Happy Hunni!

Hey, Kids – ich sag euch, was abgeht! Zieht euch das rein: In diesem Jahr hätte Marshall McLuhan 100. Geburtstag, würde er noch leben! Nein, nicht der Regisseur von Strictly Ballroom, sondern der mit „Das Medium ist die Botschaft“ und der mechanischen Braut und so, heißer Scheiß, krasse Sachen. Der crazy Alte aus dem Movie von Woody Allen, dem Regisseur von Scarlett Johansson.

Der Typ, der schon im Internet war, als Internet noch Fernsehen hieß.

Was soll man über den noch schreiben, es ist doch alles schon geschrieben? Bleibt nur zu sagen: Happy B-day, McLulli, alte Socke!

(Tausche) Kitty gegen Karl

Während meines jüngsten begleiteten Paris-Aufenthalts wurde mir unter Androhung von Liebesentzug verboten, weitere Hello-Kitty-Produkte zu kaufen. Es war aber in der Stadt der Lichter nicht weiter schwierig, das Feuer einer neuen Sammelleidenschaft zu entfachen. Gerade war die limitierte Kollektion von Cola-Light-Flaschen erschienen, die Karl Lagerfeld gestaltet hatte, und die es nur in ein paar Läden in Paris zu kaufen gibt.

Der Unterschied zwischen Hello Kitty und Karl Lagerfeld ist, dass Hello Kitty keinen Mund hat. Ansonsten sind die beiden kaum voneinander zu unterscheiden: Sie sind Stilikonen, und man muss sie einfach liebhaben.

Zwei der drei Flaschen waren leicht zu bekommen, die mit den Punkten und die mit den Streifen:

Aber die mit den Sternen war nirgends aufzutreiben! Quel dommage!

Bitte schauen Sie kurz hier: Haben Sie diese Flasche schon einmal gesehen? (Rechts im Bild, Attrappe)

Wenn sich diese Flasche bei Ihnen zu Hause befindet, oder falls Sie sie beschaffen können – ich hätte großes Interesse! Es soll Ihr Schaden auch nicht sein. Ich biete im Tausch diesen praktischen und formschönen Hello-Kitty-Handventilator, den ich aus einem französischen Kaufhaus schmuggeln konnte, als meine Begleitung durch die riesige Auswahl an Käsepieksern abgelenkt war:

Laut meinen Recherchen ist dieses Gerät in Deutschland nicht offiziell im Handel! Und der Kaufpreis lag deutlich über dem der Lagerfeld-Flasche. Sie machen ein Hammergeschäft. Bitte schreiben Sie an [veraltete E-Mail-Adresse entfernt]. Nur ernst gemeinte Zuschriften mit Bild.

Update 23. Juni (Fronleichnam)

Mit großem Erschrecken stelle ich fest, dass es die Flaschen inzwischen auch in Deutschland zu kaufen gibt. Et tu, Karl. Der Deal ist geplatzt, das ganze Ding ist abgeblasen, ich behalte den Ventilator selbst, er soll mir ein Fächer sein. Kann ich in dieser drückenden Sommerhitze dringend brauchen.

Neue Auflage, neue Termine, neue Texte

Soeben ist die vierte Auflage meines Buches Gebrauchsanweisung für Japan erschienen.

Durchgabetermin für Aktualisierungen war Montag, der 7. März. Ich hielt das Gemauschel im Sumo und das Gezanke mit China um eine kleine Insel für die allerwichtigsten Japan-Nachrichten, die unbedingt noch rein mussten.

Das sah Ende der Woche ganz anders aus. Aber da war es zu spät.

Sei es drum: Ein Buch ist kein Nachrichtenmedium. Nach wie vor gilt: Japan ist viel mehr als bloß Katastrophe.

Sie können sich demnächst auch wieder aus dem Buch vorlesen lassen, es gibt zwei neue Termine auf der Termine-Seite meiner Website. Bei beiden Veranstaltungen ist der Eintritt frei, Sie können dort aber hemmungslos für die Japan-Hilfe spenden. Beim Bremer Termin werde ich selbst nicht anwesend sein, dafür liest mit Christine Bongartz jemand, der das tatsächlich kann. Ich freue mich sehr, dass am Klavier dann wieder die bezaubernde und begabte Naoko Marutani sitzt.

Selbst lesen können Sie ein paar neue Film- und Buchbesprechungen andernorts im Internet:

Film

And Soon The Darkness

The Informers

Uncle Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben

Buch

Paolo Bacigalupi: Biokrieg

Michel Houellebecq: Karte und Gebiet

Kindlen Sie sich einen!

Soeben stelle ich fest, dass mein Buch Gebrauchsanweisung für Japan klammheimlich auch für den Kindle erschienen ist, das beste und nützlichste Gerät der Welt, neben dem Hello-Kitty-Luftbefeuchter.

Und ich möchte jetzt nicht wieder dieses kunstfeindliche und kleinkrämerische Gejammer hören, dass es unfair sei, dass digitale Bücher genauso teuer sind wie gedruckte (okay, in meinem Falle sogar etwas teurer), obwohl man viel weniger in der Hand hat. Ja, wo leben wir denn eigentlich?! Wird Literatur und Lesevergnügen jetzt nach Pfund bemessen?!

Falls ich Sie mit wüsten Beschimpfungen nicht überzeugen kann, kaufen Sie bitte die gedruckte Ausgabe, das stört mich nicht.

Sollten Sie den Kindle zu grau finden, können Sie ihn übrigens mit wenigen Handgriffen individuell verschönern, so wie dieser wunderliche alte Kauz sympathische junge Herr:

Ach, so Sie es nicht bemerkt haben (oder es bemerkt haben und sich nun doch sehr wundern): Ich habe jüngst ohne großes Trara die Partnershops auf dieser und verwandten Seiten geschlossen, weil die Almosensammelei gegen meine Menschenwürde ging. Es ist ja nicht wie bei armen Leuten. Geben Sie aber bitte weiterhin viel Geld aus, irgendwer wird es schon zu schätzen wissen.

Adam and one and a half Ants: Winning!

Ich nutze Flugreisen vor allem dazu, mir auf Flughäfen stapelweise Zeitschriften zu kaufen, die ich dann doch nicht lese. Aber bei dieser wusste ich sofort, dass ich eine Ausnahme machen würde:

Adam Ant auf dem Cover einer Musikzeitschrift? Eigentlich eine Selbstverständlichkeit! Zirka 1981.

Die Älteren hier kennen Adam Ant als „den ersten coolen Typen in der Popmusik, der Make-up trug.“ Das sagte einmal sinngemäß irgendeine behauptete Autorität. Und das stimmt natürlich, solange man David Bowie, Marc Bolan und knapp 10.000 andere mal außer Acht lässt. Die Jüngeren kennen Adam Ant, wenn überhaupt, als den Charlie Sheen der britischen Popmusik: Kein Job, aber große Klappe, gut dokumentierte Krankheitsgeschichte und gelegentliche Live-Auftritte in Begleitung zweier Göttinnen. Seit längerem ist die Rede von einem neuen Album mit dem unverrückten Titel Adam Ant Is the Blueblack Hussar in Marrying the Gunner’s Daughter, was nun fertig ist und bald (ca. 2012) erscheinen soll, nach der aktuellen World Tour of London.

Adam Ant ist wie Star Wars: Man tut so, als wäre es einem inzwischen piepegal, aber liest heimlich doch jede Meldung. Es ist verständlich: Als ich zum ersten Mal „Stand and Deliver“ hörte, hatte es mein Leben verändert. Ich wusste, dass ich fortan meine eigenen Platten kaufen würde (müssen). Noch heute werde ich ganz aufgeregt, wenn morgens das Posthorn geht. Es wurmt mich nachwievor, dass ich den Adam-Ant-Bravo-Starschnitt zwar fast komplett, den linken Bauch aber verpasst hatte.

Mit gereiften Ohren und weitergedrehtem Erdenrund hört man, dass im Ant-Oeuvre viel Unsinn ist, aber überraschend vieles hat weiterhin einen Reiz, der über niedere Nostalgie hinausgeht, ist so originell, energetisch und relevant wie eh und je. Manches versteht man als schuldiger Erwachsener sogar besser denn als unschuldiger Hosenmatz.

Im vorliegenden Interview gibt Adam Ant sich so, wie wir ihn in letzter Zeit kennen und zu nehmen gelernt haben. Er flucht und raucht viel, spricht von fast fertigen neuen Großtaten, kündigt neben dem Album eine Ants-Reunion mit Terry Lee Miall und Kevin Mooney fürs kommende Jahr an und behauptet vieles, weil das Interview lang ist. Zum Beispiel, dass er die Ants nur aus väterlichem Instinkt aufgelöst habe, um die Mitglieder vor sich selbst zu schützen, und dass er den Cooler-Pirat-Look erfunden hätte, den Johnny Depp geklaut hat. Nein, Adam, den haben Piraten-Filme erfunden. Und Johnny Depp läuft nur in einem solchen so rum. Außerdem sagt Ant: „Die Definition von Bipolarer Störung ist promiskuitiven Geschlechtsverkehr zu haben, sich ungewöhnlich anzuziehen und zu verhalten.“ Nein, Adam. Ich bin zwar kein Mediziner, aber ich glaube nicht, dass das die Definition ist. Aber was weiß ich. Ich bin nur ich, und Adam ist ein „Warrior“ (Unterschied zum Warlock: Kann schwere Waffen und Rüstungen tragen, hat aber keine magischen Fertigkeiten).

Recht hat Ant freilich, wenn er behauptet, der einzige lebende authentische Punk-Rocker zu sein. Dafür stehen schon die Aussagen, mit denen er unrecht hat. Das Interview macht Lust auf mehr authentischen Punk-Rock for Antpeople, und ich hoffe aufrichtig, dass Adam Ant Is the Blueblack Hussar in Marrying the Gunner’s Daughter ein großer Wurf wird. Wenn nicht: Auch nicht schlimm, das Leben ist weitergegangen.

Dass das Magazin Vive Le Rock so heißt wie das (bislang) beste Album Adam Ants, ist erklärtermaßen kein Zufall. Dass also auf das Ant-Interview ein Artikel über The Wolfmen folgt, das neue Projekt der ehemaligen Ant-Wegbegleiter Chris Constantinou und Marco Pirroni, ist nicht weiter verdächtig. Aber je weiter ich blätterte, desto mulmiger wurde es mir. Da kam ein (aktuelles) Interview mit New Model Army, die Kritik eines (kürzlichen) Konzerts von Spear of Destiny, und im Anzeigenteil wurden (anstehende) Auftritte von The Levellers und Sigue Sigue Sputnik annonciert. Panisch schlug ich das Heft zu und lebte wieder in der richtigen Gegenwart. Aber jetzt weiß ich: Paralleluniversen sind kein Science-Fiction-Schnickschnack. Was ist wohl in der Dimension von Vive Le Rock geschehen, das den Lauf der Geschichte dort derartig verändert hat?

Nena, Blümchen, Miyavi, meine Güte wie die Zeit vergeht (oder eben nicht)

Es ist schon eine Weile her, dass ich zum letzten Mal bei einem Konzert war, bei dem vorne Teenager kreischen und Ärmchen in die Luft recken, während hinten der erziehungsberechtigte Fahrdienst wartet und milde lächelt. Über eine Woche ist das schon her. Da war nämlich das Konzert von Miyavi, einem jungen japanischen Gitarrengott, wenn auch kein Songwritergott, der in Japan in erster Linie dafür bekannt ist, dass er im Ausland bekannt ist.

So fürchterlich bekannt scheint er im Ausland auch nicht zu sein, der mittelkleine Münchner Austragungsort war mit etwas gutem Willen gerade mal zu einem Drittel gefüllt. Rein akustisch war davon aber nichts zu merken, der harte Kern machte einen Krach wie ausverkauft und überbucht. Miyavi selbst war auch nicht leise, aber es war doch das Gekreisch der Anerkennung und Wertschätzung, das noch außerhalb der Halle in einigen hundert Metern Entfernung gut zu hören war, und mich nach langem Herumirren aufgrund altersbedingter Orientierungslosigkeit doch noch mit leichter Verspätung zum Konzert finden ließ, das offenbar mit löblicher japanischer Pünktlichkeit begonnen hatte.

Dass man mich hier als zahlenden Konzertbesucher aus freien Stücken und ohne minderjährige Begleitung nicht für voll nahm, machte man mir bereits beim Einlass unmissverständlich klar. Niemand wollte meine Karte sehen. Aber ich bestand erstens auf Kontrolle der Eintrittskarte, zweitens auf Durchsuchung meiner Herrenhandtasche. Auch alte Menschen haben ein Recht auf Schikane! Nur weil wir nicht mehr so glänzendes Haupthaar haben wie Miyavi gehören wir längst nicht aufs gesellschaftliche Abstellgleis!

Billige Spötter könnten anmerken, dass das Konzert nicht nur wegen der hysterischen Stimmung voller als tatsächlich wirkte, sondern dass die Größe von Miyavis Ego ebenfalls nicht wenig Raum einnahm. Dazu sage ich in spöttischem Tonfall: „Was?! Ein Rockstar mit einem gesunden Selbstbewusstsein?! Was fällt dem ein! Der bringt noch die ganze Rockmusik in Verruf!“

Miyavi beherrscht die einstudierte Mischung aus großen Gesten und Tuchfühlung, die ich von einem Rockstar erwarte. Rockmusik ist in erster Linie Unterhaltungs- und Dienstleistungsgewerbe, die Revolution ist spätestens seit Elvis‘ erster Goldenen Schallplatte vorbei (1956, für 1.000.000 mal ‚Don’t Be Cruel‘, heute braucht’s weniger), allerspätestens seit ‚Muss i denn zum Städele hinaus‘ (1960). Nichts ist furchtbarer als sauertöpfische Authentizitätsrocker, die meinen, sie müssen so vor ihr Publikum treten, wie sie sich gerade fühlen, in der Annahme, sie spielten die Musik für sich und nicht für die zahlenden Gäste. Nein, sie müssen sich gefälligst zusammenreißen und ihre Arbeit machen, und zwar mitreißend und gut, sonst gehe ich das nächste Mal zu jemand anders. Ein Anlageberater sagt sich ja hoffentlich auch nicht: „So, heute ist mir eine Laus über die Leber gelaufen, da gebe ich aus Authentizitätsgründen mal eine schlechte Anlageberatung. Rock’n’Roll!“

Miyavi liebt sein Publikum aufrichtig. In dem Sinne, dass er es aufrichtig liebt, Publikum zu haben. So muss das sein, da erwidere ich die Liebe gerne. Natürlich nicht in erster Reihe, sondern hinten mit den Eltern. Also, nicht mit meinen Eltern. Aber ich denke sogleich an sie, denn sie standen auf ganz ähnlichen Plätzen vor vielen Jahren, während ich vorne zu Nena oder Extrabreit voll abmoshte. Drolliges Detail am Rande des Geschehens: Heute werden der ehrenwerte Extrabreit-Sänger Kai Havaii und ich in literarischen Belangen von derselben Agentur vertreten. Das hätte ich mir damals, als kleines Mädchen aus der Vorstadt mit einem Nasenring aus Phosphor, auch nicht träumen lassen.

Ich erinnere mich gerne an die Konzerte von vor 20 Jahren und an das von letzter Woche (an letzteres etwas besser, noch). Andere haben auch schöne Erinnerungen. Mein liebster Youtube-Kommentar zum Miyavi-Konzert:

…. außerdem hab ich seine spucke in den mund bekommen^^….

Da zeigt sich, dass junge Menschen gar nicht so verzogen sind, wie vielfach angenommen wird. Auch mit kleinen Dingen kann man ihnen eine Freude machen.

Zwischen meiner eigenen Ärmchen-reck-Phase und dem Miyavi-Konzert war wohl das einzige ähnliche Ereignis, dem ich beiwohnte, ein Blümchen-Konzert in den Neunziger Jahren, das ich mit journalistischem Auftrag besuchte. Ich kam als blasierter Gästelistenschnorrer, ich ging als stolzer und glücklicher Besitzer einer selbst bezahlten ‚Blümchen‘-Wollmütze. Auftritt und Privataudienz hatten mich restlos von Fräulein Blümchens Qualitäten als Mensch und Entertainer überzeugt. Ich hoffe dennoch, dass Blümchen, die heute unter dem Pseudonym Jasmin Wagner schauspielert, mit einem Comeback noch mindestens bis 40 wartet, um es für alle interessanter zu machen. Ich würde jedenfalls kommen, mit meiner Mütze. Ich habe sie noch irgendwo, finde sie aber gerade nicht, weil ich kürzlich aufgeräumt habe. Dies hingegen habe ich natürlich immer griffbereit:

(Warum dort „Für Blohm & Voss“ steht, ist eine lange Geschichte, deren Erzählung auf unbestimmte Zeit verschoben werden muss.)

Eines verbindet Blümchen und Miyavi über die unübersehbare äußerliche Ähnlichkeit hinaus: Es macht Spaß ihnen dabei zuzusehen und zuzuhören, wie sie auf der Bühne das tun, was sie am besten können. Bei Miyavi ist das Gitarrespielen, bei Blümchen habe ich vergessen, aber da war etwas. Miyavi ist ein so exzellenter Gitarrist, dass es nicht weiter stört, dass seine Songs kompositorisch und lyrisch Quatsch sind. Entscheidend ist, wie es hinten rauskommt. Der Ton macht die Musik. Ich würde jederzeit wieder zu einem seiner Konzerte gehen. Ob ich mir je wieder eines seiner Alben besorgen würde, würde ich mir zweimal überlegen, und es dann wahrscheinlich doch tun, wie ich mich kenne.

Eine Mütze habe ich mir diesmal nicht gekauft, aber ein T-Shirt. Freilich trage ich es nur beim Sport, also fast nie. Mein gespanntes Verhältnis zu beschrifteter Bekleidung thematisierte ich bereits in meinem Aufsatz Judas rennt über meine spät erblühte Liebe zum Dauerlauf. Weil zitieren einfacher ist als neu formulieren:

Für obenrum habe ich beschlossen, meine alten Bandshirts aufzutragen. Obwohl das eigentlich hochgradig inkonsequent ist. Ich habe mir im Alltag nicht viele modische Regeln auferlegt, ganz bestimmt nicht. Vielleicht im mittleren zweistelligen Bereich, würde ich sagen, konservativ geschätzt, um mal eine Hausnummer zu nennen. Und bei den meisten lasse ich auch mal Fünfe gerade sein, wenn gerade keiner guckt. Aber bei allem Laissez-faire, zwei Bekleidungsregeln erlauben keinen Interpretationsspielraum und müssen unbedingt in jeder Situation befolgt werden, auch beim Sport und auf dem Sterbebett:

  • 1. Männer über 12 tragen keine kurzen Hosen.
  • 2. Männer über 22 gehen nicht beschriftet aus dem Haus.

Für den Sterbebettfall muss man zwar nicht zwangsläufig aus dem Haus gehen, aber Sie wissen schon, wie es gemeint ist. Wie ein Cowboy bevorzugt in seinen Stiefeln stirbt, möchte ich gerne in langer Hose entschlummern, sobald es an der Zeit ist. Und nach Möglichkeit nicht in einem T-Shirt, auf dem steht: New Model Army 51st State Tour 1987.

(Zitat Ende. Zitiert nach mir selbst, da kann mir keiner was.)

***

Erstaunlich, wie schnell man Kreisch-Konzert-Verhältnisse trotz langer Abstinenz wieder als Normalzustand wahrnimmt. Anfangs dachte ich noch mit leicht distanzierter Elternmeinung: Wenn dieser Miyavi zwischen den Songs auf die Gitarre boxt, kreischen dann alle, weil sie daran wirklich erkennen, welches das nächste Lied ist, oder kreischen die bloß, weil er auf die Gitarre geboxt hat? Aber bald war mir wieder eingefallen, dass das egal ist.

Ein paar Tage später besuchte ich das Münchner Konzert von Anna Calvi, bei dem Anna Calvi erwartungsgemäß die Jüngste war. Es ist nicht bedeutungslos, dass mir das Calvi-Album als große, schwarze Kunststoffschallplatte vorliegt, das von Miyavi als ungreifbarer Download. Das Konzert war gut, die Stimmung auch, dann geschah das Unfassbare: Frau Calvi trank einen Schluck Wasser (direkt aus der Flasche, so sind die jungen wilden Dinger), und irgendwas fehlte. Da fiel es mir ein: Wieso kreischt denn keiner?! Sie hat doch einen Schluck Wasser getrunken! Und da wiederum fiel mir ein: Ach ja, ich bin hier ja der einzige Teenie.

Meiner strikten Ablehnung der Hobbyfilmerei bei Konzerten habe ich gut versteckt in einem überlangen früheren Beitrag Luft gemacht. Weil wir Menschen vom Planeten Erde aber so wunderbar widersprüchliche Naturen sind, habe ich kein Problem damit, hier die Hobbyfilmerei eines anderen zu klauen:

P.S.: Ich wollte es eigentlich geschmeidig in den Text einfließen lassen, aber man wird vergesslich mit dem Alter: Ich danke sehr herzlich der Leserin, die mich auf die Miyavi-Tour überhaupt erst aufmerksam gemacht hat. Sie weiß, wer sie ist, wenn sie noch nicht so vergesslich ist, wie ich es bin. Und ich wünsche weiterhin alles erdenkliche Gute.

Who put the H in daijoubu?

Es geht in der Welt weitaus Gewichtigeres schief, aber es ist mir dennoch ein Anliegen: Womöglich haben Sie meinen Essay Das Lächeln hinterm Mundschutz im Japan-Extraheft gelesen, das der Ausgabe 11/12 des Focus beilag, und sich gewundert, dass der Begriff ‚daijoubu‘ darin durchgehend mit einem Fantasie-H zu ‚dahijoubu‘ gemacht wird. Nicht? Ach so. Ich hab mich schon gewundert. Man soll nicht mit dem Finger auf Menschen zeigen, deshalb halte ich meine Handflächen nur abwehrend vor den Körper und sage mit Shaggy: It wasn’t me! In meinem Originalmanuskript findet sich nur die korrekte romanische Schreibweise.

Aber ist in Ordnung.

An anderer Stelle gibt es ein paar neue Filmbesprechungen:

Bad Blood – Fight Without Mercy

City of Life and Death

I Saw the Devil

Kite – Angel of Revenge

Voyage of the Rock Aliens

Aktualisierung 23. 4.: auch das noch

Barfuß durch die Hölle

Crossfire

Fighting Beat 2

Higanjima – Insel der Vampire

Ip Man Zero

Macabre

Japan jetzt erst recht: Ohne mich geht mein Yen nirgendwo hin (oder: Ich hab noch Guthaben auf meiner Pasmo)

Seit meiner letzten Rückkehr aus Japan im Dezember habe ich 9000 Yen in meinem Portemonnaie. Ich hatte sie zunächst aus reiner Zerstreutheit nicht zurückgetauscht, später dachte ich mir: Ich lass die jetzt so, das nächste Mal kommt bestimmt.

Und das tut es auch. Jetzt erst recht. Lieber morgen als übermorgen, wenn es nach mir ginge. Japan ist stärker als die Katastrophe. Das Beste, was mir im Leben widerfahren ist, ist mir in Japan widerfahren, und das Beste davon in Tokio. Ich bin viel zu selbstsüchtig, um dieses Kapitel abzuschließen, und viel zu bequem, mir eine neue Passion zu suchen. Ich bin noch nicht fertig mit Japan und den Japanern, und ganz bestimmt nicht mit Tokio. Das ist das, woran ich jedes Mal denke, wenn ich jetzt irgendwo zur Kasse gebeten werde und die Yen in meiner Brieftasche sehe. Die bleiben da, wo sie sind, bis ich sie in ihrer natürlichen Umgebung aussetzen kann, wo sie mit anderen ihrer Art spielen und sich vermehren können.

Wo werde ich sie auf den Kopf hauen? Ich muss nicht lange nach Möglichkeiten suchen. Wie jeder Mensch (oder Mann?) räume ich in meinem Portemonnaie nur alle drei Schaltjahre auf, und so finde ich dort bei jeder Fahrkartenkontrolle durch den Münchner Verkehrs- und Tarifverbund als erstes meine japanische Tower-Records-Treuekarte.

Ich werde meinen Treueeid auf jeden Fall vor dem vorläufigen Verfallsdatum Ende des Jahres erneuern.

Oder verprasse ich die Yen doch lieber beim Schnick-Schnack-Schnuck mit fremden Mädchen, obwohl das seinerzeit als einmaliges Experiment gedacht war?

Gerne würde ich auch noch ein paar Hemden zu der sympathischen Dame in Sangenjaya bringen, an die ich das Waschen und Bügeln outgesourcet hatte, als ich in der Gegend wohnte. Es ist nicht so, dass ich unbedingt meine Reinigungsrabattstempelkarte vollbekommen müsste. Wichtiger wäre mir die Gewissheit, dass es der Dame und ihrem angenehm duftenden Geschäft gut geht.

Den vorvergangenen Freitag verbrachte ich verpackt in die Watte aus Schock und egoistischer Erleichterung, dass mein unmittelbarer Freundes- und Bekanntenkreis mit ein paar heruntergefallenen Bildern und zerbrochenen Spiegeln davongekommen war. Inzwischen hat freilich die Erkenntnis eingesetzt, dass der Schrecken noch nicht vorbei ist, und dass auch jenseits des eigenen Tellerrandes Menschen (hoffentlich) leben.

Viele, sehr viele solcher Menschen überholten mich regelmäßig, wenn ich dauerlaufend meine Runden um den Kaiserpalast in Tokio zog. Den einen oder anderen Menschen überholte ich selbst, aber viele waren es nicht, und vielleicht waren das doch eher Spaziergänger als Jogger. Wie dem auch sei, ich hoffe, dass wir uns noch häufiger überholen und überholen lassen werden. Nicht umsonst habe ich immer meine Besucherkarte der Runsta (Runner Station) nahe des Palastes dabei, wo man sich umziehen, duschen und widerliche Promo-Getränke hinter die Binde kippen kann. Die Stempelei wird weitergehen. Bis ich meinen Gratis-Besuch zusammenhabe.

Da habe ich mir ja viel vorgenommen. Und wie komme ich da überall hin? Kein Problem, es ist noch Geld auf meiner Pasmo-Geldkarte für Bus und Bahn und mehr. Das lasse ich nicht verkommen, so bin ich nicht erzogen.

Wo es hier um Dinge geht, die weitaus mehr Wert haben als ihren materiellen, fällt mir abschließend noch diese Episode ein: Gestern lief mir ganz plötzlich und ganz schlimm auf offener Straße die Nase. Ich durchtastete alle Taschen meiner Kleider, aber ich hatte keine Taschentücher hineingesteckt. Es war auch kein Laden in der Nähe, und kein Gegenstand, der sich zweckentfremden ließe. In lauter Verzweiflung warf ich einen Blick in meine Herrenhandtasche, obwohl ich wusste, dass der vergeblich sein muss, denn ich bringe darin niemals Taschentücher unter. Eigentlich. Aber uneigentlich fand ich:

Eine japanische Freundin hatte sie mir vor ein paar Wochen als Ironie-Omiyage dagelassen, als sie auf Deutschlanddurchreise war. Sie hatte gesagt: „Das sind die besten Taschentücher der Welt!“

Und das sind sie auch.

P.S. und ähem: Es sind noch Bücher da

Ich will nicht angeben, aber dieser Blog hat viele Leser, ich prüfe das. Die sind nur etwas schüchtern. Das ist überhaupt nicht schlimm, ich finde das attraktiv. Dennoch sollten Sie über Ihren Schatten springen, und sich den Beitrag, der gleich hinter diesem kommt, zu Gemüte führen und entsprechend handeln. Das eine oder andere Buch ist noch da. Vielen Dank an dieser Stelle denen, die schon mitgemacht haben. Waren alles Mädchen Damen, hihihi. Was ist los, Männer?

Geld gespendet, Buch geschenkt

Hier liegen noch 16 unangetastete Exemplare der vergriffenen ersten Auflage der Gebrauchsanweisung für Japan herum. Solange dieser Vorrat reicht, bekommt jeder eine handdekorierte Ausgabe geschenkt, der den Ladenpreis von 14,95 Euro oder mehr einer seriösen Organisation spendet, die Opfern von Naturkatastrophen in aller Welt hilft, zum Beispiel dem Deutschen Roten Kreuz. Die Spende muss nicht explizit für die Erdbeben- und Tsunami-Opfer in Japan sein, zumal momentan noch unklar ist, ob Japan internationale Hilfe anfordern wird. Wenn die Bücher weg sind, sind sie weg. Aber Ihre Spende bereuen Sie hoffentlich trotzdem nicht. Bitte schicken Sie einen Beleg für die Spende (z. B. einen Scan der Quittung oder einen aussagekräftigen Auszug aus der Bestätigungsmail der bedachten Organisation) und Ihre Postanschrift an chef@shakira-kurosawa.com.

Bitte erwarten Sie keinen Expressversand, ich muss noch neue Sticker kaufen. Auf Wunsch signiere ich Ihr Exemplar, aber ich möchte mich nicht aufdrängen.

Und wenn Sie gar kein Buch wollen, spenden Sie bitte trotzdem.

Hier spricht Doktor Horror!

Im Licht der jüngsten Ereignisse habe ich den Entschluss gefasst, meinen abgelegten Doktortitel bis auf Weiteres wieder zu führen. Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens seit dem Abendbrot.

Ist mir nämlich jetzt erst eingefallen: Ich brauch mir gar keinen Titel zu kaufen, ich hatte mir ja schon mal selbst einen ausgedacht! Bevor ich mit diesem seriösen und einflussreichen Polit-Blog begann, führte ich einen anderen Blog namens Doktor Horror, eine recht monothematische Angelegenheit zu meinem liebsten Steckenpferd, der Horrorunterhaltung, der zweitschönsten Nebensache der Welt nach Waldmeisterbrause. Wegen Burnout und Launenhaftigkeit legte ich den Titel eines Tages ab und löschte den Blog. Mir war auch das alberne Profilbild inzwischen ein wenig peinlich:

Sowas würde ich heute nicht mehr ins Internet stellen. Ich laufe auch nicht mehr so rum, denn ich will mich integrationsfähig zeigen und die Leitkultur nicht gefährden.

Aber meinen völlig aus der Luft gegriffenen Doktortitel, den führe ich jetzt gerne wieder. Denn ich habe gelernt: Berufliche Konsequenzen hin oder her – die breite Masse liebt Scharlatane und Betrüger. Warm werden sie umarmt und bepustet, wo es weh tut. Ins Ohr wird ihnen gesäuselt, dass gar nicht sie die Verbrecher sind, sondern all die anderen, die Intellelle … die Interle … die Inta … diese Oberschlaumeier!, die immer zwanghaft in jedem Verbrechen gleich ein Verbrechen sehen müssen. Ich habe mal durchgezählt: Die breite Masse, das sind ganz schön viele! Millionen! Ich möchte auch von Millionen umarmt, getröstet und verstanden werden, wenn ich mal beim Lügen und Betrügen erwischt werde.

Die Wiederannahme meines Doktortitels ist mit meiner Doktormutter abgesprochen (wir haben uns im Internet kennengelernt).

Bevor Sie mutmaßen: Ja, ich bin auf Droge! Auf einer Droge namens Doktor Horror! Ahahaha!

(Zu viel? Falls Sie sich nun Sorgen machen oder sowas auch haben wollen: Es gibt gar keine Droge namens Doktor Horror, das war nur eine clevere popkulturelle Anspielung, wie wir Blogger sie gerne innerhalb der Blogosphäre machen. Gäbe es diese Droge aber, dürfte nur ich sie nehmen, denn bei Ihnen würde sie zu ähnlich starken Nebenwirkungen führen wie die Droge namens Charlie Sheen. Denken Sie auch an Ihre Kinder.)

Bonus-Feature: Making of Doktor Horror

In einem Koffer auf einem Dachboden in Argentinien wurde noch ein altes, verworfenes Konzept zur Doktor-Horror-Alter-Ego-Visualisierung gefunden:

Da hatte ich mir gedacht: Kann ja keiner erkennen! Hatte ich auch recht gehabt.