MP3 rettet das Album-Format

Ich weiß noch nicht, ob digitale Musik die Musikindustrie vernichten wird oder nicht, ich bin doch kein Hellseher, fragen Sie mich später noch mal. Eines aber weiß ich: Musik-Downloads sind ein Glücksfall für das klassische Album-Format. Finde ich. Und ich bin der einzige realistische Maßstab, den ich ansetzen kann, alles andere wäre reine Spekulation. Ich gehe doch nicht extra in den Keller und werf das Internet an, um mir dann ein einziges Lied runterzuladen. Was soll ich mit dem machen? Das fliegt dann irgendwo rum, und am nächsten Tag weiß ich gar nicht mehr, dass ich es habe.

Mein unterbezahlter Dateimanager sagt mir, dass ich im Jahre 2004 ernsthaft mit dem Kauf rein digitaler Musik begonnen habe. Damals habe ich mir auch ein paar einzelne Lieder gekauft, es waren sentimentale Lieder, es gab Gründe, frage nicht. Jedenfalls wollte ich daraus eine Abspielliste mit sentimentalen Liedern erstellen, denn sentimental geht immer, dachte ich, die Liste wird Ausmaße annehmen, mein lieber Scholli, und die kann ich dann immer hören, wenn ich mich in tröstendem Selbstmitleid suhlen möchte.

Heute, rund 5 Jahre später, ist sie 3 Lieder lang. Wenn Sie es für Ihre Hausaufgaben genau wissen müssen: ‚Tiny Tears‘ von Tindersticks, ‚Dry Your Eyes‘ von The Streets und ‚Someday We’ll Know‘ von New Radicals.

Nicht, dass ich mir nie andere sentimentale Lieder heruntergeladen hätte, aber sie waren immer in einem Albumzusammenhang. Und wenn ich den Albumzusammenhang habe, brauche ich keinen anderen Zusammenhang. Wenn mir was gefällt, klicke ich auf ‚Album kaufen‘. Man kann doch In-Unserer-Schnelllebigen-Zeit nicht jeden Song einzeln evaluieren und dann womöglich noch Abspiellisten erstellen, damit es sich lohnt. Wer hat denn dafür Muße?  

Früher, als Musik noch in erster Linie auf physischen Tonträgern verkauft wurde, habe ich mir durchaus hin und wieder Singles gekauft, Vinyl wie CD. Inzwischen kommt das gar nicht mehr in die Tüte. Muss auch nicht, denn seit physische Tonträger marginalisiert sind, sind Alben richtig gut geworden. Früher hatte sogar jedes insgesamt geniale Album ein oder zwei Gurkenlieder gehabt. Das traut sich heute kein ernst zu nehmender Künstler mehr. Sonst laden sich die ‚Kids‘ nur einzelne ‚Songs‘ runter, und die Gurken bleiben liegen.  

Glücklicherweise sind Alben im Zuge der totaldigitalen Revolution auch wieder kürzer geworden. Die CD hatte da viel kaputt gemacht. Weil rund 80 Minuten drauf passten, waren viele Künstler und sogar einige ihrer Kunden der Meinung gewesen, man müsse die Zeit vollmachen, wolle man die Kunden nicht verschaukeln bzw. sich vom Künstler verschaukelt fühlen. Deshalb wurde die Welt verseucht mit unwürdigen Neuabmischungen eigentlich unverbesserlicher Meisterlieder, ermüdendem Instrumentalquatsch, Demoversionen, die niemanden was angehen, und Gurkenliedern 2.0, die in der Frühzeit der Tonaufnahme auf keine Single-B-Seite gekommen wären. Inzwischen sind beglückend viele Alben sogar inklusive Frühkäufer-Bonus-Material wieder bei einer Dreiviertelstunde angekommen. Genau die richtige Zeit um einen einzulullen, aber nicht lang genug, um einen zu langweilen.

Natürlich kann mit der neuen Darreichungsform auch Schindluder getrieben werden. Das äußert sich in der Unsitte, drei Knallerlieder auf einem Album nach vorne zu packen, und der Rest ist Schnarch. Sowas hat es früher nicht gegeben, gibt es aber heute ziemlich häufig. Es ist mir zwar peinlich, aber um der Aufklärung Willen gebe ich zu, dass ich im Sommer 2008 auf das Sommer-Hit-Wunder The Ting Tings hereingefallen war, weil mir die ersten drei Lieder ihres Albums beim Reinhören recht gut gefallen hatten. Also das ganze Album runtergeladen, das ganze Album gehört, und schnarch. Und jetzt hockt es auf meiner Festplatte und verhöhnt mich. Denn die drei guten Lieder waren freilich auch nicht gut. Ohrwürmer halt. Wie Würmer so sind, erst ganz lustig, dann doch nur Aasfresser.

Aber der Kunde ist nicht blöd. Fällt er einmal drauf rein, fällt er vielleicht auch noch ein zweites Mal drauf rein (dumdidum, The Kills, Midnight Boom, dumdidum), aber ein drittes Mal sicher nicht. Die Anzahl der Alben, die ich versehentlich wegen ihrer betrügerischeren Dramaturgie komplett gekauft habe, ist geringer als die der Lieder in meiner Sentimental-Abspielliste.

Hin und wieder äußern sich auch Musiker zum Thema Song-vs.-Album im volldigitalen Zeitalter. Man sollte nicht auf sie hören. Musiker wissen gemeinhin weniger über Musik als Musikhörer, denn die müssen schließlich damit leben. Billy Corgan, heute einziges Mitglied der Smashing Pumpkins, behauptet gerne, dass das Album tot sei, und man lieber hier und da mal einen Song veröffentlichen solle, sinngemäß. Ich habe das eine Weile mitgemacht, denn ich mag prinzipiell die aufgelösten Pumpkins lieber als die Band von damals, aber die letzten dieser Hier-Und-Da-Songs waren leider recht schwach, deshalb gerät mir das ganze Smashing-Pumpkins-Ding zusehends in Vergessenheit. Woran ich mich hingegen gut erinnere ist das letzte Album. Kein Meisterwerk, aber auch kein Beinbruch, auf jeden Fall des Erinnerns werter als die gefolgten virtuellen ‚EPs‘ und ‚Singles‘. Twix hieß früher Raider, Billy Corgan hieß früher Andrew Eldritch, und bei dem hat man irgendwann auch das Mitverfolgen aufgegeben. Ein Album hier und da hätte den Lauf dieser Geschichte vielleicht verändert.

Ein Mitglied der Gruppe Kraftwerk äußerte sich neulich genau gegenteilig, aber genauso fragwürdig. Der Herr (er hat einen Namen, aber ich kann mir die Kraftwerk-Namen nie merken) war hoch erfreut darüber, dass man die zeitlichen Fesseln der CD abgestreift hatte und nun Alben machen könne, die mehrere Monate Spielzeit haben. Sinngemäß. Oder waren es nur Tage? Jedenfalls zu lang, wenn man mich fragt.

Und dennoch erscheint mir diese Herangehensweise nicht ganz uninteressant. Ich weiß noch nicht, ob ich meinen Jahresurlaub dafür opfern werde, ein neues Kraftwerk-Album anzuhören, aber ich finde es gut, wenn Künstler neue Wege gehen. Ich muss ja nicht jeden Weg ganz mitgehen. Vielleicht lade ich mir dann nur ein Lied runter.

Internet-Manifest: Überarbeitete Endfassung

Diese Fassung ersetzt die vom 7. 9. 2009, die ich nicht gelesen habe.

1. Oberster Grundsatz: Einfach mal öfter mal was für sich behalten.
2. Internet zum Mitmachen ist blöde.
3. Denn wenn der Kuchen spricht, müssen die Krümel schweigen.
4. Ein paar Wochen ohne Internet haben noch niemandem geschadet.
5. Hingegen haben sich schon nachweislich Menschen zu Tode getwittert. (In Kanada und Portugal, können Sie gerne überprüfen)
6. Richtige Journalisten arbeiten in richtigen Medien.
7. SMS ist kein Journalismus.
8. Achtens hab ich vergessen.
9. Information will überhaupt nicht frei sein. Das hat sie nie behauptet.
10. Diebstahl ist Diebstahl.
11. Hier können Sie sich Ihren Teil denken: ___. (vorbei)
12. Für eine Abschaltung des Internet in Q2 2010 (Petition folgt).
13. Ein Betriebssystem ist kein Ersatz für eine richtige Religion.
14. Ein Browser auch nicht.
15. „Buddhismus“ auch nicht.
16. Hoch auf dem gelben Wagen sitz ich beim Schwager vorn.
17. Nicht immer so aufgeregt sein, ist doch bloß Internet.

Erstunterzeichner: Peter Sloterdijk, Karl Lagerfeld, Hannah Montana, Lady Gaga und zwei meiner drei verstorbenen Wellensittiche (eine Enthaltung)

Ihre Unterschrift: ________ (bei Minderjährigen nur mit 10 Mark Bearbeitungsgebühr in bar)

Diskussion: Bitte nicht bei mir im Treppenhaus, ich muss morgen früh raus

Vom Zähneputzen

Das Klischee geht so: Blogger schreiben in erster Linie darüber, wie sie sich die Zähne putzen. Ob das stimmt, weiß ich nicht, dafür müsst ich erstmal so einen Blog lesen, und das wird ganz bestimmt nicht passieren. Ich fände es aber drollig, wenn das Klischee stimmen würde, deshalb gehe ich hier mit gutem Beispiel voran.

Mein Zahnarzt neulich so: „Ey, kaufen Sie sich eine elektrische Zahnbürste, Alter!“ (aus dem Gedächtnis zitiert)

Ich so: „Ja ja.“

Gedacht habe ich natürlich: Sie können mich mal kreuzweise vonberlichingen. Und: Elektrische Zahnbürste! Das ist doch nur so ein neumodischer Schnickschnack wie Fahrradhelme, Bildschirmtext und tragbare Kassettenspieler!

Was weiß so ein Zahnarzt schon über sowas? Aber kurz danach hatte meine Mutter mir auch zu einer elektrischen Zahnbürste geraten, und meiner Mutter glaube ich das natürlich.

Meine Mutter hatte mich auch hinterrücks bereits angefixt, indem sie mir immer wieder elektrische Einwegzahnbürsten zugesteckt hatte, wenn sich unsere kosmopolitischen Wege kreuzten. Diese Zahnbürsten hatten mir gefallen. Sie waren unkompliziert und liefen mit integrierten Einwegbatterien. Mit anderen Worten: Wenn sie es nicht mehr bringen, kann man sie einfach wegschmeißen, wie Sprühdosen, Ideale oder Freundschaften.

Und jetzt bin ich stolzer Besitzer einer Braun Professional Care. Beziehungsweise bin ich schon seit einigen Wochen ihr Besitzer, aber ich bin vor ein paar Tagen erst dazu gekommen, sie zu benutzen. Ich war der Auffassung, dass die erste Inbetriebnahme größte Konzentration erfordere, und das ist die Krux beim Zähneputzen: es ist eine Routinetätigkeit, die bei größter Müdigkeit ausgeführt wird. Man bringt es hinter sich, bevor man aufs Amt oder zu Bett geht. Da will man sich nicht mit neuen technischen Features auseinandersetzen. Zähneputzen ist kein sexy Extrem-Hobby, bei dem man sich fotografiert und ‚Yeah!‘ schreit. Ist man erstmal Blendi-entwöhnt, denkt man nie wieder: Juhu – Zähneputzen! Man denkt nur: So … müde … uäh … auch … das … noch.

Was ich nicht wusste: Das wissen auch die Ingenieure elektrischer Zahnbürsten. Und da dachten sie sich: Wir machen es einfach mal einfach. Zu meinem großen Erstaunen braucht es nach Öffnen der Verpackung nur drei Handgriffe, und man ist wie wild am Putzen.

Wild ist das richtige Wort, denn nach 30 Sekunden ist alles voller Blut. Ich hätte gerne ein Foto davon gemacht, aber ich habe alle Hände voll zu tun. Man unterschätzt häufig, wie viel Blut in so einem menschlichen Körper ist. Stellt sich aber heraus, dass man die Brutalität der Zahnbürste regulieren kann. Ich stelle auf Baby, und dann geht’s.

Hinterher: Ein erstaunliches Gefühl. Ich entdecke erstmals, dass Zähne Zwischenräume haben. Ich hatte das immer für eine Lüge der Reklameindustrie gehalten. Diese Entdeckung kann man zwar auch mit Zahnseide machen, so hat man mir gesagt, aber das habe ich einmal probiert und gleich wieder aufgegeben. Zahnseide ist was für Leute, die sonst keine Hobbys haben. Ich habe wirklich auch noch andere Sachen zu tun.

Nutzwertiger Fazit-Block für Menschen, die nicht gut lesen können nutzwertorientiert denken

Pro elektrische Zahnbürste

• Geht schnell
• Macht Sauber

Kontra elektrische Zahnbürste

• Man kann kaum was nebenher machen
• Ist laut

Spaßfaktor: Mittel
Bedienung: 3 Grad
Gesamtwertung: Forelle blau

Ich kannte Zähneputzen bisher nur so, dass man währenddessen noch telefoniert, Halo spielt und Sushi rollt. Das geht mit einer elektrischen Zahnbürste nicht, sie erfordert die gesamte motorische Aufmerksamkeit. Apropos Motor: Es wird schon alles ein bisschen viel, was man so an Technik an seinen Körper lässt. An einem Morgen mit Vollprogramm wären das in meinem Falle der Rasierer, der Haarschneider und die Zahnbürste. Ganz schön viel Gesummse im und um den Kopf herum. Da komme ich mir vor wie Tetsuo, der Maschinenmensch.

Nach genauerem Studium der Gebrauchsanweisung meiner Zahnbürste stelle ich etwas Erschreckendes fest: Die beiden verschiedenen Bürstköpfe sind für verschiedene Anlässe: einer macht weiß, einer macht sauber.

Man muss sich also entscheiden, ob man gut aussehende oder gesunde Zähne haben möchte? Das ist ja genau wie bei der Figur! Naiv hatte ich angenommen, ich könnte beides haben. Schließlich ist so eine E-Zahnbürste zigmal teurer als eine akustische. Aber wenn ich nicht weiß und gründlich gleichzeitig haben kann, dann ist dieses ganze Zähneputzding vielleicht doch nichts für mich. Dann lass ich es lieber gleich.

Mission Statement: Nicht lesen

Es gibt bestimmt Blogs, die ihre Berechtigung haben. Solche, die Untergrundaktivistinnen in Schurkenstaaten Stimmen geben, die gehört werden müssen, zum Beispiel. Der vorliegende Blog allerdings, wie 100% aller deutschsprachigen Blogs, hat keinerlei Berechtigung. Ich würde nie auf die Idee kommen, einen Blog zu lesen, denn nur Blogger lesen Blogs, und ich bin ja kein Blogger. Bei Vereinsmeierei halte ich es mit Marx (Groucho). Ich hoffe, Sie nehmen sich ein Beispiel an mir. Bitte lesen Sie keine Blogs, lesen Sie lieber etwas Richtiges. Bitte schreiben Sie keine Blogs, schreiben Sie lieber etwas Richtiges. Oder sehen Sie ein, dass Sie nichts zu sagen haben.

Ich schreibe diesen Blog, weil ich nichts zu sagen habe, und das will ich gerne tun. Wer dies liest, kann hinterher nicht sagen, er habe von nichts gewusst.

Bitten lesen Sie auch morgen an dieser Stelle nicht, wie ich über das Zähneputzen schreibe.