Happy Hunni!

Hey, Kids – ich sag euch, was abgeht! Zieht euch das rein: In diesem Jahr hätte Marshall McLuhan 100. Geburtstag, würde er noch leben! Nein, nicht der Regisseur von Strictly Ballroom, sondern der mit „Das Medium ist die Botschaft“ und der mechanischen Braut und so, heißer Scheiß, krasse Sachen. Der crazy Alte aus dem Movie von Woody Allen, dem Regisseur von Scarlett Johansson.

Der Typ, der schon im Internet war, als Internet noch Fernsehen hieß.

Was soll man über den noch schreiben, es ist doch alles schon geschrieben? Bleibt nur zu sagen: Happy B-day, McLulli, alte Socke!

Who put the H in daijoubu?

Es geht in der Welt weitaus Gewichtigeres schief, aber es ist mir dennoch ein Anliegen: Womöglich haben Sie meinen Essay Das Lächeln hinterm Mundschutz im Japan-Extraheft gelesen, das der Ausgabe 11/12 des Focus beilag, und sich gewundert, dass der Begriff ‚daijoubu‘ darin durchgehend mit einem Fantasie-H zu ‚dahijoubu‘ gemacht wird. Nicht? Ach so. Ich hab mich schon gewundert. Man soll nicht mit dem Finger auf Menschen zeigen, deshalb halte ich meine Handflächen nur abwehrend vor den Körper und sage mit Shaggy: It wasn’t me! In meinem Originalmanuskript findet sich nur die korrekte romanische Schreibweise.

Aber ist in Ordnung.

An anderer Stelle gibt es ein paar neue Filmbesprechungen:

Bad Blood – Fight Without Mercy

City of Life and Death

I Saw the Devil

Kite – Angel of Revenge

Voyage of the Rock Aliens

Aktualisierung 23. 4.: auch das noch

Barfuß durch die Hölle

Crossfire

Fighting Beat 2

Higanjima – Insel der Vampire

Ip Man Zero

Macabre

Zwei Schweineartikel, die ich zum Glück nicht geschrieben habe (und weitere Schweinereien)

Selbstverständlich habe ich ein iPig gekauft, Sie ja hoffentlich auch.

Es hat einen guten Klang und ist kleidsam für jeden Raum. Seit Wochen will ich meine Freude mit der Welt teilen, doch fehlen mir die Worte. Zwei halbgare Fragmente warteten Internet-Ewigkeiten im Entwurfslimbo, bis ich mir eingestehen musste, dass ich am Schwein gescheitert bin. Unser Verhältnis bleibt ungetrübt, wir werden weiterhin wunderschöne Stunden miteinander verbringen, das kleine Ferkel und ich, aber wir werden sie für uns behalten. So wie diese beiden Artikel, die nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden:

1. verworfener Schweineartikel: 10 Dinge, die man zu seinem iPig sagen kann

Es gibt im Deutschen unglaublich viele Redewendungen und Verbalinjurien um Schweine, Säue und Ferkel, eine lustiger als die andere. Aber wenn man davon wirklich etwas Sinnvolles zu seinem Musikschwein sagen möchte, bleiben mal gerade drei übrig:

  • „Komm raus, du Sau!“ (bei Erhalt der Ware)
  • „Ich glaub, mein Schwein pfeift!“ (bei Bedienungsfehler oder Bobby McFerrin)
  • „Das ist doch Schweinerock!“ (Led Zeppelin u.ä., hab ich aber nicht)

Zugegeben, ich bin schon auf 10 gekommen, aber darunter ist wenig mit direktem Schwein- und Musikbezug, und viel verzweifelt Sinnloses, wie: „Es gibt Schweinelachs!“, oder: „Hic porci cocti ambulant!“ Damit macht man dem Tier nur Angst.

2. verworfener Schweineartikel: Das total süße, schielende Schweinchen (Internet-Kult!) sagt die Oscar-Gewinner voraus

Pustekuchen! Gar nichts hat das Schwein gesagt! Und ich bin in dieser Angelegenheit viel zu leidenschaftslos, um Ihnen hintenrum durchs Schwein eigene Prognosen oder Wünsche unterzujubeln. Das hat das Schwein nicht verdient, und Sie auch nicht. Ich habe keinen Favoriten. Ich werde sogar zum ersten Mal seit Jahren gut gelaunt früh zu Bett gehen anstatt mürrisch aufzubleiben. Nein, es hat nichts damit zu tun, dass der famose offizielle Vorschlag der japanischen Delegation gar nicht erst für den Fremdsprachenoscar nominiert wurde. Oder dass mein Favorit für den Englischoscar, den ich ja gar nicht habe, genau genommen bloß ein Abklatsch eines japanischen Films ist.

Abklatsch ist ja auch nicht mehr schlimm. Kein Schwein muss um sein Amt fürchten, wenn es etwas abklatscht oder abklatschen lässt. Nationaler Skandal ist das nur, wenn es ein minderjähriges Mädchen in einem ausgedachten Roman tut. Wenn es erwachsene Männer in wissenschaftlichen Arbeiten und Lebensläufen tun, zum Beispiel, ist es halb so wild.

Bei diesem hypothetischen Thema fällt mir ein, dass mir vor ein paar Jahren auch einmal das Angebot gemacht wurde, gegen eine Unkostenbeteiligung meinen versäumten Universitätsabschluss nachzumachen ohne etwas zu machen. Für einen geringen Aufpreis und ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand meinerseits wäre auch ein Doktor-Upgrade drin gewesen. Ich habe damals davon abgesehen, weil ich dem Sicherheitszertifikat der Website hinsichtlich der Übertragung meiner Kontodaten nicht genügend vertraute, und weil ich fürchtete, es könnte berufliche Konsequenzen haben, wenn die Chose auffliegt. Letzteres war freilich blauäugig.

Die Nachrichten: Jetzt schon an Weihnachten denken

Das nächste Weihnachtsfest kommt bestimmt. Falls Sie immer noch nicht wissen, was Sie Ihren Lieben dann unter den Baum legen, fällt mir etwas ein: Als im Frühjahr letzten Jahres die zweite Auflage meines Buches Gebrauchsanweisung für Japan erschien, kam mir das zeitlich so ungelegen, dass ich gar nicht dazu gekommen bin, an dieser Stelle angemessen damit zu prahlen. Das möchte ich nun gerne anlässlich der dritten Auflage nachholen, die in diesem Monat in die Welt entlassen wird. Das Buch sieht aus wie immer, wurde aber innendrin, wie auch schon in der zweiten Auflage, stellenweise verfeinert. Der Yen wurde aufgewertet, Japan als Wirtschaftsmacht dennoch herabgestuft, die Welt hat jetzt einen Plattenladen und The Brilliant Green ein Mitglied weniger.

Weitere Nachrichten für Sie im Überblick: Beim Manifest gibt es eine neue Filmbesprechung von mir, nämlich Ip Man 2. Kostenlos, aber nicht umsonst. Weitere Trachten Prügel in Vorbereitung.

Aktualisierung 27. 2.

Außerdem aktuell geprüft und bewertet:

Dream Home

King of Thorn

Ong Bak 3

The Resident

Fischstäbchen aus dem Weltall

Männer und Frauen müssen manchmal Kompromisse eingehen. Etwa im Kino, wenn sie partout nicht Paranormal Activity: Tokyo Night sehen mag, und er sich nicht für Knight and Day erwärmen kann. Dann ist beiden am besten gedient mit einem Film, der beide nicht die Bohne interessiert, zum Beispiel Space Battleship Yamato. Eine hoch emotionale Angelegenheit für Millionen von Menschen, denen die zugrundeliegende Zeichentrickserie (int.: Star Blazers) eine wohligwarme Kindheitserinnerung ist. Meine Kino- und Lebensbegleitung und ich gehören nicht zu diesen Menschen, aber die günstige Anfangszeit des Films hat uns restlos überzeugt.

Die Yamato ist ein Raumschiff im Wortsinne, soll heißen, es sieht wirklich aus wie ein Schiff, bloß dass es durchs Weltall schippert. Da ist es nur angemessen, dass der Kapitän aussieht wie ein alter Seebär, gespielt von dem lustigen Alten aus Nokan – Die Kunst des Ausklangs. Der liegt aber die meiste Zeit krank im Bett. Die Rettung der Erde vom Weltraum aus liegt in der Hand eines gut geföhnten jungen Hitzkopfes, der wie jeder Held in jedem japanischen Unterhaltungsfilm von einem Mitglied der Herrenband SMAP gespielt wird.

Jeder erlebt die Magie, die Space Battleship Yamato ist, auf seine eigene Art und Weise. Meine Begleitung berichtete hinterher, der Herr mittleren Alters links neben ihr (nicht zu verwechseln mit mir) habe über weite Strecken des Films hemmungslos geweint. Die beiden Mädchen rechts von mir hingegen mussten nur häufiger mal auf die Toilette. Oder Textnachrichten verschicken, oder was man sonst so in diesem Alter dringend zu zweit tun muss. Ich selbst blieb ungerührt an Ort und Stelle, vor allem auch, weil ich den ewigen Kampf gegen den Schlaf hier und da vorübergehend verlor. Nicht ausschließlich eine Frage des Films, auch eine des Lifestyles. Aber der Film war keine große Hilfe. Auch nicht die Blicke meiner Begleitung, die anzudeuten schienen, dass das alles meine Schuld sei. Dabei war Space Battleship Yamato ungelogen ihr Kompromissvorschlag, den ich lediglich abgenickt hatte.

Weil ich auf dem japanischen Ohr manchmal ein wenig taub bin, fragte sie nach dem Film: „Hast du denn auch alles verstanden?“

Ich sagte: „Also, diesen Film versteht nun wirklich jeder, der schon mal einen Science-Fiction-Film gesehen hat. Auch ganz ohne Ton.“

„A so. Deshalb hab ich ihn vermutlich kein Stück verstanden.“

Nach allem, was man so hört, ist Space Battleship Yamato bzw. Star Blazers vor allem wegen seiner faschistoiden männerbündischen Rituale und klaren militärischen Hierarchien so beliebt. Fans nah und fern seien beruhigt, all das hat den Real-Relaunch überlebt. Auch im modernen Kinofilm gibt es sie, die zackigen Begrüßungen, die schnieken Uniformen und den ekligen Gruppenmief herrlichen Teamgeist. Geändert hat sich allenfalls, dass inzwischen auch die Mädchen richtig mitmachen dürfen, wenn Außerirdische abgeknallt werden. Wenn es um das finale Opfer zum Wohle von Mutter Erde geht, ist das aber doch alleine Männersache, denn die Frauen werden noch zum Gebären gebraucht, sie müssen vor der Selbstmordmission also schnell in Sicherheit gebracht werden.

Wer bei so viel Romantik zum Schluss noch immer keinen Kloß oder sonstwas im Hals hat, der bekommt noch eine heisere Power-Ballade um die Ohren gedonnert, die den Rest erledigt. Ich dachte gleich: Oh je, wieder so eine schäbige J-Rock-Band, die mit abgedroschenen Phrasen in schlecht gereimtem Englisch versucht, wie Aerosmith zu klingen. Hatte ich mich aber geirrt, und ich entschuldige mich in aller Form bei allen schäbigen J-Rock-Bands. Der Song im Film stellte sich als written and performed by Steven Tyler heraus.

Noch besser:

Japanischer Stehsatz (3): Drag My Mini Munny To Hell

Vor kurzem sah ich die Gruselklamotte Drag Me To Hell im Fernsehprogramm oder von DVD, ich weiß nicht mehr, sie war gut oder schlecht, ich weiß nicht mehr. Ich weiß nur noch eins, Sie haben es bestimmt schon erraten: Die Heldin, wenn man die unsympathische Schnepfe so nennen möchte, hat einen Mini-Munny-Aufkleber auf dem Armaturenbrett ihres Privatwagens. Damit gehört sie wohl zur kleiner als geplanten internationalen Gemeinde der Mini-Munny-Besitzer. Raten Sie mal, wer noch.

Der Mini Munny ist kein japanisches Produkt, aber er passt dort bestens hin. Ich habe meinen während eines spontanen Kurztrips nach Tokio im letzten Jahr gekauft. Nur kurz zur Omotesando, ein bisschen teuren Quatsch kaufen, schnell wieder wegfliegen und rechtzeitig zu Hause sein, bevor Monk anfängt. Ich wollte eigentlich zeitnah hier von meinem Mini Munny erzählen, aber ich kannte damals noch Schamgrenzen. Gekauft habe ich ihn übrigens im MoMa Store, einem wunderbaren Pop-Art-Schnösel-Refugium in Harajuku, wenn man mal genug davon hat, heimlich Lolitas zu knipsen oder im Oriental Bazaar verzweifelt und aussichtslos nach Mitbringseln zu suchen, die nicht so aussehen, als hätte man sie im Oriental Bazaar gekauft.

Ein Mini Munny ist eine potenziell niedliche Figur mit großem Kopf und kleinen Körper, aber ansonsten ohne alles, denn man muss sie selbst anmalen, mit Gesicht und Ausdruck und Kleidung und was ein Mini Munny noch so braucht.

In der optisch und haptisch schönen gelben Pappschachtel befindet sich der Munny selbst in der gewählten Farbe (ich: Pink natürlich, als alter Gruftie), der benötigte Anmal-Stift, ein seltsamer Aufkleber, ein noch seltsameres ‘Hello-My-Name-Is‘-Kontaktanbahnungsnamensschild nach amerikanischen Vorbild (für Gemeindetreffen der Mini-Munny-Besitzer?) und ein Überraschungs-Accessoire (bei mir Mütze).

Vielleicht hätte ich mit dem Anmalen warten sollen, bis ich zu Hause bin und Kaffee getrunken habe und ordentlich am Schreibtisch sitze, anstatt gleich im Suff Reisefieber auf dem Hotelbett liegend den Stift zu schwingen. Vielleicht wäre mir dann was Originelles eingefallen, und ich hätte nicht wieder das gemacht, was ich immer mache. Vielleicht hätte ich dann auch nicht die Rückseite so obszön gestaltet, dass ich sie im Internet unmöglich zeigen kann.

Aber ich muss den kleinen Racker wohl lieben, wie er ist. Er steht heut auf meinem Schreibtisch, mit dem Rücken zur Wand. Zwischen dem WordPress-Buch, das ich nie lese, und der Wagner-The Great-Operas-From-The-Bayreuth-Festival-CD-Box, die ich nie höre.

Die nächste Anschaffung, die ich tätige, überlege ich mir ganz, ganz genau.

Die Nachrichten: I’m still here

Hier war in letzter Zeit ein wenig himmlische Ruhe eingekehrt, weil ich meine musikalische Karriere vorantreiben musste (Abb. unten).

Inzwischen habe ich mich aber rundherum rasieren lassen und konzentriere mich wieder ganz auf meine Kernkompetenz: Blöd gucken.

Zuletzt:

The Disappearance of Alice Creed
Gallants
Symbol

Windstruck

Wird fortgesetzt.

Update 3. 11.: Auch das noch!

Sword with no Name
Wir sind die Nacht

Zugabe 10. 12.

The Last Days of Emma Blank
Solomon Kane
The Vampire Diaries
Fast vergessen 2. 1.

14 Blades
Merantau – Meister des Silat
Mulan – Legende einer Kriegerin
The Treasure Hunter
Dracula – Mythen und Wahrheiten (Vorsicht: Buch!)

Nachruf mit Ständchen: HMV in Shibuya

Wie mir erst jetzt bekannt wurde, hat am vergangenen Sonntag die HMV-Filiale im Tokioter Stadtteil Shibuya dicht gemacht. Da darf man schon ein wenig sentimental werden. Ich habe auf den 1400 Quadratmetern viele schöne Stunden meines Lebens vertrödelt, und meine Besuche nahmen mit fortschreitendem Alter eher zu als ab. Bevorzugte ich als wilder, flippiger Endzwanziger noch Tower Records um die Ecke, so zog es mich zuletzt immer mehr zu HMV, wo einen die Deko nicht so anschrie, und man das Gefühl hatte, die Jazz- und Klassik-Abteilungen wären nicht nur der Vollständigkeit halber da. HMV Shibuya bedeutete mir und ungefähr gleichaltrigen japanischen Freunden aus unterschiedlichen Gründen gleich viel. Für meine Freunde war es Anfang der Neunziger Jahre eine der wenigen Möglichkeiten, an heiße Scheiben aus dem Westen zu kommen. Für mich war es Ende der Neunziger nicht der einzige, aber einer der wichtigsten Orte, meine Bekanntschaft mit der japanischen Populärmusik zu vertiefen.

Zuletzt muss ich im Juni dort gewesen sein. Just in diesem Monat wurde das nahende Ende der Filiale verkündet, aber es ist damals an mir vorbeigegangen. Sonst hätte ich bestimmt noch ein anständiges Erinnerungsfoto geknipst. So kann ich nur auf eine typische Shibuya-Crossing-Totale zurückgreifen, wie sie sich im Fotoalbum jedes Tokio-Reisenden befindet:

Besser als mit Fotos erinnert man sich an einen Plattenladen ohnehin mit Musik. Lassen Sie mich nicht lügen, aber ich glaube, die erste CD, die ich mir bei HMV Shibuya gekauft hatte, war das Debütalbum des Kyotoer Pop-Rock-Trios (heute Duo) The Brilliant Green, darauf u.a. „There Will Be Love There“:

Ich besaß zu diesem Zeitpunkt (1999) bereits das gerade erschienene zweite und noch bessere Album Terra 2001, ich meine aber, es anderswo erstanden zu haben. Es freut mich sehr zu berichten, dass am 15. September dieses Jahres nach acht langen Jahren der ersatzbefriedigenden Soloprojekte das fünfte echte Album von The Brilliant Green erscheint. Ich rutsche schon nervös auf dem Stuhl herum. Schade nur, dass ich es nicht bei HMV Shibuya werde kaufen können.

Die letzte CD, die ich mir dort gekauft habe, war kürzlich die ‚Super Best‘-Kollektion der japanischen Funpunk-Institution The Blue Hearts. Sie war günstig, weil gerade eine neue Hitsammlung der rüstigen Stimmungskanonen erschienen war, und nun die 2786 früheren Kompilationen, auf denen exakt dasselbe drauf ist, verramscht wurden. Natürlich mache ich mir jetzt ein wenig Vorwürfe. Hätte ich HMV retten können, wenn ich mir die teure neue CD gekauft hätte? Vermutlich nicht, seien wir nicht albern.

Damit rechnen die Leute ja nur, dass jetzt The Blue Hearts mit ihrem beliebtesten Hit „Linda Linda“ kommen. Hatte ich auch vorgehabt, soviel Servicegedanke muss sein. Aber ich würde The Blue Hearts und den Song überhaupt nicht ohne den Film Linda Linda Linda kennen, in dem eine Gruppe sympathisch drömeliger Schülerinnen versucht, rechtzeitig zum Schulfest eine Rockband zu werden. Ich zeige lieber diese Version. Hat zwar im Gesamtzusammenhang nur noch Apropos-Charakter, aber so apropos-charakterstark muss man schon sein. Apropos: Dies war auch das erste Lied, das ich bei einem Karaoke-Vergnügen auf Japanisch durchzusingen versucht habe. Ich habe aber nur den Kehrreim einigermaßen fehlerfrei hinbekommen.

Satoshi Kons Franzen-Obama-Merkel-Erbsensuppe-Massaker

Manchmal, vor allem freitagnachts, überkommt es mich, und ich mache total abgefahrenen crazy stuff. Jetzt zum Beispiel ziehe ich mir voll den neuen Franzen rein, Alter. Ich tue dies in einer Weise, von der ich hoffe, dass Jonathan Franzen sie gutheißt, oder sie zumindest nicht als Affront und Herabwürdigung seiner Arbeit auffasst. Ich öffne vorher eine Flasche nicht ganz billigen Rotweins, lege eine von meinen beiden Klassik-CDs ein, und wenn ich beim Lesen auf eine amüsante Spitze stoße, halte ich die Finger vor den Mund und mache ein kleines Roger-Willemsen-Hühühü. Yeah, checkt das aus, Kids! Bücher rocken! (Ich hatte übrigens neulich 8 von 10 Punkten im Spiegel-Online-Jugendsprache-Test, hühühü).

Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht: 2001 wurde Jonathan Franzen holterdipolter berühmt, weil er sein Buch Die Korrekturen nicht von Oprah Winfrey loben lassen wollte, und weil es tatsächlich so großartig war, wie alle und Oprah sagten. Seine Haltung brachte dem Autoren seltsamerweise nicht den Ruf eines aufrechten Künstlers ein, sondern den eines elitären Schnösels, und so kamen bald die Kläffer, die die unwahre Behauptung verbreiteten, Die Korrekturen sei in echt gar nicht gut. Wer sich gerne mit vermeintlichen Minderheitenmeinungen brüstet, variierte das Gerücht dahingehend, dass Die Korrekturen bloß überbewerteter Hype sei, Franzens gefloppter Erstling Die 27ste Stadt hingegen ein verkanntes Meisterwerk. Das wäre schön, würde es stimmen, ich habe selbst gerne Minderheitenmeinungen. Tatsache ist aber leider doch, dass Die 27ste Stadt eine einzige Plackerei und Die Korrekturen eine einziges Vergnügen ist.

Bei seinem Neuen, Freiheit, hatte Franzen wieder ungefragt prominente Hilfe bei der Publicity: Barack Obama wurde noch vor offiziellem Erscheinen des Schmökers von geschickt platzierten Paparazzi bei der Lektüre erwischt. Bei Präsident Obama muss ich immer an Kanzlerin Merkel denken, und in diesem Zusammenhang insbesondere an das, was der unsterbliche Christoph Schlingensief mehrfach und richtig über sie gesagt hat, nämlich dass sie völlig kulturlos sei. Sie watschelt zwar mitunter fröhlich in Bayreuth und Salzburg herum, verfügt aber merklich in keinster Weise über das Rüstzeug oder auch nur das Interesse, das zu verarbeiten, was sie dort sieht und hört. Und das stört mich ungemein, denn sie ist ja auch meine Kanzlerin. Ich habe sie nicht gewählt, das war der Bundestag, aber ich erkenne das Wahlergebnis an. Über ihre Politik kann man sich nicht großartig aufregen, die ist halt, wie Politik so ist: Mal so, mal so. Frisur, Fashion und Physiognomie auch schnurzpiepe, ich zitiere frei Max Goldt: Ich wünsche mir keine hübsche Kanzlerin, ich wünsche mir eine gute Kanzlerin. (Vielleicht war es auch nicht Max Goldt, und vielleicht ging es auch ganz anders. Hauptsache, die Aussage ist vernünftig.) Und ich wünsche mir eine Kanzlerin, die hin und wieder mit der Nase in einem Buch erwischt wird, vorzugsweise in einem literarischen, oder auf vergleichbare Weise ein Grundinteresse an Kunst und Kultur glaubhaft signalisiert. Faktisch ist sie schließlich mein Staatsoberhaupt, da hat man nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Man komme mir nicht mit dem Papperlapapp von Bundespräsident und Bundestagspräsident. Ich war gerade in Japan stationiert, als sich in Deutschland der letzte Bundespräsident abgeschafft hat. Da habe ich erst gemerkt, wie schwierig es selbst den interessiertesten Zuhörern zu verklickern ist, was ein Bundespräsident soll. Nichts, eigentlich. Auf seiner Abschiedsparty kann man eine interessante Interpretation eines Oldies durch eine Militärkapelle hören, aber ob das den ganzen Verwaltungsaufwand wert ist, weiß ich auch nicht. Kanzlerin und Außenminister hingegen geben nicht nur Musikwünsche ab. Sie vertreten mich im In- und Ausland, und damit fühle ich mich im Moment nicht ausreichend vertreten.

Ach, jetzt habe ich „Christoph Schlingensief“ gesagt, dabei wollte ich doch bis auf Weiteres darauf verzichten, gerade weil die Versuchung dieser Tage so groß ist. Versuchungen widerstehe ich normalerweise mit Genuss, das ist mein Phantomkatholizismus. Jeder, der Schlingensief einmal begegnet ist, erzählt nun gerne davon unter dem Vorwand des Gedenkens. Dabei geht es meist nicht um die Würdigung dieses feinen Mannes, sondern um die Pinselung des eigenen Bauches. Ich, ich, ich bin Schlingensief übrigens auch einmal begegnet. Sie wollen wissen, wie das war? Hm, ach so … Ich erzähle es Ihnen trotzdem. Gut war es, er hat Erbsensuppe gegessen. Ich nicht, ich hatte schon zu Hause gegessen.

Jetzt ist uns in dieser Woche auch noch Satoshi Kon entglitten, der beste Trickfilmregisseur der Welt, einer der kreativsten Filmemacher überhaupt, ganz unabhängig von der Wahl der Mittel. Wir saßen nie zusammen über einer Erbsensuppe. Umso bedauerlicher, dass wir es nun auch nicht mehr tun werden. Zumindest nicht in dieser Welt. Aber bis wir alle gemeinsam von der großen Erbsensuppe des Himmels kosten, erfreuen wir uns hier und jetzt an Satoshi Kons irdischem Werk, ab sofort vielleicht mit ein klein wenig Wehmut. Es ist quantitativ überschaubar, Kon starb niederschmetternd jung, aber qualitativ schier unfassbar. Und so sagen wir im Gedenken alle im Chor:

„Das ist mein Gehirn!“

„Und das ist mein Gehirn auf Anime!“

Mein Kampf (der Titanen)

Unlängst ließ ich mir aus der Videothek zwei Filme kommen, die ich ihrerzeit für einen Kinobesuch als zu unbedeutend eingestuft hatte, Avatar und Kampf der Titanen. Als erstes widmete ich mich Avatar, denn insgeheim konnte ich es kaum erwarten. Nach einer endlosen knappen Stunde aber dachte ich: Also, vergackeiern kann ich mich auch selbst. So zappte ich vorzeitig rüber zum Sandalenschinken und kehrte nie wieder zurück.

Nun ist Kampf der Titanen ein heikles, sehr persönliches Thema. Das Original von 1981 war mein Leib- und Magenfilm, als ich schätzungsweise 12 war, also auf dem Höhepunkt meines cineastischen Urteilsvermögens. Nostalgie halte ich allerdings für ein Geschwür, das mit dem Skalpell der Vernunft und zwei Tupfern namens Hier und Jetzt entfernt gehört. Meinetwegen kann Google bei mir mit Röntgenkameras alles nacktscannen, man wird nichts von Nutella, drei Fragezeichen oder Boba Fett finden. Aber Phantomschmerzen bleiben nach der Operation, und so kann ich nicht verhehlen, dass ich mir den neuen Kampf der Titanen ganz sicher nicht angeschaut hätte, wenn da nicht mal was zwischen mir und dem ersten Film gelaufen wäre.

Eines ist hier schon im emotionalen Vorfeld anders als bei anderen Neuverfilmungen. Ich gestehe es nur ungern ein, aber normalerweise reagiere ich bei Ankündigungen anstehender Remakes wie all die anderen beleidigten Leberwürste, die das Internet vollschreiben: Ich bekomme einen hochroten Kopf und plärre wie ein kleines Mädchen. Bei der Ankündigung der Zweitverwertung von Kampf der Titanen aber blieb ich ganz ruhig und freute mich still in mich hinein, denn ich fand: Wurde auch Zeit. Kampf der Titanen flehte geradezu um Aktualisierung. Ja, wegen der Spezialeffekte, so oberflächlich muss man schon sein. Sonst hat der Film ja nicht viel. Man darf da nicht sentimental schluchzen: „Aber … aber … die sind doch von Ray Harryhausen!“ Ja, eben, sie waren schon Anfang der Achtziger indiskutabel hinter der Zeit, hat man bloß mit 12 nicht gesehen, weil man zu viel Angst hatte, dass Medusa einen vielleicht auch in Stein verwandeln könnte, wenn man im falschen Moment hinguckt. Die Milchmädchengleichung Analog=Gut/Digital=Böse geht mir schon lange gegen den Strich. Glauben die anderen beleidigten Leberwürste wirklich, dass Digitaleffekte von kalten, gefühllosen Robotern ausgedacht und ausgeführt werden? Nein, liebe Geschwister im Geiste, die werden von Menschen ersonnen und umgesetzt. Meistens Menschen mit Bärten und Metal-Shirts. Diese Menschen haben genauso viel oder wenig Leidenschaft für ihre Kreationen wie die Puppenbieger in Uropas Kino. Sie machen es mal gut, mal schlecht. Für manche ist es Berufung, für andere nur ein Job. Wenn man sie sticht, bluten sie. Wenn man sie am Flughafen abtastet, machen sie hihihi. Es sind Menschen. Ob diese Menschen mit Modelliermasse oder Mausklick arbeiten, ist für die Herzenswärme des Resultats unerheblich. Die Modelliermasse an sich ist nicht menschlicher als der Pixelklumpen. Entscheidend ist, was hinten rauskommt.

Der Film, der in diesem Jahrtausend dabei herausgekommen ist, unterscheidet sich nicht wesentlich von dem Film, der 1981 hinten rausgekommen ist. Ein paar Details wurden modifiziert, weggelassen, hinzugefügt. Aber wer die Details zum Elefanten aufplustert, der sieht den Film falsch.

Kurz zwischendurch für alle, die seit 1980 oder früher ohne Kommunalkino und Internet in einer Marskolonie lebten und letzte Woche erst zurückgekehrt sind: In Kampf der Titanen geht es um den Halbblutgott Perseus, der im antiken Griechenland gegen allerlei Monster kämpft.

Im Originalfilm tut er es für die Gunst und das Wohlergehen der holden Andromeda, im neuen aus Rache. Das war zunächst mein großer banger Moment. Was den alten Film heute noch so charmant macht, ist nicht der Harryhausen-Kitsch, sondern der Romantikkitsch. Wenn ein gelockter Perseus für sein Mädchen das Schwert schwingt, ist das oberflächlich verlockender als ein Sauertopf mit G.I.-Cut, der bloß Blut sehen will. Weil Perseus 2010 aber nicht irgendwen, sondern seine innig geliebte und völlig unnötig dahingeraffte Adoptivfamilie rächen geht, ist der emotionale Aspekt auch in der Stoppelschnitt-Version voll vorhanden. Ob Harry Hamlin oder Sam Worthington die geilere Frisur hat, sollen die kleinen Mädchen entscheiden, oder wer immer sich sonst berufen fühlt. Was das schauspielerische, sagen wir mal: Talent angeht, ist man schon genug hin- und hergerissen.

Oh, fällt mir jetzt erst auf, Sam Worthington war ja auch in Dings, hab ich gerade noch gesehen, komm ich nicht mehr drauf. Aber mal ehrlich und ernst: Seien wir nicht so hart mit ihm, wie es gerade Mode zu sein scheint. Dass er in jedem amerikanischen Mackerfilm der jüngeren Geschichte auftaucht, wird nicht von ungefähr kommen. Irgendwas ist dran an diesem grimmigen Knuddelbären. Dass Avatar Blödsinn und Terminator: Salvation nicht ganz so gut ist wie 3 Engel für Charlie, ist nicht seine Schuld. Ich jedenfalls werde mir The Expendables erst anschauen, wenn ein paar Szenen mit Sam Worthington hineingeschnitten wurden.

Im Großen und Ganzen ist der aktuelle Kampf der Titanen weniger blutig und nackig als das Original, wie Mainstreamfilme überhaupt über die Jahrzehnte eher zahmer als wilder geworden sind, auch wenn die hysterische Schweinepresse das Gegenteil herbeifantasiert. Lediglich bei der Darstellung des fiesen Calibos hat man diesmal noch eins draufgesetzt. Im Original wurde er gespielt vom Schauspieler Neil McCarthy, kaum zu erkennen unter einer furchterregenden, fratzenhafte Maske. Nicht erschrecken: Der neue Calibos sieht aus wie Mickey Rourke. Er wird allerdings gespielt vom Schauspieler Jason Flemyng, kaum zu erkennen unter einer furchterregenden, fratzenhafte Maske.

In meiner Kindheit hatte mich die Geschichte Perseus’ derart gefesselt, dass ich sogar dicke Bücher über griechische Mythologie wälzte. So musste ich erfahren, dass der Film sich hier und da ein paar künstlerische Freiheiten herausnahm. Wenn sich die griechische Mythologie nicht inzwischen als Aberglaube herausgestellt hätte, müsste man wohl von Blasphemie sprechen. Ich war damals ein wenig enttäuscht, dass nirgendwo in den alten Sagen von einer urkomischen, tollpatschigen kleinen Robotereule die Rede war. Heute schätze ich gerade das an den alten Sagen.

Manch Kenner der griechischen Mythologie nimmt beim 2010er Kampf der Titanen Anstoß an der Zeile: „Don’t look that bitch in the eye!“ Sowas hat Perseus niemals gesagt, nicht mal im Angesicht der Medusa, da sind sich die Gelehrten nach langem Schriftstudium einig. Sie haben bestimmt recht. Mir war der falsche Jargon kaum aufgefallen, ich erfuhr erst später von der Welle der Empörung, mein Fehler. Ich störte mich bereits zuvor nicht daran, dass alle Figuren modernes Englisch sprachen. Skandal natürlich, weiß ich jetzt. Man darf Kampf der Titanen eigentlich nur in Altgriechisch mit Untertiteln und ohne Schimpfwörter (wurden erst später erfunden, ca. 1997) verfilmen. Quasi The Passion of the Perseus. Dafür müssten wir aber wohl zwielichtige Regisseure aus der Klapse entlassen, die wir nie wieder in Freiheit sehen wollen.

Apropos Medusa: Sie ist und bleibt der Endgegner der Herzen, der Darth Vader von Kampf der Titanen. Sie dominiert. Alles, was nach ihr geschieht, ist völlig banane. Dass es auch noch ein Krakenmonster/einen Imperator gibt, interessiert allenfalls die penibelsten Erbsenzähler.

Der Reiz der Medusa ist geblieben, ganz egal, ob man die Knetgummiversion aus dem einen, oder das digital verbesserte Supermodel aus dem anderen Film bevorzugt. Wovon man sich darüber hinaus im neuen Film nicht trennen mochte, ist die Götter-WG in den Wolken, in der hochkarätige Schauspieler Verkehrt-rum-Tag spielen. Sie sagten sich: „Au ja! Heute machen wir all das, wovon man uns in der Schauspielschule gesagt hatte, dass man es auf keinen Fall tun darf!“ Hinterher schauten sich die Nachbearbeiter die Szenen an, und einer sagte: „Das ist ja fürchterlich! Aber wir könnten es noch fürchterlicher machen, indem wir willkürlich ein paar Photoshop-Filter drüberknallen!“ Und alle anderen Nachbearbeiter riefen: „Ja! So machen wir es!“ Das Ergebnis ist herrlich.

Jedoch nicht göttlich. Göttlich ist nur Sir Laurence Olivier als Zeus auf seinem funky Laser-Disco-Thron. Deshalb bevorzuge ich nachwievor den alten Film. Aber das ist mit Augen des Nostalgikers gesehen. Alle richtigen zwölfjährigen Jungs sollten mit dem neuen Film bestens bedient sein. Und wer an dem was zu meckern hat, ist wahrscheinlich kein richtiger zwölfjähriger Junge. Für den ist der Film dann aber auch nicht gedacht. Genau wie damals. Gut möglich, dass in ein paar Jahrzehnten die heutigen Zwölfjährigen wutschnaubend über ein neues Remake herziehen, das in ihren Augen keinesfalls so viel Herz, Charme und Fantasie hat wie der gute alte Film von 2010, der damals ihr Lieblingsfilm war, wie sie nicht müde werden jedem jederzeit mitzuteilen. Und das geht in Ordnung. Sie hätten sich schlimmere Lieblingsfilme aussuchen können. Avatar, zum Beispiel.

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