Wie ich Diablo 4 rettete

Vor rund zwei Jahren habe ich mir ein Computerspiel gekauft, und jetzt komme ich endlich dazu, es zu spielen. Denn Diablo III ist das perfekte Spiel für Säuglingseltern. Man kann schnell mal eine Runde einschieben, wenn sich das Kind gerade zu seinem nächtlichen Halbstundenschlaf hat bewegen lassen und der andere Elternteil das unter der Dusche feiert. Gottlob ist das Spiel nicht gut genug, um größeren Trennungsschmerz auszulösen, wenn man sich nach dieser kurzen Zeit der inneren Einkehr und des Monsterzerhackens wieder anderen Herausforderungen stellen muss.

Das ist zwar praktisch, aber in einem gewissen Sinne auch ein bisschen schade. Die vorherigen Diablo-Spiele konnte man schließlich ganze Semesterferien am Stück durchspielen, ohne dass es stinklangweilig wurde. Mag sein, dass der verflossene Reiz und der gedämpfte Enthusiasmus ein bisschen damit zu tun hat, dass 44 eben doch nicht die neue 27 ist. Andererseits komme ich jetzt in genau den Lebensabschnitt, in dem ich mich intellektuell merklich zurückentwickle und mit Wonne jede Prätention fahren lasse (bitte verraten Sie meiner Frau nicht, wie viele Batman-Comics ich mir in den letzten Tagen heimlich heruntergeladen habe). Ich bin mir sicher, dass es nicht an mir liegt, sondern an Diablo 3. Um die Reihe vor sich selbst retten, habe ich einen Fünf-Punkte-Plan aufgestellt, der bei der Produktion des nächsten Spiels befolgt werden muss.

Bevor es losgeht, muss ich mich schon für den ersten Punkt entschuldigen. Es wurde schon so viel über diesen Aspekt gemeckert, dass man sich als Troll fühlt, noch einmal damit anzukommen. Andererseits ist der Troll ja aus der Fantasy kaum wegzudenken, und die Kritik bleibt berechtigt. Wer also den Elefanten im Zimmer, wie man im anglofonen Raum sagt, bereits bemerkt hat, kann gleich zum zweiten Punkt springen.

1. Der Elefant

Der Immer-Online-Zwang selbst für Spieler, die einen heiligen Eid geschworen haben, niemals, niemals, niemals mit anderen Kindern zu spielen, muss weg. Er machte Diablo III für Tage nach der Veröffentlichung unspielbar, sorgte auch danach noch für massive technische Probleme, ist eine Ressourcen fressende, unfreundliche, gruselige Gängelung ehrlicher Käufer. So geht man nicht mit Kunden um, Kunden sind schließlich Könige, und Könige können selbst entscheiden, wann sie online sein möchten.

2. Nicht das Rollenspiel in ‚Action-Rollenspiel‘ vergessen

Liebe Diablo-Entwickler: wir sind zwar blöd, aber nicht so blöd, wie ihr zuletzt wohl gedacht habt. Die Diablo-Spiele betonten die Action in ‚Action-Rollenspiel‘ immer stärker als das Rollenspiel, und das war auch gut so. Wir wollen bloß keine verzweigten Dialog-Bäume, Mitentscheidungspflicht in Handlungsdingen oder Open-World-Unsinn. Die Action war immer die Suppe von Diablo. Doch die Rollenspielelemente, in erster Linie also die sorgsame Pflege und Weiterentwicklung der eigenen Spielfigur, waren stets das Salz. Durch die weitere Reduzierung, vulgo Runterdummung, der rollenspielerischen Elemente in Diablo III schmeckt die Suppe etwas fade. Diablo III ist kaum mehr als ein aufwendig getarntes Arcade-Spiel. Das kann man mal kurz zwischendurch schlürfen, aber es ist kaum ein Hauptgang, wenn ich meine Suppen-Metapher mal überstrapazieren darf. Ich möchte nächstes Mal beim Stufenaufstieg wieder mehr entscheiden dürfen als die Schnellzugriffstaste für die zwangszugeteilte neue Fertigkeit. Ich möchte außerdem mehr Charakterklassen zur Auswahl haben. Oder zumindest welche, die sich unterschiedlich spielen. Habe es bisher als Dämonenjägerin und Mönchin (oder heißt das dann Nonne?) versucht und spielerisch keinen Unterschied feststellen können. Wenn ich mich recht erinnere, war es noch in Diablo II ein ganz anderes Erlebnis, ob man den Barbaren oder die Geisterbeschwörer gab.

In diesem Sinne:

3. Mehr bessere Story

Man kann an der Handlung von Diablo ff. nicht viel aussetzen, weil man sie gar nicht kennt, wenn man ehrlich ist. Oder hat irgendjemand jemals zugehört, wenn irgendwer im Spiel geredet hat? Hat sich jemals jemand die ganzen Auftragsbeschreibungen und anderen Textbeiträge, die man irgendwann zufällig in irgendwelchen Untermenüs findet, wirklich durchgelesen? Hab ich mir gedacht, ich auch nicht. Irgendwas mit Gut und Böse halt, Dunkelheit, Höllenfürsten, hu. Das Spiel ist auch ohne Kenntnis der Handlung spielbar. Daran sollte man nicht rütteln. Andererseits könnte man sich ja mal eine ausdenken, die zum Mithören und Mitlesen zwingt – nicht, weil man sonst nichts verstünde, sondern weil man sich wirklich dafür interessiert? Ich selbst habe übrigens eine geldwerte Story-Idee für ein neues Diablo-Spiel, die ich allerdings ohne Geld niemandem verrate. Es ist eine Idee, die den Spielfluss so unberührt lässt, wie es sich für ein Diablo-Spiel gehört, aber trotzdem mindestens eine garantiert unerwartete, schockierende Wendung hat (kurz vor Showdown, würde ich vorschlagen).

Dafür allerdings müsste man sich …

4. Einfach mal was trauen

Das ästhetische, spielerische und erzählerische Konzept der Diablo-Spiele zu ändern, wäre ein Wagnis. Greift man zu tief ein, maulen die Mäuler: „Pfui Teufel, das ist kein Diablo mehr!“ Macht man derweil weiter wie bisher, skandiert der Wutgamer zu recht: „Unter den Talaren / der Muff von 17 Jahren!“ Behutsame Innovation ist angezeigt. Warum kann man nicht eine andere Perspektive als die ständige Schrägvonoben-Sicht zumindest anbieten? Traditionalisten müssten das Angebot ja nicht annehmen. Möglicherweise ist das technisch ganz furchtbarer Mehraufwand, doch das darf als Gegenargument nicht zählen bei einer Serie, die nur alle Jubeljahre unter viel Premium-Event-Getöse eine neue Folge vom Himmel auf den Markt rieseln lässt. Notfalls kann man ja am Umfang schrauben. Ich habe nie verstanden, warum die Diablo-Fortsetzungen ausgerechnet mit dem Mehr an Umfang gegenüber dem Vorgänger protzten. Quantität ist doch nun wirklich nicht das, was zählt. Gerade bei einem inhärent sehr repetitiven Konzept wie dem der Diablo-Reihe finde ich die Aussicht auf „jeder Nebenauftrag viermal so umfangreich wie das gesamte letzte Spiel!“ eher abschreckend, so viel Zeit habe ich nicht, hatte ich auch präfamiliär nicht.

Und warum muss es überhaupt diese durchgenudelte Europäisches-Mittelalter-Fantasy sein? Die ist doch alt. Warum nicht Tempel, Kirschblüten, fliegende Schwertkämpfer, Cowboys, Indianer und Astronauten? Warum sollte Diablo 4 nicht Diablo 4000 AD sein?

Und dann wäre da noch dieses Thema, fast so leidig wie Punkt 1:

5. Erst veröffentlichen, wenn es in allen Darreichungsformen fertig ist

Hand aufs Herz: niemand spielt freiwillig Computerspiele. Die Dame und der Herr von Welt werden immer die hedonistisch korrekte Konsole dem lustfeindlichen Heimcomputer vorziehen, wenn sie die Wahl haben. Wenn es allerdings zur Veröffentlichung der PC-Version eines lang herbeigehofften Titels nur heißt, die Konsolenversion erscheine „vielleicht höchstwahrscheinlich ganz bestimmt eventuell irgendwann“ greift man vorsichtshalber doch zu diesem vulgären Relikt des 20. Jahrhunderts. Erscheint schließlich die Konsolenversion und gurren alle Vögelchen, sie sei viel besser als die PC-Version (ist sie das jemals nicht?) und laufe sogar ohne Internet (aha! es ist also kein Ding der Unmöglichkeit!), tut sich eine innere Leere auf.

Da fällt mir noch ein Unterpunkt ein: Ein Add-on muss wieder Add-on sein. Es wurden einige Äuglein gerieben, als die Diablo III-Erweiterung Reaper of Souls für die Xbox erschien und nur im Bundle mit dem Originalspiel zum Vollpreis erhältlich war. Meine Äuglein waren unter den geriebenen, denn ich muss hier eine schreckliche Verfehlung gestehen:

Ja, ich gebe zu, ich habe mir Diablo III zähneknirschend für die Xbox noch einmal gekauft (nicht nachmachen, Kinder, das ist sklavenkapitalistisches Unfugsverhalten für Lämmer und andere Opfer, und ich schäme mich dafür jeden Tag), weil meine Abneigung gegen den Heimcomputer inzwischen so groß ist, dass ich daran nur noch sitzen mag, wenn Bücher ins Reine getippt oder Urlaubsfotos manipuliert werden müssen. Ein drittes Mal kaufe ich mir das Spiel allerdings nicht, Add-on hin oder her. Und überhaupt – Reaper of Souls. Irrer Titel. Wie viele Sekunden haben zwei Zwölfjährige denn darüber gebrütet? Ist ihnen nichts mit ‚Oblivion‘ oder ‚Reckoning‘ eingefallen?

Oh, apropos Xbox, da wäre ein weiterer Unterpunkt: Charaktere wollen frei sein sein. Warum darf meine Computer-Dämonenjägerin nicht auf der Xbox spielen? Portieren von Figuren zwischen Systemen sollte heutzutage möglich sein, andere Spiele haben es auch hinbekommen (behaupte ich zumindest, selbst wenn mir gerade keines einfällt), und Online-Features scheint Diablo III ja zu haben.

Danke fürs Zuhören, alles andere kann so bleiben.

(Dieser Beitrag verzichtet auf Illustrationen, weil es im Internet schon genügend Bildschirmaufnahmen von Diablo-Spielen gibt. Sie sehen eh alle gleich aus.)