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Kurz: Kokuhaku
Hotltotl Overdrive
Aus gegebenem Anlass zitiere ich mich selbst aus meinem Eintrag von vorgestern (gleich hier hinter):
Ich werde gerne auf den Arm genommen und hinters Licht geführt, um dort aufs Kreuz gelegt zu werden. Da spürt man, dass man lebt. Es war wieder ein ganz herrliches Gefühl, das sollten Sie auch mal versuchen. Liebes Frl. Hegemann, bitte machen Sie sich rein gar nichts aus dieser Sache. Lassen Sie die Blogger kläffen, die tun nichts, die freuen sich nur, dass ihnen auch mal jemand zuhört, denn das geht vorbei. In Ihrem Alter habe ich auch vieles abgeschrieben, insbesondere Mathe und Bio. Und bei mir – so wurde mir versichert – ist dabei auch jedes Mal etwas ganz Eigenes, nie zuvor Dagewesenes entstanden. Ich biete an: Das nächste Buch einfach von mir abschreiben, ich bin da nicht so. Sind doch nur Worte. Besitz besitzt dich.Hozlplozl Reloaded
Prekär ist in Azathoth Roadrage zwar nichts und niemand, aber das Wort muss dennoch in jedem kulturjournalistischen Artikel mindestens einmal unübersehbar untergebracht werden. ‚Prekär‘ ist das neue ‚nachhaltig‘.
Ich selbst habe erst die ersten 53 Seiten gelesen, aber das sollte reichen, um ein Buch hochzuloben. Die meisten Menschen lesen ihr ganzes Leben keine 53 Seiten. Das mit dem Huhn und das mit den Küken fand ich gut, da wird der Rest nicht schlecht sein. Das Buch scheint angenehm plotlos (ein guter Roman braucht keine Geschichte), die Schreibe unverseucht von jeder Schreibkursdoktrin. Wenn ich mich irre, umso besser. Ich werde gerne auf den Arm genommen und hinters Licht geführt, um dort aufs Kreuz gelegt zu werden. Da spürt man, dass man lebt. Mehr am Herzen als das Loben dieses speziellen Buches liegt mir das Loben aller Bücher aller 17-jährigen Wunderkinder, frühere, gegenwärtige und zukünftige, überall in der Welt. Es wird so viel Gemeines über sie gesagt und geschrieben, aber das ist unangebracht. Sicher, es ist ein Kreuz mit den jungen Schreibenden: Wie alle Menschen vor ihnen sind sie der Meinung Sex, Drogen und Weltekel erfunden zu haben. Vor ihnen hat noch nie jemand sowas gemacht, und wenn doch, dann bestimmt nicht richtig, weil es ja noch gar nicht erfunden war. Es ist süßes Privileg der unbeschwerten Jugendzeit, sich für düsterer, abgründiger und durchgenudelter zu halten, als jemals jemand es gewesen ist und man selbst es jemals sein wird. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass bereits im 20. Jahrhundert und früher Drogen genommen wurden, Geschlechtsverkehr ohne primäre Fortpflanzungsabsicht praktiziert und an anderen Menschen verzweifelt wurde, kann jeder jugendliche Autor immer noch zuversichtlich sein, dass seine Gedanken zu diesen Sujets die profundesten sind, die jemals gedacht wurden und deshalb natürlich zu Papier gebracht werden müssen. Gott sei Dank werden sie das auch, denn Sex, Drogen und Weltekel sind vielleicht nicht die einzigen großen Themen der Literatur, aber sie gehören mit Sicherheit dazu. Ich für meinen Teil lese dazu lieber die Gedanken eines 17-jährigen Mädchens als die eines alten Lustgreises (aber freilich ist das nur die Meinung eines alten Lustgreises). Für meine und frühere Generationen wurden solche Entdeckerbücher traditionell von jungen Männern geschrieben, heute ist das Frauenarbeit. Kein deutsches, sondern ein internationales Phänomen. Japan hat Hitomi KaneharaJetzt mal im Ernst: Richard McGraw
Eigentlich hatte ich mir zur Regel gemacht, diesen Blog ausschließlich für Quatsch zu verwenden. Nicht für so etwas Ernsthaftes wie beispielsweise Produktempfehlungen. Weil ich aber seit neuestem ein Business Punk bin (ich breche Regeln), breche ich diese Regel heute und möchte drei Produkte ans Herz legen, und zwar das erste, zweite
und dritte
Album von Richard McGraw.
Lady Gaga und die vorauseilende Binnenmajuskel
Man weiß gar nicht, womit die bedingungslose AmourFou der Deutschen mit der Binnenmajuskel angefangen hat. War es das Frauen-I („StripperInnen“), das die taz eine verrückte Zeit lang praktizierte? Oder war es der iPod und sein dickes P? Fest steht: Die Binnenmajuskel hat im Gegensatz zu anderen Marotten der Jahrtausendwendezeit jede Rechtschreibkrise überlebt, während rechts und links von ihr die Moden so schnell fielen, wie sie gekommen waren. Kaum ein modern gemeintes Schlagwort wird heute noch mit einem vorgesetzten „e-“ versehen. Auch das kleine Anfangs-i, einen Sommer lang Pflicht bei jeder Produkteinführung, wird heute nur noch von Dings praktiziert. Niemand ersetzt mehr das „a“ im Firmennamen durchs Klammeräffchen oder hängt ein Domänenkürzel hinten an. All das ist vorbei, seit das Internet kaputt ist. Nur die Binnenmajuskel ist nicht totzukriegen. Ganz besonders beliebt ist sie in Deutschland, wo sogar vorsichtshalber Begriffe mit Binnenmajuskel geschrieben werden, deren Wortschöpfer das gar nicht vorgesehen hatte. Jüngstes und häufigstes Opfer: Lady Gaga. Ehe Sie komisch von mir denken: An Lady Gaga interessiert mich einzig und allein, wie man sie schreibt. Man schreibt sie ganz normal, so gaga ist die Dame nämlich gar nicht: vorne jeweils groß, dann durchgehend klein weiter. Wie deine Mudder. Nicht: GaGa. Bitte merken Sie sich das, liebe KollegInnen von der bunten Presse. Die Befolgung der korrekten Schreibweise eines Namens, der aus vier Buchstaben (und nur zwei unterschiedlichen) besteht, sollte auch von Ihnen nicht zu viel verlangt sein. In diesem speziellen Falle sollte es sogar zu Ihren Kernkompetenzen gehören.
Mercy merci
Ich möchte mich ganz herzlich für die vielen, größtenteils ungruseligen Geburtstagsglückwünsche bedanken. Auch für den Heiratsantrag, den ich allerdings in dieser Form nicht bearbeiten kann. Es fehlen noch einige Pflichtangaben (z. B. Geschlecht).
Endlich Halbzeit! (+/- p x Daumen)
Aus gegebenem Anlass: 40 Lieblingsfilme aus 40 Lieblingsjahren
1969: Ein Hauch von Zen (Taiwan)
1970: M*A*S*H (USA)
1971: Carnal Knowledge – Die Kunst zu lieben (USA)
1972: Der Pate (USA)
1973: Der Exorzist (USA)
1974: Das Kettensägenmassaker (USA)
1975: Angst über der Stadt (Frankreich, Italien)
1976: Taxi Driver (USA)
1977: Suspiria (Italien)
1978: Zombie (Italien, USA)
1979: Das Böse (USA)
1980: Wie ein wilder Stier (USA)
1981: Arthur – Kein Kind von Traurigkeit (USA)
1982: Basket Case (USA)
1983: Zelig (USA)
1984: Nightmare – Mörderische Träume (USA)
1985: Mishima – Ein Leben in vier Kapiteln (USA)
1986: Blue Velvet (USA)
1987: Near Dark (USA)
1988: Hellbound – Hellraiser II (Großbritannien)
1989: Tetsuo (Japan)
1990: M.A.R.K. 13 – Hardware (Großbritannien)
1991: Das Schweigen der Lämmer (USA)
1992: Lawinen über Tolzbad (Kanada)
1993: Manhattan Murder Mystery (USA)
1994: Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis (USA)
1995: Clueless – Was sonst! (USA)
1996: Der Hexenclub (USA)
1997: L.A. Confidential (USA)
1998: Happiness (USA)
1999: eXistenZ (Kanada, Großbritannien)
2000: Cecil B. – Echte Menschen, echter Terror. (Frankreich, USA)
2001: Donnie Darko (USA)
2002: Ju-On – The Grudge (Japan)
2003: Tokyo Godfathers (Japan)
2004: Kamikaze Girls (Japan)
2005: Princess Aurora (Südkorea)
2006: Saw III (USA)
2007: La antena (Argentinien)
2008: The Shonen Merikensack (Japan)
2009: Vengeance (Hongkong, Frankreich)
Okay, sind 41, klassischer Denkfehler der mathematisch Minderbemittelten. Aber Sie wissen schon, wie es gemeint ist.
Ja, hätte man in Jahrtausenden gerechnet auch kürzer fassen können, quasi Kettensägenmassaker und Kamikaze Girls, aber heute lassen Sie Opa bitte mal ausreden und tun interessiert.
Traurige Nachrichten vom Printmarkt
Ich muss mich entschuldigen, diese Nachricht ist eigentlich schon sowas von 14. Oktober, aber ich habe mich erst jetzt ein wenig sammeln können. Traurige Nachrichten sind im Zeitungs- und Zeitschriftensegment gewiss keine Seltenheit, aber diese hatte mich doch ein bisschen stärker aus der Bahn geworfen als die übliche Kunde vom Zeitungssterben. Ich fing ganz schlimm an zu weinen, als ich sie hörte, und konnte gar nicht mehr aufhören. Inzwischen geht es einigermaßen. Es kommt nur noch ein gelegentliches Schluchzen, und das Zittern ist soweit unter Kontrolle, dass ich wieder schreiben kann. Trauer teilt man am besten mit anderen, sonst geht man daran kaputt, ein Mensch ist keine Insel. Die traurige Nachricht, von der ich rede, heißt: Business Punk. Und am Donnerstag ist sie erschienen.
Für sowas hat Gruner + Jahr also Geld. Denen geht’s wohl zu gut, hört man ja immer wieder. Hartnäckig halten sich die Gerüchte, Business Punk wäre aus einem hausinternen Kreativ-Wettbewerb hervorgegangen, aber das ist bestimmt nur so ein gehässiger Branchenwitz. So wie sich Werber hin und wieder auch als ‚Kreative‘ bezeichnen und dabei still denken: Höhö.
Noch nie habe ich mich so geschämt, ein berufstätiger Mann zu sein. Dieses Heft bitte nicht in meinem Namen. Ich hoffe, liebe Leserinnen (Leser mitgemeint), Sie rechnen mir hoch an, dass ich meine Scham schön mollig in Winterkleidung gehüllt habe und durch Wind und Wetter zum nächsten Hugendubel gestiefelt bin, um mir ein eigenes Bild von dem Grauen zu machen und es mit Ihnen zu teilen. Selbstverständlich konnte ich Business Punk nicht einfach so auf die Theke knallen, was sollte die Verkäuferin denken. Deshalb habe ich noch die Jubiläumsausgabe von BUSENREPORT AKTUELL dazu genommen, um ein wenig vom peinlichen Teil des Einkaufs abzulenken. Es ergab sich folgender Plausch, der sich wirklich fast genau so zugetragen hat:
Verkäuferin (lacht): „Sie sind der Erste, der das bei mir kauft.“
Ich (erstaunt): „Wirklich? BUSENREPORT AKTUELL geht doch immer …“
„Nein, ich meine Business Punk.“
„Ach so, haha, naja, hoffentlich auch der Letzte.“
„Gibt ja eh nur eine Ausgabe.“
Ich gebe ihr taktlos meine Amazon-Kreditkarte.
Hugendubel-Verkäuferin (50% jovial-vorwurfsvoll, 50% echt-vorwurfsvoll): „Die nehm ich aber nur, weil Sie es sind!“
Ich (erschrocken): „Au, Scheibenkleister! Entschuldigen Sie, ich habe nicht mitgedacht! Warten Sie, ich habe einen Haufen anderer …“
„Lassen Sie mal, sonst überlegen Sie es sich noch anders.“ Der Zahlvorgang wird abgeschlossen. Sie sagt zum Abschied: „Dann wünsche ich gutes Gelingen.“
Ich (verwirrt): „Wie? Nein, das ist nur für die Recherche, ich bin nicht so einer.“
„Nein, ich meine BUSENREPORT AKTUELL.“
„Ach so, danke.“
Auf dem Cover von BUSE Business Punk ist Richard Branson mit herausgestreckter Zunge abgebildet, dazu das ihm zugeschriebene Zitat: „Ich breche Regeln[.]“ Dass Branson irgendwelche Regeln bricht, ist tatsächlich eine Topmeldung, denn eigentlich ist doch gerade er als ein besonders dröges Beispiel des modernen Standard-Business-Dödels bekannt (Hobbies: Geld verdienen, Jeans tragen, in irgendwas rumfliegen). Auf dem Cover von Business Punk bricht er aber wirklich eine Regel (immerhin). Nämlich die, dass man als erwachsener Mann niemals jemandem oder etwas die Zunge rausstrecken sollte, wenn man eine Regel brechen will. Die rausgestreckte Zunge gilt nämlich nur bis zu einem Alter von ca. 5 Jahren als regelbrechender Punkergestus. Erwachsene haben andere Ausdrucksmöglichkeiten, zum Beispiel Molotowcocktails. Die Zunge strecken allenfalls solche Erwachsenen raus, die sich für „auch ein bisschen verrückt“ halten, weil sie manchmal „auch total verrückte Sachen“ machen. Spießer, in einem Wort. Aber seit sich erholsamerweise nicht mehr jeder Spießer überall mit Schmuck durchsticht und es alle zwei Minuten zwanghaft herzeigen muss, bleibt auch in dieser Bevölkerungsschicht das Schleckwerkzeug meist in seiner Höhle. Ob Teufelskerl Branson noch mehr Regeln bricht, steht vielleicht im Interview, aber das lese ich einfach nicht. So geht nämlich Punk. Konsequente Verweigerungshaltung. Ich weiß das, denn Punk ist mein Business.
Anderen muss erst mal erklärt werden, wer oder was Punk ist. Das macht Business Punk im ‚Dossier Andersmachen‘. Dort erfährt man, dass Quentin Tarantino Punk ist, weil er keine eigenen Ideen hat, und Benedikt Taschen, weil er fünfmal pro Tag onanieren kann. Ein ideenloser Wich Onanist wäre also der Alpha-Business-Punk. Hat das bei der Covergestaltung eine Rolle gespielt?
Was ist sonst im Heft? Unsinnsthema Twitter, Unsinnsthema Facebook, Unsinnsthema Meeting-Hölle. Zu letzterem gibt es ein lustig aussehendes Ja/Nein-Spiel mit Feldern und Pfeilen. Hab ich angefangen zu spielen, dauerte aber länger als jedes meiner Meetings der letzten Woche und war weit weniger amüsant. Dann haben wir noch Interviews mit Menschen namens Shaun White (irgendwas mit Skateboard), Oliver Kahn (wohl ein Fußballer) und Dings (CEO von Bums, wenn ich mir das richtig gemerkt habe). Und kann man überhaupt genügend selbstgerechten Zorn aufbringen, wie es nötig wäre, um sich angemessen über eine Story aufzuregen, die auf der Titelseite als ‚Sexy Sekretärin – Die Versuchung im Vorzimmer‘ angepriesen wird, und die im Heft ‚Zur Sache, Kätzchen‘ heißt, weil ‚Schätzchen‘ wohl nicht sexistisch genug war? Nein, kann man nicht, sonst motzt nur wieder der Stammtisch der Verwesenden über die böse ‚political correctness‘ (Stammtisch-Fachausdruck, normale Menschen sagen: Anstand). So geht man auch über das beigeklebte Gimmick mit unangebrachtem Großmut hinweg: Ein Türhänger mit den Worten „Komme gleich!“ und der Silhouette einer vermutlich nackt gemeinten Frau in James-Bond-Vorspann-Maßen. Man ärgert sich nicht, man wärmt sich nur am Gedanken: Wenn morgen die Sonne aufgeht, werde ich immer noch da sein. Business Punk aber nicht.
Trotzdem: Mir ist unbegreiflich, wie so ein Magazin überhaupt passieren konnte, und das gerade jetzt. Wofür haben wir denn die Krise? Wer macht sowas? Gut, es stehen Namen im Impressum, aber das können ja nur Decknamen sein. Ist hier die reine Verzweiflung die Antriebsfeder? Hat man wirklich nicht gewusst, dass ein Leben unterhalb der Armutsgrenze weit mehr Würde hat als eines als Mitarbeiter eines Magazins namens Business Punk? Hat mal wieder keiner von was gewusst? Ist es wieder soweit in Deutschland? Oder bin ich zu empfindlich, und Deutschland bekommt bloß die Zeitschriften, die es verdient?
Ja, könnte sein. Denn am gleichen Tag wie Business Punk sind zwei weitere neue Frauenzeitschriften für Männer erschienen: Gala Men (Topthemen: Brad Pitt und der Penis) und BEEF! (Topthemen: der Papst und Kochen mit Eiern). Der Tag war eh verloren, da habe ich mir die beiden auch noch gekauft. Erwartungsgemäß sind die Magazine für sich nichts als sinnloses Waldsterben, aber im Vergleich zu Business Punk sind sie künstlerisch, literarisch und konzeptionell von erlesenstem Niveau. Man könnte fast sagen: Punk. Aber nur fast, und nur man. Ich nicht.
Ich habe gewählt
Zweimal Zitrone, einmal Stracciatella.