein Film, dem alles egal ist. Warum lebt Freddy wieder? Weil ein Hund namens Jason im Traum Feuer auf sein Grab gepinkelt hat. Was kann man dagegen machen? Ungefähr dasselbe wie im dritten Teil (Spoiler: Hat da bereits nicht geklappt). Die Tode sind allesamt Lachnummern, eine Geschichte im landläufigen Sinne ist nicht auszumachen. Dennoch war es der kommerziell erfolgreichste Film der Serie. Und warum auch nicht? Millionen fliegen irren nicht, wenn sie sagen: Besser Lachnummern als gar keine Nummern.

Bringen wir nach dem vierten schnell den dritten Teil hinter uns. Nightmare III – Freddy Krueger lebt ist der Film, auf den ich mich bei dieser Retrospektive am wenigsten gefreut habe. Ach herrje, kommt jetzt etwa wieder so eine wichtigtuerische, angestrengt-konträre Minderheitenmeinung zur allseits beliebtesten Nightmare-Fortsetzung? Nein, nein. Gut, doch, irgendwie schon. Zunächst ist es ja durchaus ein sehr unterhaltsamer Film, meistens sogar aus den richtigen Gründen (gruseln und lachen an den dafür vorgesehenen Stellen). Deshalb ist einer der Gründe, warum mein Enthusiasmus ein wenig abgeflacht ist, der, dass ich den Film ein bisschen zu oft gesehen habe. Das hat allerdings nicht zuletzt mit Gruppenzwang zu tun. Ich war damals ebenfalls froh, dass Nightmare 3 nach dem unbeliebten (weil missverstandenen) Nightmare 2 eine Kurskorrektur vorgenommen hatte. Während jedoch die anderen Kinder ganz aus dem Häuschen waren, fragte ich mich insgeheim, ob diese Action- und Klamauk-betonte Dark-Fantasy-Richtung wirklich der bestmögliche andere Kurs war. Frage ich mich nach wie vor.

Seinerzeit hatte ich übrigens eine Novellette zum Film gelesen, die sich stark vom tatsächlichen Film unterschied. (Hätte ich das Büchlein noch, hätte ich inzwischen dank eBay bestimmt ausgesorgt. „Story meines Lebens“, wie die Anglophilen sagen.) Das Prosawerk ging noch stärker in eine Fantasy-Richtung, komplett mit Drachen und Schlössern. Vermutlich basierte der Text auf einer früheren, unrealisierbaren Fassung des Drehbuchs. Und vermutlich können wir dankbar sein, dass man damals noch Drachen und Schlösser bauen musste, wenn man Drachen und Schlösser in seinen Filmen haben wollte.

Nightmare 3 ist eine Achterbahnfahrt. Einerseits ist das eine Aussage, die man als Kritikerlob gerne auf das Plakat klatscht. Andererseits ist eine 90-minütige Achterbahnfahrt nicht jedermanns Vorstellung von einem gelungenen Filmabend. Man könnte auch sagen: Nightmare 3 ist wie Forrest Gumps Pralinenschachtel: Manche der Schokohäppchen schmecken gut, andere sind zu süß und klebrig, und an einem Stück will man die Schachtel ganz bestimmt nicht aufessen.

Alles zu versöhnlich? Nun gut, dann eine weitere unbequeme Aufregermeinung (in Bezug auf Nightmare 3, aber auch ganz allgemein): Bitte nie wieder Stop-Motion-Effekte in Filmen, die keine Stop-Motion-Filme sind! Sieht immer wie Knetgummianimation aus dem klassischen Kinderfernsehen aus und ist ungefähr genauso gruselig. Hatte sich in den 80ern längst überlebt, vermutlich schon in den späten 70ern. Was kommt als nächstes? Freddy vs. Augsburger Puppenkiste? (Gut, das würde ich mir anschauen.) In Anlehnung an das traditionelle orientalische Sprichwort, es sei besser, in einem BMW zu weinen, als auf einem Fahrrad zu lachen (Dalai Lama), sage ich: Gebt mir liebe schlechte CGI als gute Stop-Motion. Mir egal, wie viel Liebe und Hobbykellerstunden für ein paar Sekunden Ruckel-Zuckel-Skelett aufgewendet wurden – das Ruckel-Zuckel-Skelett muss rucki-zucki weg. Ray Harryhausen, Ray Harryhausen – ich kann es nicht mehr hören und will es nicht mehr sehen. Zumindest nicht in einem Film, der nach 1973 gemacht wurde.

Wie hieß noch mal der Sänger von Rucki-Zucki?

Bevor ich mich noch aufrege, machen wir lieber Schluss für heute. Ich merke gerade, ich habe fast keines der Ankündigungsthemen vom letzten Mal aufgegriffen. Weil ich so verwegen und unberechenbar bin. Auch beim nächsten (und letzten) Mal, versprochen.

Generation Freddy (Teil 1 von 2. Oder 3. Oder 4, wenn es komplett aus dem Ruder läuft.)

Um gleich auf die Überschrift einzugehen und ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern: Unter diesem Titel (‚Generation Freddy‘) habe ich 2009 (ja, ich habe nachgesehen) zum ersten Mal versucht, ein sentimentales Memoir über meine Liebe zum Horrorgenre Verlagen zur Publikation anzubieten, quasi eine punktuelle Autobiografie des Horrorfans als Horrorfan. Meine Agentin fand die Idee nicht schlecht, doch verlagsseitig kam immer nur: „Wir auch nicht, aber Horrorfans lesen leider nicht.“ Ich habe immer mal wieder am Konzept herumgefeilt, die Agentur hat immer mal wieder angeboten, stets ohne Erfolg. Jetzt dient der Titel eben als Überschrift für den großen Abschluss meiner Trilogie der Couch-Retrospektiven der drei großen Horrorfranchises der 1980er: Freitag, der 13., Halloween und nun A Nightmare on Elm Street, oder schlicht Nightmare, wie man damals in Westdeutschland sagte, und was wir uns auch hier wieder angewöhnen wollen, der Text wird eh lang genug.

Etwas unterscheidet Nightmare von Halloween und Freitag, der 13. und somit meine Grundeinstellung bei dieser Retrospektive: Nightmare fand ich tatsächlich gut. Gelinde gesagt. Ich sah den ersten Film kurz nach seiner regulären Laufzeit im Bremer Cinema Ostertor bei einer nachmittäglichen Doppelvorstellung (für nächtliche Doppelvorstellungen war ich zu jung) mit Halloween (damals wie heute unbeeindruckend) und war hin und weg. Vermutlich war es meine Geburtsstunde als Horrorfan. Zuvor war ich lediglich gelegentlicher Gutfinder des einen oder anderen Schauerschinkens im Spätprogramm unserer drei Fernsehsender gewesen.

In Nightmare – mörderische Träume geht es um den untoten Kinderschänder Freddy Krueger, der sich an den Kindern seiner Lynchmörder rächt, indem er sich in deren Träumen manifestiert. Das soll hier als Inhaltsangabe reichen; in den Fortsetzungen geht es halt um dasselbe. Man findet jedes Mal eine neue todsichere Methode, Freddy Krueger diesmal aber wirklich für immer zu verbannen, nur um im nächsten Jahr herauszufinden, dass es so einfach doch nicht gewesen sein konnte. Obwohl das Konzept also im Verlauf der Serie fraglos überstrapaziert wird und mir schon damals bewusst war, dass es sich nicht bei jeder der Fortsetzungen um eine große cineastische Einzelleistung handelte, fand ich stets, dass Nightmare als Serie ein höheres Durchschnittsniveau hielt als all die vielen anderen Horrorserien, die in jener Ära Schachtelkinocenter und Videotheken vollmachten. Selbst die schwächsten Folgen hatten noch genügend bizarre Einfälle und visuelles Flair, um einem das eine oder andere Schmunzeln ins Gesicht zu zaubern. Und darauf kommt es bei Horrorfilmen doch letztendlich an.

Ich erwarte nicht, dass ich das heute anders sehen werde. Was stimmt mich bloß derartig optimistisch? Noch etwas unterscheidet meine Nightmare-Retrospektive von meinen Halloween- und Freitag-der-13.-Retrospektiven: Die letzte ist gar nicht so lange her. Vielleicht zwanzig Jahre. Ich weiß, dem Jungvolk scheint das viel, reicht die Spanne doch aus, um einen Neugeborenen zu einem vollwertigen Erwachsenen heranwachsen zu sehen, der vielleicht, vermutlich versehentlich, selbst bereits neues Leben gezeugt hat. Zwanzigjährige also so, mit ihrem schreienden Nachwuchs im Arm: Mein lieber Scholli, eine verdammt lange Zeit ist das – ein ganzes Leben! Sicherlich, mit 20 hat man einen anderen Geschmack als damals, als man selbst noch fröhlich unter dem Mobile sabberte. Zwischen dem 55-jährigen und 35-jährigen Ich dürfte es derweil eine größere geschmackliche Schnittmenge geben. Damals legte ich mir jedenfalls eine Box mit allen Nightmare-Filmen auf DVD zu, zog mir einen nach dem anderen rein, wie wir schon damals nicht mehr sagten, und erlebte dabei nur zwei Überraschungen; eine große und eine kleine (zu beiden später mehr). Auf sieben Filme hochgerechnet ist das nicht viel.

Vielleicht habe ich die Box noch, vielleicht auch nicht. Wer weiß im Streaming-Zeitalter schon so genau, wo die ganzen DVDs abgeblieben sind. Zum Glück tauchten jüngst so gut wie alle relevanten Nightmare-Filme im japanischen Hulu-Programm auf, und ich habe sie mir – für euch! – alle noch einmal angeschaut, bevor sie wieder verschwinden.

In der Filmliebhaberei ist kein Platz für buchhalterische Marotten, deshalb fing ich mit Teil 5 an. A Nightmare on Elm Street 5 – das Trauma ist nämlich der, an den ich mich stets am wenigsten erinnere, und auf den ich mich somit stets am meisten freue. Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass er mir bei der Erstveröffentlichung gut gefiel, womit ich recht alleine dastand.

Die erste brennende Frage, die der fünfte Nightmare-Film aufwirft: Was machen diese Schauspieler wohl heute so? Sind schließlich ungefähr im selben Alter wie man selbst, also im besten überhaupt. Der erste Gedanke: Wahrscheinlich verkaufen sie ihre Autogramme, ihr Lächeln und ihren Smalltalk bei Mehrzweckhallen-Händeschüttel-Events in Las Vegas und Mannheim gegen Bargeld an Menschen, die sich noch en détail an Nightmare 5 erinnern können. Der zweite Gedanke: Höchstwahrscheinlich verdienen sie mit diesem unwürdigen Prozedere mehr als ich mit meiner redlichen Arbeit und meinem Gratislächeln. Der dritte Gedanke: Herzlichen Glückwunsch – alles richtig gemacht, liebe Altersgenossen!

Wenn ich mich als damaliger Fangoria-Abonnent richtig erinnere, gab es irgendwelche Probleme mit dem Drehbuch. Es ging, meine ich, durch diverse Hände diverser Romanciers, die mit der sogenannten Splatterpunk-Bewegung in Verbindung gebracht wurden, bevor man einen Profi ranließ. Und zwar einen professionellen Session-Musiker (u. a. für Sparks), dessen einzige vorherige Drehbucherfahrung eine Zusammenarbeit mit Hollywoodlegende Alan Smithee war. Die Story macht nicht allzu viel aus ihrer nicht uninteressanten Prämisse, und Protagonisten sind kaum auszumachen. Aber man muss auch bedenken: Freddy verwandelt sich u. a. in einen Comic-Superhelden, eine Plazenta und ein Motorrad. Rhetorische Frage: Wie cool ist das denn? Was mir an Nightmare 5 immer gefiel und nach wie vor gefällt, ist seine forsche Energie. Er taucht nur selten zum Luftholen aus Freddys Alptraumwelt auf. Ein trippiger Spaß, damals wie heute. Sollen die Hater doch eingeschnappt brodeln. Ich hole mir vielleicht auch ein paar Autogramme, wenn ich das nächste Mal in Mannheim bin.

Nach Teil 5 war ich folgerichtig in Stimmung für Teil 2. Nightmare 2 – die Rache sorgte bei meiner letzten Retrospektive vor geschätzten 20 Jahren für die größere der beiden erwähnten Überraschungen: Der Film gefiel mir plötzlich. Als ich ihn jedoch bei der Premiere im großen Saal der Stern-Lichtspiele hinter Horten sah, meinte ich mit dem Rest der Welt: Nicht so glibberig wie der erste, und hat nicht mal dessen Konzept richtig verstanden. Wären wir bereits so eloquent gewesen wie die Menschen des 21. Jahrhunderts, hätten wir gesagt: Meh. Inzwischen denke ich: Glibberig genug, und es sind eher wir, die den Film damals nicht verstanden haben. Es handelt sich um eine Fortsetzung, die das Originalkonzept nicht einfach wiederholen mag, sondern es sinnvoll weiterentwickeln möchte. Hätte einerseits etwas deutlicher herausgearbeitet werden können. Andererseits habe ich eine Schwäche für Filme, die ihr Publikum für voll nehmen und ihm nicht jeden Bissen vorkauen. Und selbst als langjähriger Wellensittichhalter konnte ich über die Mini-Hitchcock-Hommage mit dem explodierenden Sittich herzhaft lachen. Vor 40 Jahren, vor 20 Jahren, und vor zwei Tagen.

Nicht nur bei mir hat mittlerweile eine Neubewertung von Nightmare 2 – die Rache stattgefunden. In Teilen der queeren Gemeinde gilt er als Kultfilm (Kultfilmen ist natürlich stets mit Misstrauen zu begegnen). Das liegt vor allem daran, dass Hauptdarsteller Mark Patton dem Regisseur und vor allem dem Drehbuchautor vorwirft, seine damals noch verschleierte Homosexualität ausgenutzt und den Film zu schwul gemacht zu haben. Es gibt dazu einen von Mark Patton produzierten Dokumentarfilm, der länger ist als der Spielfilm selbst. Er beleuchtet vor allem, welch ein Geschenk an die Menschheit dieser Mark Patton ist, und wie ungerecht es war, dass er die Hauptrolle in einem Hollywood-Blockbuster spielen durfte, und wie dieser Umstand selbstverständlich sein unverzügliches Karriere-Aus bedeutete (kennt man ja, diese Blockbuster: absolutes Karrieregift!). Anfangs vergleicht Patton sich mit Greta Garbo und Brad Pitt, am Ende reiht er sich bei all den historischen Märtyrern ein, die unter lebensgefährlichen Umständen selbstlos für die Rechte sexueller Minderheiten gekämpft haben. Was dazwischen passiert und behauptet wird, ist kaum faktenbasierter.

Nichtsdestotrotz muss ich sagen: Weiß man um die Diskussion, sieht man die Homoerotik in Nightmare 2 in jedem Frame. Genauso sage ich: Wüsste ich von nichts, sähe ich es wahrscheinlich auch heute noch nicht. Wie heißt es bei den Freud-Skeptikern so schön: Manchmal ist eine Bockwurst in einem Brötchen bloß ein Hotdog. Mein stets geschärfter Hetero-Blick sieht im Film allerdings nach wie vor jede Menge gut gebauter Bikini-Mädchen, die sich lasziv aus Swimming Pools an Land hieven. Möglicherweise sieht er sogar mehr davon, als tatsächlich da sind. Ist eben immer eine Frage der Perspektive und widdewidde wie sie mir gefällt.

Trallari trallahey tralla hoppsasa – es ist Zeit für den ersten Film, Nightmare – mörderische Träume. Dieser bescherte mir bei erneuter Durchsicht in meinen 30ern die zweite der beiden besagten Überraschungen. Doch zunächst einmal das wenig Überraschende: Der Film ist so großartig, dass man ihm seine offensichtlichen Schwächen noch im Vollzug verzeiht. Das ist 2025 nicht anders, als es 1984 war. Diese Schwächen wären ein paar alberne Spezialeffekte (ja, liebe Kinder, die waren schon damals albern) und eine Klimax, die fast so antiklimaktisch ist wie die von Suspiria (hat dem auch nicht geschadet). Wie schön, dass alles andere nach wie vor vom Feinsten ist und kein bisschen Patina angesetzt hat: das wohltemperierte Erzähltempo, die selbstbewusst-unaufgeregte Inszenierung, das bestens ausgewählte und aufeinander abgestimmte Ensemble und die Musik, die man fast nicht bemerkt (wie es sich für vernünftige Filmmusik gehört). Und natürlich mindestens zwei Jugendzimmersterbeszenen, die man sein Lebtag nicht vergessen wird.

Die kleine Überraschung von vor 20 Jahren: Ich konnte mich nicht mehr ganz dem Konsens anschließen, Freddy Krueger sei im ersten Film düster und gruselig und würde erst in den Folgefilmen zu einem kalauernden Clown. Er kam mir nun schon im ersten ziemlich clownesk vor (ähnlich wie Tim Burtons Batman-Filme ihrerzeit als recht düster galten und heute von der Fernsehserie aus den 1960ern kaum noch zu unterscheiden sind). Diese Überraschung reproduzierte sich diesmal nicht (zu meiner Überraschung – ha!). Die Kalauerdichte ist in den späteren Filmen durchaus um einiges höher. Vermutlich schärft die nicht-chronologische Herangehensweise meine Wahrnehmung. Wer also über untote Kinderschänder mal so richtig ablachen möchte, ist mit den Fortsetzungen besser beraten.

Aber herrjeh – nicht mehr heute! Guckt denn hier keiner mal auf die Uhr? Es geht ja schon wieder auf die 2.000 Wörter zu, und wir haben erst drei Filme geschafft. Wer soll denn so lange Texte auf diesen flackernden Computermonitoren lesen? Knipsen wir das Modem erst mal aus und legen uns ein bisschen aufs Ohr. Und falls wir wieder aufwachen, geht es hier bald weiter. Mit Kakerlakenmenschen, Feuer pinkelnden Höllenhunden, Johnny Depps Gehirn auf Drogen und den Fat Boys.