Meine Gedanken kreisten um die Frage, ob ich die reizende kleine Stewardeß der Geruda Indonesien Airways anrufen sollte, mit deren Maschine ich am Nachmittag aus Singapur gekommen war. Die Kleine hatte mir sehr bereitwillig ihre Telefonnummer gegeben. Das und das Blitzen in ihren schwarzen Augen berechtigte zu den schönsten Hoffnungen.
*** Das klingt zwar wie eine typische Momentaufnahme aus meinem Alltag, aber unter uns: Ich habe es ABGESCHRIEBEN aus dem Spionagekrimi Der Tod wartet in Bangkok (1959) von Jean Bruce. Wenn das rauskommt, bin ich erledigt.Kläff kläff: Ich hätte auch einen Abschreib-Skandal zu melden (kein Witz)
Ist allerdings schon etwas her, vielleicht verjährt. Es geht um den Spielfilm Scherbentanz von 2002, Buch und Regie ein gewisser Chris Kraus (Bella Block u. ä.). Es war mir bereits damals aufgefallen, aber ich wusste nicht, an wen ich mich wenden musste. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere: Der Film lief nicht ganz so groß wie Der Schuh des Manitu, war in besseren Kreisen aber durchaus beliebt, wurde von der Presse sehr gelobt, und Hauptdarsteller Jürgen Vogel nahm ihn gerne mit in Talkshows. Die Süddeutsche Zeitung, z. Zt. ganz vorn dabei in Sachen Hegemann-Steinigung, fand: „Der erstaunlichste deutsche Film des Jahres.“
Tageslicht. Zwei Typen im Auto. Es regnet. Typ 1 liest Zeitung.
Typ 1: „Es soll heute Abend regnen.“Typ 2: „Es regnet jetzt schon.“
„Hier steht heute Abend.“
Typ 2 macht Kopfbewegung zum Autofenster. „Ist das Regen, oder nicht?“
„Ich sag nur, was hier steht.“
„Da trau ich lieber meinen Augen als irgend ’ner Zeitung.“
„Deine Augen? Deine Augen sind ’n Witz. Die optischen Gesetze kannste in die Tonne treten. Nur weil man ’ne Sache sieht, heißt das nicht, dass sie wirklich da ist.“
„Ja, regnet’s, oder regnet’s nicht?“
„Das möchte ich jetzt nicht entscheiden müssen.“
„Ja, aber du siehst doch, dass es regnet.“
„Du bist dir so sicher, dass das Regen ist. Woher willst du wissen, dass das kein radioaktiver Niederschlag ist, oder irgendwas aus eurer Fabrik?“
„Das ist stinknormaler Regen, Jesko.“
„Kannst du das beweisen, dass das Regen ist? Woher will man wissen, dass das, was du Regen nennst, auch wirklich Regen ist? Und was ist das überhaupt, Regen?“
„Das ist der Scheiß, von dem du nass wirst!“
„Ich bin nicht nass. Bist du nass?“
„Na schön. Sehr gut.“
„Mal im Ernst, bist du nass?“
„Erstklassig. Wirklich.“ Ein toller Dialog, ohne Frage. Aber nicht ganz so gut wie: Beweisstück B: Auszug aus dem Roman White Noise (1985) von Don DeLillo (dt. Weißes Rauschen
“It’s raining now,” I said.
“The radio said tonight. ” […]
“Look at the windshield,” I said. “Is that rain or isn’t it.”
“I’m only telling you what they said.”
“Just because it’s on the radio doesn’t mean we have to suspend belief in our senses.”
“Our senses? Our senses are wrong a lot more often then they’re right. This has been proved in the laboratory. Don’t you know about all those theorems that say nothing is what it seems? […] The so-called laws of motion are a big hoax. […]”
“Is it raining,” I said, “or isn’t it?”
“I wouldn’t want to have to say.” […]
“But you see it’s raining.” […]
“You’re so sure that’s rain. How do you know it’s not sulfuric acid from factories across the river? […] How do I know that what you call rain is really rain. What is rain anyway?”
“It’s the stuff that falls from the sky and gets you what is called wet.”
“I’m not wet. Are you wet?”
“All right,” I said. “Very good. ”
“No, seriously, are you wet?”
“First-rate,” I told him. Bei DeLillo ist der Dialog weitaus länger, wahnsinniger, wahrhaftiger und genialer als bei Kraus; ich habe zur Veranschaulichung gekürzt, aber ansonsten nichts verändert. Dass ich die Stelle wiedererkannt habe, liegt daran, dass ich sie selbst einmal für ein Drehbuch geklaut hatte. Gottlob wurde der Film dazu nie fertig, sonst würde mir irgendwann irgendein neunmalkluger Blogger vorwerfen, ich habe bei Chris Kraus abgeschrieben, und ich müsste sagen: „Das nehmen Sie sofort zurück! Ich habe bei Don DeLillo abgeschrieben! Wie jeder andere auch!“ Weil ich wegen meines eigenen Fehlverhaltens lediglich diese Stelle aus DeLillos Roman auswendig kenne, kann ich ohne viel zu anstrengende Recherche nicht beurteilen, ob noch mehr in Scherbentanz gestohlen ist, aber ich würde einfach mal davon ausgehen. Sie wissen ja: Wer einmal lügt. Ein Unterschied zur Causa Hegemann: Was hier gestohlen wurde, ist kein Füllwerk, an das sich hinterher eh niemand mehr außer den Urhebern und ihren Facebook-Kumpels erinnert, sondern gehört zu den wichtigsten Momenten des Films. Es handelt sich um die Einführungsszene der Hauptfigur und ihres Bruders. Beide Figuren werden durch den Dialog sofort aufs Feinste charakterisiert, sowohl als Individuen wie in ihrer Beziehung zueinander. Eine reife Leistung. Aber es ist natürlich nicht die Leistung von Chris Kraus, der dafür den Young German Cinema Award in der Kategorie Drehbuch erhielt, sondern die von Don DeLillo. J’accuse. Man kann sich hier freilich rausreden, wie man sich in solchen Fällen immer rausredet: Blablabla … Künstler inspirieren sich doch seit jeher gegenseitig … blablabla. Aber erstens ist nicht bekannt, dass Don DeLillo jemals von Chris Kraus inspiriert wurde. Zweitens hier ein Crashkurs zum Unterschied zwischen Inspiration und Diebstahl, anhand zweier schonungsloser Beispiele aus meinem eigenen Leben und Schaffen: Beispiel 1: Inspiration Jeden Tag muss ich mehrmals vorbeigehen an einer das Auge und den Verstand beleidigenden Plakatreklame für eine morgendliche Ulksendung im Lokalradio. Am vergangenen Montag hatte es sich endlich gelohnt: Das Plakat inspirierte mich zu einer Kurzgeschichte, in der einem Radioulkmoderator eine Schlüsselrolle zukommt. Beispiel 2: Diebstahl Wir befinden uns in sepiafarbener Vergangenheit, ich bin noch ein kleiner Hosenmatz in Bremen-Nord und schreibe mit leuchtenden Augen und Zungenspitze auf der Oberlippe an meinem ersten Drehbuch, es geht um zwei kalauernde und philosophierende Profikiller (es war so die Zeit, ich war so in dem Alter). Da bringt mir mein Onkel-aus-Amerika den Roman White Noise von Don DeLillo mit. Ich stürze mich sofort auf die Lektüre, denn was mein Onkel-aus-Amerika mitbringt, ist gut, und von Don DeLillo hatte ich schon Mao II
Das tat ich auch, und das nennt man stehlen.
Ich wähnte mich auf der sicheren Seite: Der Roman war obwohl schon etwas älter auf Deutsch nicht erschienen, und überhaupt war DeLillo im deutschsprachigen Raum allenfalls Menschen wie mir bekannt (Menschen mit belesenem Onkel-aus-Amerika). Beides hat sich inzwischen geändert, und einiges mehr. Heute gelten ja auch Filme über kalauernde und philosophierende Profikiller nicht mehr als krass edgy. Aus meinem Drehbuch wurde keine Koproduktion der avcommunication AG mit SWR, ARTE und BR mit freundlicher Unterstützung der MFG Filmförderung Baden-Württemberg, sondern nur ein Super-VHS-Videofragment von limitierter Distribution. Ich bin mir auch nicht mehr sicher, ob die umstrittene Szene letztendlich zu den gedrehten gehörte. In einem fahrenden Auto zu drehen ist ganz schön schwierig, wenn man von nichts eine Ahnung hat. Und gefährlich. Besonders bei Regen. Aber das nur am Rande. Dass es ausgerechnet ein Drehbuch über Profikiller sein musste, ist mir retrospektiv natürlich mindestens genauso peinlich wie der Diebstahl. Man mag dabei das Thema dämlich und langweilig finden, aber niemand wird mir ernsthaft vorwerfen, dass ich über Profikiller geschrieben habe, obwohl ich selbst damals gar keiner war. Dass z. Zt. Helene Hegemann neben der Urheberrechtsverletzung außerdem mit einiger Häme vorgeworfen wird, dass sie in Wirklichkeit offenbar gar kein durchgenudeltes Drogenwrack ist, ist äußerst bizarr. Wie die jungen Leute so schön sagen: Hallo? Bald stellt sich womöglich auch noch heraus, dass Helene Hegemann in echt gar nicht Mifti heißt, sondern Helene Hegemann. Oder dass weder Die drei Musketiere noch Der Graf von Monte Christo aus dem Leben von Alexandre Dumas erzählen, sondern zu Teilen frei erfunden sind. Und dennoch hatte man die Chuzpe ‚Roman‘ draufzuschreiben. Genau wie bei Axolotl Roadkill. Was erlaube. Postskriptum: Sollte der ganze Weißes-Rauschen-Scherbentanz-Fall bereits bekannt sein wie ein bunter Hund, ignorieren Sie bitte alles, womit Sie hier gerade Ihre Zeit vertan haben. Auf Google habe ich dazu aber nichts gefunden, und tiefergehende Recherche kann man von mir wirklich nicht erwarten. Postpostskriptum: Ich drücke ganz, ganz fest die Daumen für den Preis der Leipziger Buchmesse. Ich sage aber nicht wem.Hotltotl Overdrive
Aus gegebenem Anlass zitiere ich mich selbst aus meinem Eintrag von vorgestern (gleich hier hinter):
Ich werde gerne auf den Arm genommen und hinters Licht geführt, um dort aufs Kreuz gelegt zu werden. Da spürt man, dass man lebt. Es war wieder ein ganz herrliches Gefühl, das sollten Sie auch mal versuchen. Liebes Frl. Hegemann, bitte machen Sie sich rein gar nichts aus dieser Sache. Lassen Sie die Blogger kläffen, die tun nichts, die freuen sich nur, dass ihnen auch mal jemand zuhört, denn das geht vorbei. In Ihrem Alter habe ich auch vieles abgeschrieben, insbesondere Mathe und Bio. Und bei mir – so wurde mir versichert – ist dabei auch jedes Mal etwas ganz Eigenes, nie zuvor Dagewesenes entstanden. Ich biete an: Das nächste Buch einfach von mir abschreiben, ich bin da nicht so. Sind doch nur Worte. Besitz besitzt dich.Hozlplozl Reloaded
Prekär ist in Azathoth Roadrage zwar nichts und niemand, aber das Wort muss dennoch in jedem kulturjournalistischen Artikel mindestens einmal unübersehbar untergebracht werden. ‚Prekär‘ ist das neue ‚nachhaltig‘.
Ich selbst habe erst die ersten 53 Seiten gelesen, aber das sollte reichen, um ein Buch hochzuloben. Die meisten Menschen lesen ihr ganzes Leben keine 53 Seiten. Das mit dem Huhn und das mit den Küken fand ich gut, da wird der Rest nicht schlecht sein. Das Buch scheint angenehm plotlos (ein guter Roman braucht keine Geschichte), die Schreibe unverseucht von jeder Schreibkursdoktrin. Wenn ich mich irre, umso besser. Ich werde gerne auf den Arm genommen und hinters Licht geführt, um dort aufs Kreuz gelegt zu werden. Da spürt man, dass man lebt. Mehr am Herzen als das Loben dieses speziellen Buches liegt mir das Loben aller Bücher aller 17-jährigen Wunderkinder, frühere, gegenwärtige und zukünftige, überall in der Welt. Es wird so viel Gemeines über sie gesagt und geschrieben, aber das ist unangebracht. Sicher, es ist ein Kreuz mit den jungen Schreibenden: Wie alle Menschen vor ihnen sind sie der Meinung Sex, Drogen und Weltekel erfunden zu haben. Vor ihnen hat noch nie jemand sowas gemacht, und wenn doch, dann bestimmt nicht richtig, weil es ja noch gar nicht erfunden war. Es ist süßes Privileg der unbeschwerten Jugendzeit, sich für düsterer, abgründiger und durchgenudelter zu halten, als jemals jemand es gewesen ist und man selbst es jemals sein wird. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass bereits im 20. Jahrhundert und früher Drogen genommen wurden, Geschlechtsverkehr ohne primäre Fortpflanzungsabsicht praktiziert und an anderen Menschen verzweifelt wurde, kann jeder jugendliche Autor immer noch zuversichtlich sein, dass seine Gedanken zu diesen Sujets die profundesten sind, die jemals gedacht wurden und deshalb natürlich zu Papier gebracht werden müssen. Gott sei Dank werden sie das auch, denn Sex, Drogen und Weltekel sind vielleicht nicht die einzigen großen Themen der Literatur, aber sie gehören mit Sicherheit dazu. Ich für meinen Teil lese dazu lieber die Gedanken eines 17-jährigen Mädchens als die eines alten Lustgreises (aber freilich ist das nur die Meinung eines alten Lustgreises). Für meine und frühere Generationen wurden solche Entdeckerbücher traditionell von jungen Männern geschrieben, heute ist das Frauenarbeit. Kein deutsches, sondern ein internationales Phänomen. Japan hat Hitomi KaneharaJetzt mal im Ernst: Richard McGraw
Eigentlich hatte ich mir zur Regel gemacht, diesen Blog ausschließlich für Quatsch zu verwenden. Nicht für so etwas Ernsthaftes wie beispielsweise Produktempfehlungen. Weil ich aber seit neuestem ein Business Punk bin (ich breche Regeln), breche ich diese Regel heute und möchte drei Produkte ans Herz legen, und zwar das erste, zweite
und dritte
Album von Richard McGraw.
Lady Gaga und die vorauseilende Binnenmajuskel
Man weiß gar nicht, womit die bedingungslose AmourFou der Deutschen mit der Binnenmajuskel angefangen hat. War es das Frauen-I („StripperInnen“), das die taz eine verrückte Zeit lang praktizierte? Oder war es der iPod und sein dickes P? Fest steht: Die Binnenmajuskel hat im Gegensatz zu anderen Marotten der Jahrtausendwendezeit jede Rechtschreibkrise überlebt, während rechts und links von ihr die Moden so schnell fielen, wie sie gekommen waren. Kaum ein modern gemeintes Schlagwort wird heute noch mit einem vorgesetzten „e-“ versehen. Auch das kleine Anfangs-i, einen Sommer lang Pflicht bei jeder Produkteinführung, wird heute nur noch von Dings praktiziert. Niemand ersetzt mehr das „a“ im Firmennamen durchs Klammeräffchen oder hängt ein Domänenkürzel hinten an. All das ist vorbei, seit das Internet kaputt ist. Nur die Binnenmajuskel ist nicht totzukriegen. Ganz besonders beliebt ist sie in Deutschland, wo sogar vorsichtshalber Begriffe mit Binnenmajuskel geschrieben werden, deren Wortschöpfer das gar nicht vorgesehen hatte. Jüngstes und häufigstes Opfer: Lady Gaga. Ehe Sie komisch von mir denken: An Lady Gaga interessiert mich einzig und allein, wie man sie schreibt. Man schreibt sie ganz normal, so gaga ist die Dame nämlich gar nicht: vorne jeweils groß, dann durchgehend klein weiter. Wie deine Mudder. Nicht: GaGa. Bitte merken Sie sich das, liebe KollegInnen von der bunten Presse. Die Befolgung der korrekten Schreibweise eines Namens, der aus vier Buchstaben (und nur zwei unterschiedlichen) besteht, sollte auch von Ihnen nicht zu viel verlangt sein. In diesem speziellen Falle sollte es sogar zu Ihren Kernkompetenzen gehören.
Fischwoche vs. Japanwoche
Zum Anfang der Woche eine Zusammenfassung der letzten Woche, das waren nämlich zwei Wochen auf einmal: Auf 3sat war Japanwoche, in der Kantine meiner Firma war Fischwoche. Jemand da oben meinte es gut mit mir. Hier das vergleichende Protokoll.
Montag Fischwoche: Frische Forelle. Ich erwarte selbstverständlich ein großes Becken auf dem Firmenparkplatz und den Chefkoch mit einer Angel zu sehen. Sehe ich aber nicht. Nur Fisch, der aussieht wie freitags, also stark paniert. Da ist noch Luft nach oben. Japanwoche: Die Dokumentation über das Weltkulturerbe verpasse ich, ich bin noch zu beschäftigt mit Mass Effect, meinem Lieblingsspiel. Voll da bin ich erst zur Reportage über den Schienenverkehr. Es stellt sich heraus, dass japanische Bahnunternehmen bei der Planung von Abläufen, Bahnhöfen und Fahrzeugen offenbar ein Hauptaugenmerk auf die Zufriedenheit des Fahrgastes legen. Davon ist man in Deutschland noch weit entfernt, das hiesige Bahnunternehmen schert sich nicht mal um das Überleben seiner Fahrgäste. Danach österreichische Nachrichten (man ist national besoffen vom Golden-Globes-Doppelsieg, den auch Deutschland gerne für sich beansprucht), schließlich eine Dokumentation über Ryuichi Sakamoto. Die wollte ich mir eigentlich sparen, aber es ist noch Wein in der Flasche. Ohne dass es Beef gäbe, bin ich kein ausdrücklicher Sakamoto-Anhänger. Seine Filmmusiken haben mich nie groß interessiert, weil mich die dazugehörigen Filme nicht groß interessieren. Seine frühen Popplatten finde ich offen gestanden sogar ziemlich furchtbar, aber das ist nicht schlimm sondern normal. Viele Japaner meines Alters geraten in Verzückung, wenn etwas von Yellow Magic Orchestra gespielt wird, während ich, der ich diese Musik nur retrospektiv kennen gelernt habe, sie bloß unvorteilhaft aus der Zeit gefallen finde. So ist das mit den Soundtracks der Kindheit und Jugend: Man muss wohl dabei gewesen sein. Die Kinder bei uns im Haus schauen auch nur ratlos und besorgt, wenn ich mit meinen Plastikpistolen hinter der Ecke hervorspringe und „Stand and deliver!“ kreische. Im Filmportrait erweist sich Sakamoto als ein angenehmer Mensch und Gesprächspartner, der sich stets bemüht, auch auf doofe Fragen originell zu antworten. Das ist zwar mitunter etwas krampfig, aber höflich. Gleich anfangs mag Fragesteller Gero von Boehm nicht auf die abgedroschene Frage nach dem Klang der Stadt New York verzichten (findet er so toll, dass er später in anderem Zusammenhang noch mal danach fragt). Wahl-New-Yorker Sakamoto strengt sich sehr an, um schließlich mit einer Antwort über Klimaanlagen zu kommen. Drollig: Japaner finden die USA häufig überklimatisiert, während viele Amerikaner dasselbe über Japan denken. Beide Seiten haben recht. Ich werde beizeiten noch mal in Sakamoto reinhören. Voreilig gefasste Meinungen zu revidieren ist mein neuestes Hobby. Fazit: Fernsehen war besser als Essen, eine Seltenheit. Fischwoche vs. Japanwoche Zwischenstand: 0:1. Dienstag Fischwoche: Frisches Lachsfilet. Wieder wird die Frische angepriesen, wieder sehe ich nirgendwo einen Angler. Überhaupt sieht das Lachsfilet aus wie die Forelle von gestern, schmeckt auch sehr ähnlich. Erste Kollegen werden unruhig und behaupten, es handele sich in Wirklichkeit in beiden Fällen um Scholle. Man könnte bei den Verantwortlichen nachfragen, aber das könnte ja jeder. Japanwoche: Vom heutigen Programm bekomme ich nicht viel mit, weil ich am Dienstagabend immer in meinen Debattierklub muss. Als ich nach Hause komme, läuft nur noch Der Wald der Trauer, ein stiller Film über traurige Leute im Wald, der mir spontan gut gefällt, auf den ich mich nach einem einigermaßen schlauchenden Tag aber nicht mehr recht einlassen mag. Stattdessen schaue ich C.H.U.D. (Cannibalistic Humanoid Underground Dwellers) Panik in Manhattan!Japanwoche: Eine Reportage über russische Fischer auf den Kurilen, eine Inselgruppe, um die sich Japan und Russland gerne streiten. Der Streit ist eigentlich interessanter als die Fischerei, aber das ist nur meine Meinung, und auf die würde ich mich nicht mal selbst verlassen. Ich kann dies und alles Nachfolgende nur mit höchstens einem Auge sehen, weil Wasch- und Schreibarbeiten parallel erledigt werden müssen, und dass der Mensch nicht multitaskingfähig ist, ist wissenschaftlich erwiesen. Lassen Sie sich von Vorgesetzten, Personalern oder Motivationsheinis nichts einreden. Ich sehe noch ein paar Bilder von der Tokioter Spaßinsel Odaiba, auf der ich mal über eine Woche allein gefangen war (für einen Tagesausflug zu zweit ist sie ganz lustig), dann läuft der Horrorfilm Ring – Das Original. Das ist löblich, aber den kann ich schon zweisprachig mitsprechen, deshalb schaue ich Sword of the Stranger
. Ist super, läuft aber außer Konkurrenz.
Donnerstag
Fischwoche: Die Belegschaft ist außer Rand und Band, es gibt Spaghetti mit Garnelen. Meine Freude hält sich in Grenzen, denn das ist genau das, was ich immer zuhause mache, wenn mir nichts Besseres einfällt. Japanwoche: Ärgerlich: Die Dokumentation Von Geishas und Gameboys ist 16 Jahre alt. Dafür kann sie nichts, aber durch die ungenügende Erwähnung dieses Umstands wird dem unbeleckten Zuschauer der Eindruck vermittelt, all die gezeigten kulturellen Trends und gesellschaftlichen Umwälzungen seien brandneu. Noch ärgerlicher ist der bevormundende Ton, den man häufig in solchen Reportagen hören muss. Westliche Beobachter wissen ja immer viel besser als echte Japaner, was echte japanische Kultur ist. Alles, was modern ist, wird hier ohne Fachkenntnis und ohne jede Bereitschaft zum genaueren Hinsehen als eklig amerikanisiert abgetan, nur Geisha, Samurai & Co. gelten als authentisch japanisch. Dass die traditionelle japanische Kultur stark von China, Portugal und sonstwo beeinflusst ist, wird nicht erwähnt. Ist wohl nicht so schlimm wie amerikanische Beeinflussung. Die Tonlage ist die, in der es im Nachkriegsfernsehen häufig besorgt hieß: „Diese jungen Leute und ihre ‚Beat‘-Musik …“ Bei scobel hat Scobel drei Gäste. Einer erzählt hanebüchenen Unsinn, einer drückt sich etwas umständlich aus, einer wird immer abgewürgt, wenn er ansetzt was Vernünftiges zu sagen, und überhaupt hört Scobel am liebsten Scobel scobeln. Okay, diese Urteile sind extrem unfair (außer das zu Scobel, das trifft den Nagel auf den Kopf), da sie sich nur auf die knapp zwei Minuten beziehen, die meine ungeteilte Aufmerksamkeit haben. Ansonsten bin ich stark abgelenkt durch äußere Einflüsse wie Telefon und Internet. Als Film gibt es Das verborgene SchwertFazit: Die Tomatensauce war schon sehr gut. 3:1 für Fischwoche. Das ist eine ziemliche Überraschung.
Sagte vorhin jemand Kamikaze? Dann kommt jetzt der Trailer für den Spielfilm Kamikaze Girls: Samstag Fischwoche: Mit der Arbeitswoche ist freilich auch die Fischwoche offiziell um, aber ich bin findig und mache mir zum Frühstück ein Garnelenbrot mit Meerrettich unten und Jalapenos oben. Herrlich. Japanwoche: Magere Ausbeute: eine Dokumentation über eine Feuerwerkerin. Interessiert mich nur oberflächlich, schaue ich nur punktuell. Fazit: Das Brot war besser, erstaunliche 4:1 für die Fischwoche. Sonntag Fischwoche: Dachte nie, dass ich das mal sagen würde: Ich kann nicht mehr. Heute gibt es Spaghetti ohne Garnelen, was Besseres fällt mir nicht ein. Japanwoche: Auf die letzten Meter will es die Japanwoche noch mal so richtig wissen. Es geht schon morgens los, aber da habe ich noch keine Zeit, denn weil die Minusgrade jetzt nur noch einstellig sind, hat die Dauerlaufsaison wieder begonnen. Am Nachmittag bin ich folglich zu kaputt zum Fernsehen. Am frühen Abend bereite ich die Spaghetti zu und kann mich leider nicht auf die Dokumentation über Ringerinnen konzentrieren. Ich werde hellhörig, als „Kaoru, die Spanplatten-Schlampe“ erwähnt wird. Ich hätte gern mehr davon gesehen. Dann endlich: Takashi Murakami, der kommerziellste Künstler der Welt. Ich liebe Murakami. Er kritisiert das Niedliche durch das Niedliche, das Oberflächliche durch Oberfläche und macht damit einen riesen Reibach von Insassen der „superflachen“ (Murakami) Gesellschaft, die er kritisiert. So verlogen mindestens sollte gute Kunst schon sein. Selbstverständlich besitze auch ich ein paar Murakamis, soll ich mal zeigen? Hier, meine Murakami-Mappen:Und meine Buttons:
Es ist Kunst für das tägliche Leben. In einer Mappe transportiere ich die aktuellen Arbeitsbögen meines Japanischkurses, in einer sammle ich auf Reisen lose Blätter, eine hat ihren Zweck noch nicht gefunden, bis dahin bleibt sie originalverpackt und mint. Murakami hat jeden Yen redlich verdient, den ich dafür bezahlt habe.
Danach eine Doku über Essen in Japan, wurde ja Zeit. Gut und umfangreich, nur der Peter-Lustig-Bob-Ross-Erzählton nervt ein wenig. Anstatt genau zu analysieren, zeige ich ein Foto, auf dem ich Okonomiyaki mache:Und dann badende Affen und Schluss, jetzt gucke ich noch irgendeinen bekloppten Tomie-Film, dann muss ich ins Bett, und nächste Woche will ich von Fisch und Japan nichts hören.
Fazit: Niemand schlägt Kaoru, die Spanplatten-Schlampe. Heute drei Punkte für Japan. Insgesamt: ein harmonischer 4:4-Gleichstand.Mea Culpa Effect (Collector’s Edition)
Tut mir leid, was ich vorhin über das Telespiel Mass Effect geschrieben habe, ich hatte wohl was Falsches gegessen, vielleicht war mir sogar eine Laus über die Leber gelaufen. Das Spiel ist doch ganz gut. Bitte schreiben Sie keine bösen Leserbriefe mehr.
Next-Gen Romcom: Xbox und ich
Die Nachrichten: Das Manifest
Ich habe mich mal wieder für das Online-Magazin Das Manifest als Asienexperte aufgespielt. Hier die Ergebnisse:
20th Century Boys (Japan) King Naresuan – Der Herrscher von Siam (Thailand) Blood & Flowers – Der Wächter des Königs (Südkorea) Es sieht außerdem so aus, als wäre meine Berichterstattung zum Asia Filmfest 2009 jetzt fertig.