Viele schöne Dinge geschehen jeden Tag, doch manchmal muss ich seufzen. In letzter Zeit hat das häufig mit Krimis zu tun. Wenn sich hoch angesehene Gelegenheitskrimiautorinnen vom Genre distanzieren („War alles nur Spaß!“ – Isabel Allende). Wenn hoch angesehene Vollzeitliteraturkritikerinnen das Genre für nicht ganz vollliterarisch nehmen („Man muss einfach die Latte ein bisschen tiefer hängen – mein Gott, es ist ein Krimi!“ – Iris Radisch). Wenn Katzenkrimiautoren und -autorinnen im Verein ausflippen (Sie wissen schon). Ich muss seufzen, weil es so anstrengend ist. Es ist so anstrengend, immer wieder dasselbe zu erklären. Immer wieder das zu erklären, was erkenntnismäßig banal weil selbstverständlich sein sollte. Zu erklären, dass Literatur Literatur ist, egal ob sie Polizisten, Astronauten, Kriegsflüchtlinge, Reedereifamilien oder Content Manager als Protagonisten hat. Zu erklären, was dabei die Aufgabe von Literaturkritik ist. Zu erklären, dass Scheiße stinkt. (Ich bin eigentlich kein Freund von Fäkalsprache, aber der Satz hatte mit ‚Scheibenkleister‘ nicht das gewünschte Geschmäckle.) Viele Menschen wissen das wirklich noch nicht, so hat es den Anschein. Weil das Erklären aber so anstrengend ist, seufze ich meist nur und verlasse mich darauf, dass jemand anderes sich die Mühe schon machen wird, wie zum Beispiel Zoë Beck es in der Krimi-als-Halbliteratur-Debatte getan hat, und ich dann einfach nur noch kurz beipflichten muss, bevor ich essen oder fernsehen gehe.
Tief in mir weiß ich, dass das keine anständige Haltung ist. Dass das so nicht geht. Deshalb hole ich jetzt einmal tief Luft und erkläre das, was wohl Erklärungsbedarf hat, selbst wenn mir die Gründe dafür schleierhaft sind, und selbst wenn andere es auch schon erklärt haben. Vielleicht macht es ja tatsächlich die Masse. 1. Worum es in der Kriminalliteratur geht Das ist eigentlich ganz einfach. In der Kriminalliteratur geht es um das, was Menschen sich und anderen antun. Es geht um die Schnittmenge und die Differenzmenge von Gesetz und Gerechtigkeit. Es geht um persönliche und gesellschaftliche Vorstellungen von Sitte und Moral. Es geht um den Blick in eigene Abgründe und in die anderer. Es geht um Liebe, Hass, Wirtschaft und Politik. Es geht um Schuld und Sühne, um Leben und Tod. Wenn das keine vollliterarischen Themen sind, muss ich wohl noch mal nachsitzen. 2. Worum es bei Literaturkritik geht Selbstverständlich braucht es für anständige Literatur mehr als nur ein hochwertiges Thema. Ein gewisser sprachlicher Anspruch sollte ebenso erfüllt werden, wie ein kunstvolles Variieren oder Brechen erzählerischer Regeln vonnöten ist. Es gibt qualitative Unterschiede zwischen Jerry Cotton und David Peace, genauso wie es in der erotischen Literatur qualitative Unterschiede zwischen Henry Miller und 50 Shades of Grey gibt. Es ist Aufgabe der Literaturkritik, fundiert auf diese hinzuweisen. Es ist nicht Aufgabe der Literaturkritik, Latten automatisch niedriger zu hängen, wenn irgendwo ‚Krimi‘ steht. ‚Fundiert‘ ist das Schlüsselwort. Wer über Literatur urteilt, muss sich mit Literatur auskennen. Wer sie produziert, ebenso. Wer sich auf der einen oder anderen Seite mit Kriminalliteratur beschäftigt, muss sich mit Kriminalliteratur auskennen. Wer glaubt, Krimi (oder Science-Fiction, oder erotische Literatur, oder Naturlyrik) sei ein seichter Zeitvertreib, wird auf diesem Gebiet nur Seichtes zustande bringen, als Autor wie Kritiker. Das bringt uns zu den schreibenden Touristen in der Welt der Genreliteratur. Sie sind uns willkommen, Touristen sind toll. Solange sie sich zu benehmen wissen und aus den richtigen Gründen reisen. Die Science-Fiction ist mehr noch als die Kriminalliteratur ein beliebter Tummelplatz für Schreiber aus anderen Disziplinen, die schnell mal vorbeischauen, weil sie meinen, Science-Fiction sei einfach. Oder sie haben einen noch verheerenderen Grund: Sie meinen, Science-Fiction sei zu schade für Science-Fiction-Autoren. Sie haben da eine tolle Idee, etwas Wichtiges zu sagen über Gentechnik/künstliche Intelligenz/Überwachungsstaat und packen das flugs in einen Science-Fiction-Roman, obwohl sie doch eigentlich Suhrkamp-Fiction-Autoren sind. Das Feuilleton reagiert interessiert bis begeistert über soviel Mut (bei Schauspielerinnen gibt es ein ähnliches Phänomen, den viel beschworenen ‚Mut zur Hässlichkeit‘; also wenn eine mal eine Brille aufsetzt). Im Lager erfahrener Science-Fiction-Leser hingegen wird mit großem Gähnen reagiert: Die Ideen der Touristen sind nicht neu, sie wurden von gewohnheitsmäßigen Science-Fiction-Autoren schon vor Jahren genauer und origineller verarbeitet. Nur weiß man das nicht, wenn man sich mit Science-Fiction nicht auskennt. Damit muss man sich aber auskennen, wenn man welche schreiben will. Oder über sie schreiben will. Es hilft nicht, aus Bequemlichkeit für sich selbst einfach die Latte tiefer zu hängen. Nun mag man darauf hinweisen, dass echte Science-Fiction (oder echter Krimi, oder …) viele Vollliteraturleser über das sprachliche Niveau abschreckt. Stimmt – grauenhaft, was uns da teilweise zugemutet wird. Vieles ist wirklich allzu grundlos kunstlos. Genauso wie in höher angesehenen Gattungen vieles grundlos verschwurbelt ist. Genauso wie mancher Krimi sprachlich brillant ist. Mit schlecht geschriebener Literatur darf und soll man hart ins Gericht gehen, da gilt kein „ist doch bloß Krimi“. Genauso muss gute Kriminalliteratur als gute Literatur anerkannt werden. Ein Literaturkritiker muss, muss, muss das wissen. Zoe Bëck weist im schon erwähnten Artikel auf eine angesichts jüngster Entgleisungen im Katzenkriminalistenlager wieder akut gewordene Gretchenfrage hin: Trennung oder Nichttrennung von Werk und Autor? Sie nennt beispielhaft die amerikanischen Bestsellerautoren John Grisham und Michael Crichton, die sich in ihren politischen Ansichten einigermaßen konträr gegenüberstehen bzw. -standen, was sich in ihrem Werk niederschlägt. Man kann das nicht wegdiskutieren; es überhaupt zu diskutieren ist eine weitere Aufgabe der Literaturkritik. Autoren und Leser, die behaupten, was sie schreiben beziehungsweise lesen, sei doch „bloß reine Unterhaltung!“, sind in der Regel die, die man am genauesten im Auge behalten sollte. Ich kann allerdings ein Stück weit Entwarnung geben: andere Meinungen sind nicht per se ansteckend. Wer sich seiner eigenen Ansichten sehr sicher ist, muss keine Angst davor haben, Bücher zu lesen, in denen andere Ansichten vorkommen. Ich persönlich entwickle auf meine alten Tage ein gewisses Faible für Spionagekrimis vor internationaler Kulisse. Unter den Autoren und Protagonisten ist leider selten ein liberaler Geist zu finden. Es stört mich ein bisschen, hindert mich aber nicht. Übrigens kenne ich (flüchtig) ein paar Hallodris, die ich (grob) der autonomen Szene zurechnen würde. Die gucken jeden Sonntag mit religiösem Eifer Tatort. Wenn Tatort vorbei ist, mobilisieren sie wieder gegen „Bullenschweine“. Trennung von Fiktion und Fakt ist machbar, Herr Nachbar. Folgt man Autoren länger, kann man überdies bisweilen interessante Wandlungen feststellen. Thriller-Autor Barry Eisler beispielsweise war anfangs seiner Karriere ein recht strammer Republikaner im amerikanischen Sinne, inzwischen ist er eine Art liberaler Aktivist, im amerikanischen Sinne fast schon unamerikanisch. Wenn einer innerhalb eines vernünftigen Rahmens eine andere politische Meinung vertritt als ich, dann sehe ich ihm das für gewöhnlich nach, denn sowas kommt in einer Demokratie nun mal vor. Bei der Frage, ob einer eher auf Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberseite steht, kann man die Latte etwas tiefer hängen, um Menschen geht es auf der einen wie der anderen Seite. Vertritt ein Autor konservative Ansichten auf eine spannende und intelligente Art, lese ich das gerne, denn ich lese gerne spannende und intelligente Bücher. Außerdem gibt es kaum Langweiligeres, als immer nur Autoren zu lesen, die alles ganz genau so sehen wie man selbst. Anders sieht das aus, wenn Autoren Menschenverachtendes verbreiten, sei es in ihrem Werk oder in ihrem Reden. Damit kommen wir zur erstaunlichsten Erkenntnis der heutigen Unterrichtseinheit: 3. Scheiße stinkt (wissenschaftlich erwiesen, statistisch belegbar) Das wird man ja wohl noch sagen dürfen. Michael Crichton lese ich nicht mehr, weil mich sein leicht durchschaubares Handwerksvertrauen irgendwann langweilte. Sein krauses konservatives Weltbild hat damit nichts zu tun, das kann ich mit einem altersmilden Lächeln abtun. Akif Pirincci, Sibylle Lewitscharoff, Orson Scott Card hingegen lese ich nicht mehr, weil ihre irren Äußerungen zu Frauen, Homosexuellen, Zuwanderern und anderen Menschenskindern auf keine Kuhhaut gehen. (Bei Pirincci können wir uns noch ein bisschen an die Theorie klammern, dass das Ganze nur ein experimenteller Satire-Scherz mit schlecht versteckter Kamera ist, wie damals, als Joaquin Phoenix Rapper werden wollte. Aber ich fürchte, diesmal wird es keine Erlösung mit nervösem Lachen geben.) Das hat nichts mit der sogenannten political correctness, dem imaginären Lieblingssündenbock des Stammtischs, zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. Es ist egal, ob all die jüngst geäußerten Ansichten der betreffenden Autoren alle ihre Werke durchdringen oder nicht. Ich möchte auch die alten Texte nicht neu lesen, um nach Frühwarnzeichen zu suchen, die mir zunächst entgangen sein könnten. Text und Texter sind nicht zu trennen, das ist ein Grundprinzip künstlerischen Schaffens. Man kann ein Werk ebenso wenig unabhängig von seinem Schöpfer betrachten, wie man es unabhängig betrachten kann von der Zeit und der Kultur, in der es entstanden ist. Da muss ein jeder für sich selbst Grundsatzentscheidungen fällen. Ich könnte es grundsätzlich nicht über mich bringen zu sagen: Die Autorin äußert sich zwar menschenverachtend, aber Schwamm drüber, wo doch ihr Katzenbuch so putzig ist. Selbst mit der Deutschen Lieblingsthema, „mein Geld“, ließe sich argumentieren. Liebend gerne zahle ich in die GEZ-Kasse, allein der Sonntagnachtkrimi im ZDF ist es mir wert, jedoch nicht in die Tantiemen-Kassen windiger Demagogen. Die Zeit hatte sich unlängst die Mühe gemacht, Verteidiger von Pirinccis Unsinnsschrift zu besuchen und zu verstehen. Bei denen kristallisieren sich zwei Gemeinsamkeiten heraus: sie haben das Buch, dem sie uneingeschränkt beipflichten, noch nicht gelesen, und sie haben den Eindruck, dass Zeit-Schreiber und vermutlich ein Großteil ihrer Leser außerhalb der Realität leben, denn sonst würden sie ja wissen, dass ausländische Schlägerbanden längst ganze Hauptstadtteile unter ihre Kontrolle gebracht hätten und bald auch den Rest der Republik. Es werden Beispiele genannt, an denen wohl was dran ist. Allerdings: Für jedes von ausländischen Rüpelbanden terrorisierte Freibad lässt sich mit Sicherheit ein von Skinheads national befreites Provinzkaff ausmachen. Ich kann nicht behaupten, dass mir das weniger Sorgen bereitet. Mit Realitäten ist das immer so eine Sache. Wenn einer Ausländisches und Ausländische um sich herum eher als Bereicherung denn als Bedrohung wahrnimmt, lebt er dann nicht in der Realität? Lebt er in einem Alternativuniversum, einer Paralleldimension, im obersten Stock eines Elfenbeinturms auf einem goldenen Honig-Planeten am äußersten Rand der Milchstraße? Nö, ich nicht. Ich lasse mir nicht absprechen, dass meine Realität weniger real ist als die anderer, nur weil sie nicht von lebensbedrohlichen Extremsituationen geprägt ist. Gehe ich rechts aus dem Haus, komme ich vorbei an einer Alte-Herren-Säuferkneipe, fest in deutscher Hand. Gehe ich links aus dem Haus, komme ich an einem türkischen Café vorbei. Beides koexistiert friedlich, keins von beiden stört mich, keins von beidem reizt mich zur Einkehr. Zusammenrottungen des jeweiligen Stammpublikums kommen zu Hauptgeschäftszeiten vor beiden Etablissements vor. Schlendere ich dann provokationslos daran vorbei, gibt es nur bei einem der beiden Häuser gelegentliche Pöbel-Kommentare: bei der urdeutschen Absturz-ab-Nachmittag-Kneipe. Damit kann ich leben, so tolerant bin ich. Vor ein paar Jahren portraitierte eine Tageszeitung den dazugehörigen Münchner Stadtteil, Moosach. Dort war die Einschätzung eines Einwohners zu lesen, man fühle sich dort mittlerweile „wie in Klein-Istanbul“. Da dachte ich: Toll! Istanbul! Die pulsierende, exotische Metropole am Bosporus, Schmelztiegel von Orient und Okzident! Selbst in der Klein-Version schien mir das verheißungsvoller als das etwas verschlafene und bäuerliche Bild, das ich selbst von meiner Nachbarschaft hatte. Seitdem habe ich einen anderen Blick auf Moosach, und ich möchte mich herzlich bei dem in der Zeitung zitierten Miteinwohner bedanken, dass er mir die Augen für die Schönheit und Exotik Moosachs geöffnet hat. Kürzlich hatte ich Besuch von einem deutschen Verwandten, der schon längere Zeit in den USA lebt und einiges an Deutschland zu bemängeln hatte, zum Beispiel dass ihm im Dallmayr-Haus der coffee to go verweigert wurde. Aber nach einigem Gemecker wurde er ganz rührselig und wollte doch noch eine positive Seite Deutschlands hervorheben: „Dass hier so viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen so harmonisch zusammenleben, das ist wirklich schön.“ Das wunderte mich gerade von einem Beinahe-Amerikaner zu hören, proklamiert dieses Völkchen die Erfindung des Völkergemisches doch normalerweise für sich, und es war mir schon fast ein wenig zu blauäugig. Um ein Haar hätte ich mich stammtischtypisch in die Gegenposition begeben, nur um das nicht so undifferenziert stehen zu lassen (selbstverständlich nicht im Furor gegen Zugereiste, sondern gegen die Querulanten, die mit denen ein Problem haben). Stattdessen dachte ich nach und musste feststellen: im Vergleich zu den meisten Ländern, die ich im Laufe meines bisherigen Lebens einigermaßen kennengelernt habe, stimmt das. Ressentiments, Ghettoisierung, verbale und physische Auseinandersetzungen gibt es hüben wie drüben. Nur drüben, in West wie Ost, meistens um einiges extremer. Das ist kein Grund für einen Orden an der deutschen Brust oder ein Ausruhen auf Lorbeeren. Die Arbeit von uns Gutmenschen ist nicht getan, solange es noch Schlechtmenschen gibt. Aber es ist Grund genug, mal ein wenig die Luft anzuhalten oder tief durchzuatmen und über den eigenen Tellerrand zu schauen, bevor man ein Buch oder einen Leserbrief oder ein Flugblatt oder eine Spiegel-Online-Kolumne oder einen Facebook-Kommentar schreibt oder am Stammtisch oder sonst wo die Stimme erhebt. Ärgern darf man sich trotzdem über einiges, ist ja ein freies Land. Akif Pirincci ärgert sich mit Vorliebe über Rot-Grün. Ich fühle deinen Schmerz, Bruder. Auch ich finde es komplett inakzeptabel, dass die SPD Thilo Sarrazin nicht achtkantig rausgeworfen hat. Ich werde den Grünen nie verzeihen, wie diebisch sie sich über Fukushima gefreut haben. Kreuze werde ich bei beiden nie wieder machen können, was aus mir einen Spontan- und Spaßwähler gemacht hat, denn Nichtwählen darf ich als Produkt meiner Erziehung nicht. Zuletzt habe ich mein Kreuz bei der Rosa Liste gemacht, die werden schon niemandem schaden, auch dem Fundament meiner Ehe nicht. Sarrazin und irgendwie auch Akif Pirincci (Sippenhaft) haben mich also zum aktiven Unterstützer eines irren Homosexuellen-Kults gemacht. Dafür vielen Dank, ich fühle mich sehr wohl dabei. PS: Aus kindischer Respektlosigkeit habe ich durchgehend bewusst darauf verzichtet, auf der Tastatur nach dem Sonderzeichen-C in Pirincci zu suchen.Schlagwort-Archive: Dogma
Das Vermächtnis des Wanderapostrophs
Als ich heute nach Mont-Blanc-Bildern in meinem Mobiltelefon suchte, fand ich dort auch dieses Foto, das ich wohl mal gemacht hatte, um mich später drüber aufzuregen (obwohl die Bildqualität schon auf eine gewisse Grunderregung im Moment der Aufnahme schließen lässt):
Doch die Freude war von kurzer Dauer. Die Menschen lachten jetzt über das Apostroph, das hatten sie vorher nie getan. Sie riefen Schmähnamen wie „Deppenapostroph!“ und machten ganz ungeniert Handyfotos. Das Apostroph sah ein: „Ich habe einen Fehler gemacht! Ich gehör einfach nicht in dieses Wort! Die Aussicht ist auch nicht so toll, und COFFEE kommt mir schon zu den Ohren raus! Ich will zurück ins GEHTS!“
Doch das GEHTS war jetzt beleidigt: „Ich war zwar schöner mit dir, doch komm ich in der Not auch ohne dich aus. Vielleicht suche ich mir irgendwann ein anderes Apostroph, dich möchte ich hier jedenfalls nicht mehr sehen.“ Wie es weitergeht, erfahren Sie in Die Rache des Wanderapostrophs.Die Hölle gefriert und Hunde miauen: Ich bin jetzt bei Facebook
In den vergangenen Wochen hatte ich viel Spaß mit Menschen und nichts als Scherereien mit Maschinen. Das hat mir eine wichtige Lektion über das Leben und seine Prioritäten gelehrt: Ich sollte mich weniger um Menschen und mehr um Maschinen kümmern. Damit ich ab sofort noch mehr Zeit mit Telefonen und anderen Computern verbringen darf, bin ich nun Facebook beigetreten. Machen Sie es doch auch, dann können wir so tun, als kennen wir uns.
Tatsächlich bin ich dieser Tage nicht nur einmal Facebook beigetreten, sondern vier- oder fünfmal. Jedes Mal bin ich nach wenigen Minuten mit geblähten Nüstern wieder ausgetreten. Diesmal bleibe ich vielleicht länger. Mein vorheriges Problem war, dass ich keine normale Seite anlegen wollte, sondern eine sogenannte ‚Fan-Seite‘. Nun ist es keineswegs so, dass ich über Nacht durch einen vermeintlichen Kaninchenbau in eine Wi-Wa-Wunderwelt gepurzelt wäre, in der ich es für möglich oder auch nur erstrebenswert gehalten hätte, jemals so etwas wie ‚Fans‘ zu haben. ‚Fans‘ braucht kein Schwein, Leser reichen völlig aus. Trotzdem wollte ich dem ganzen einen offiziellen Anstrich verleihen; ich will schließlich Bücher verkaufen, keine Klassentreffen organisieren. Leider muss man aber ein privates Profil haben, wenn man eine sogenannte ‚Fan-Seite‘ anlegen möchte. So eines habe ich mir dann geholt, doch es war mir so ungeheuer, dass ich jedes Mal nach kurzer Zeit gegoogelt habe, wie das noch mal ging mit dem Account-Löschen. Diesmal versuche ich mich zusammenzureißen. Das mit der sogenannten ‚Fan-Seite‘ habe ich mir erst mal abgeschminkt. Das jetzige Profil ist privat, Sie können also unbesorgt sein, davon gerät niemals etwas an die Öffentlichkeit. Ist schließlich nur Facebook. Weil das Internet auch ein visuelles Medium ist, hier ein lustiges Bild von mir in einem Lätzchen:… und darum nennen wir es Keanu-Schokolade
Sensationsmeldung des Jahres: Wir haben von Weihnachten noch Schokolade übrig! Zu den besonders gut gemeinten Exemplaren unterm Baum gehört dieses:
8 Gründe, warum am Tag des Jüngsten Gerichts vermutlich doch nicht alle Seelen gerettet werden können (ein künstlich aufgeblasenes Fragment)
Letzte Woche haben meine Frau und ich einen ziemlichen Bock geschossen. Wir tun zwar immer so, als hätten wir das Savoir-vivre mit silbernen Löffeln gefressen, aber das Konzert der Münchner Symphoniker mit dem japanischen Meisterpianisten Nobu Tsujii haben wir nach der Hälfte verlassen. Nicht aus Protest oder Missfallen, sondern weil wir zu blöd waren, eine Pause von einem Ende zu unterscheiden.
Zu unserer Verteidigung: Die Sitte der Saufpause, insbesondere bei klassischen Konzerten, war uns durchaus geläufig. Allerdings war bei speziell diesem schon das, was sich nur als erster Block herausstellte, von einer befriedigenden, geldwerten Länge gewesen. Außerdem hatte der ganze Verbeugungs- und Rausgehen-und-wieder-reinkommen-Zirkus der Hauptakteure so etwas Finales gehabt. Wir waren durchaus zufrieden und hatten nicht das Gefühl, etwas verpasst zu haben, als wir schon in der Kneipe saßen und zwei nicht schlechte Plätze in der Philharmonie leer blieben. Ich bin also vermutlich nicht die allerhöchste Instanz, wenn es um Ratschläge für einen gediegenen Klassikkonzertbesuch geht. Trotzdem möchte ich mich gern daran versuchen, denn die Episode erinnert mich an einen skizzierten aber nicht ins Reine geschriebenen Text, den ich vor ein paar Monaten in einem fremden Land wütend mit einem gelben Bleistift in ein rotes Notizbuch kritzelte, hier:Und das hier erst: Mit dem Gemälde des Absinth-Trinkers, der von der Muse besucht wird. (Ich habe natürlich ebenfalls eine Flasche Absinth im Duty-Free-Shop gekauft, wie sich das für den verwegenen Abenteuerreisenden geziemt, doch ich habe mich noch nicht getraut davon zu nehmen.)
Wegen heiligem Bimbam: Suede-Konzertkarte abzugeben
Als sich vor ein paar Jahren die Band Suede wieder vertragen hat, hätte ich fast das getan, was ich normalerweise nur für Alte Meister der Schönen Künste tue: ein fremdes Land bereisen (genauer das England), um die Sache mit eigenen Augen zu sehen. Doch kam etwas dazwischen. War nicht schlimm, dachte ich vor ein paar Monaten, denn es kündigte sich ein Konzert in München an, was mit öffentlichen Verkehrsmitteln viel besser zu erreichen ist. Ich habe mir eine Karte kommen lassen und mich auf den 19. November gefreut.
Ich freue mich immer noch auf den 19. November, aber zu Suede kann ich jetzt nicht mehr. Ich musste abwägen zwischen der besten britischen Band der Neunziger und dem seit Jahrzehnten bedeutendsten amerikanischen Gegenwartsautoren. Ich habe mich für Stephen King entschieden. Ausschlaggebend war in erster Linie Sentimentalität. Sentimentalität beflügelt freilich nichts besser als Musik. Suede indes gehört bei aller Hingabe nicht zu den Bands, die mir in meinen formativen Jahren die Tränen getrocknet haben (dafür kamen sie zu spät). Überhaupt habe ich sie richtig erst zu schätzen gelernt, als sie sich schon vorübergehend aufgelöst hatten. Zuvor war mir immerhin wohlwollend aufgefallen, dass sie einmal einen vage Twin-Peaks-haften Videoclip hatten machen lassen, was ich zwar nicht unbedingt originell, aber doch sympathisch fand. Ein Jahrtausend später holte ich mir ihr Singles-Albums Singles, hörte es mir an, faltete die Hände und betete: Lieber Gott, wenn du jemals alle Lieder von meiner Festplatte löschen solltest, bitte verschone diese! Eine Band erst nach ihrer hauptsächlichen Schaffensperiode kennenzulernen hat Vorteile. Man kann sich die Oliven (Rosinen mag ich nicht) rauspicken und muss nicht in schmerzhafter Echtzeit all die typischen Verfallserscheinungen mitbekommen, die immer klare Indikatoren für baldige Bandauflösungen sind (Stilwechsel, Umbesetzungen, Bartwuchs). Andererseits verpasst man auch das Gute, den Sturm, den Drang, die Protzpriviliegien, dass man das alles schon kannte, bevor „alle“ es cool fanden. Wenn die Zeiten vorbei sind, dass man jeden Morgen hinter der Indie-Dorfdisco in einer Bierlache auf hartem Asphalt aufwacht, ein gepiercetes Parka-Girlie mit verquollenen Augen an seiner Seite, verbindet man irgendwie keine guten Geschichten mehr mit Musik. Das Beste, was ich über Suede und mich erzählen könnte: Zu der Musik kann man gut joggen. Das klingt fast so läppisch wie: Zu der Musik kann man gut Auto fahren. Es wäre gelogen, würde ich behaupten, dass ich Menschen, die so etwas sagen, gewohnheitsmäßig die Freundschaft kündige. Tatsächlich funktioniert mein Instinkt so tadellos, dass ich mit ihnen gar nicht erst Freundschaft schließe. Ein bisschen hinkt der Vergleich zum Glück schon. Zwar mangelt es mir an eigener Erfahrung, doch könnte ich mir vorstellen, dass man sich beim Autofahren konzentrieren muss, auf die Straße achten, dass man ausnahmsweise keinen umbringt, zum Beispiel Jogger. Beim Sport hingegen kann man seinen Gefühlen freien Lauf lassen, auch mal ganz in der Musik aufgehen. Sie ist also beim Sport anders als beim Fahren keine bloße Hintergrundberieselung, sondern kann durchaus als Hauptsache en détail gewürdigt werden. Zumindest, wenn man es richtig macht. Man darf es mit dem Meister aller Sportmotivatoren halten: Mir fällt gerade ein: Etwas popwürdiger als die Gute-Musik-zum-Joggen-Anekdote ist vielleicht, wie ich einmal die traumhafte Suede-Ballade „Trash“ in einer Karaoke-Kabine in Takadanobaba gesungen habe. Wenn ich mich doch nur noch vernünftig daran erinnern könnte. Was in Karaoke-Kabinen in Takadanobaba passiert, bleibt in Karaoke-Kabinen in Takadanobaba.(Nachstellung, nicht ich in dem Video) Es gäbe für mich also keinen wirklich triftigen Grund, bei einem Suede-Konzert Schlüpfer zu werfen. Bei Stephen King hingegen werfe ich gerne Schlüpfer aufs Podium, wenn er am 19. November anlässlich des Krimi-Festivals in München lesen wird. (Ich habe übrigens vor, nächstes Jahr selbst dort zu lesen, auch wenn die Veranstalter noch nichts davon ahnen. Wahrscheinlich nicht im Circus Krone, eher in einem Thai-Sushi-Imbiss mit drei Plätzen. Dafür wird es wahrscheinlich auch unter 29 Euro pro Person kosten.) Meine erste Begegnung mit Stephen King hat so vieles bewirkt (bei mir), dass ich ganz genau weiß, wo ich anfangen muss. Ich war 14 Jahre alt und der Film Christine kam in die deutschen Kinos. Da ging es um ein Killerauto aus der Hölle, das musste ich sehen. Ich hatte mich zum Kinobesuch mit einem Jungen aus meiner Bande verabredet, nennen wir ihn Tom. Leider war der Horrorschocker ab 16 Jahre freigegeben. Die Kinokartenverkäuferin fragte uns: „Na, wie alt seid ihr denn?!“ Ich sagte wie aus der Pistole geschossen: „16!“, und blieb die Coolness selbst, bilde ich mir ein. Tom sagte: „Äh … äh… 16 …?“, und wurde rot wie eine Tomate. Wo er Tomaten noch nicht mal mochte. Wir haben also Christine an diesem Tag nicht gesehen. Stattdessen habe ich mir den Roman gekauft und danach war nichts mehr, wie es einmal war. Ich hatte nicht für möglich gehalten, dass derlei fesselnd von ganz normalen Menschen in der ganz normalen Welt erzählt werden konnte. Das Horrorauto war mir schnell völlig schnurz. Zuvor hatte ich nur Bücher gelesen, in denen es um Kampfraumschiffkommandeure oder prähistorische Barbaren ging. Stephen King und Stephen King allein führte mich von Jugendbüchern zu Erwachsenenbüchern, von Vergangenheits- und Zukunftsthemen zu Gegenwartsthemen, machte aus meinem unverbindlichen Interesse am Horrorgenre eine leidenschaftliche Liebe. Ich habe Christine bis heute kein zweites Mal gelesen. Gut möglich, dass es nicht Kings stärkstes Werk ist. Bei der qualitativen Durchnummerierung seiner Bücher, die in letzter Zeit ein besonders beliebter Feuilletonsport zu sein scheint, landet es meist auf den hinteren Plätzen. Man mokiert sich hin und wieder, King habe das Motiv des bösen Autos ein paarmal zu häufig bemüht. Das allerdings ist ein Denkfehler. Das Automobil ist schließlich der offizielle Transporteur des Amerikanischen Traumes, und das Aufzeigen des Alptraumhaften daran ist Stephen Kings Dauerthema, wie es das Dauerthema jedes anderen zeitgenössischen amerikanischen Autoren ist, der was auf sich hält. King hat im Laufe der Jahrzehnte ein paar Gurkenbücher geschrieben, also genau so wie Philip Roth oder John Updike, aber das Wiederverwenden von Motiven muss man ihm nicht vorwerfen, das ist eine zulässige literarische Praxis. Das Spukauto ist moderner und amerikanischer als das Spukhaus, das als Konzept inzwischen doch ein wenig zu 19. Jahrhundert, ein bisschen zu sehr Alte Welt ist. Das ist mehr Autoverteidigung, als Sie jemals wieder von mir hören werden. Eigentlich geht es darum: Wer also meine Suede-Karte haben möchte, soll sich melden. Die Person mit der rührendsten Geschichte gewinnt. Zuerst wollte ich zur Bedingung machen, dass die Geschichte Suede-Bezug haben muss. Allerdings haben Menschen mit rührenden Suede-Geschichten wahrscheinlich schon eine Karte und ich bin kein Unmensch. Es kann irgendeine Geschichte sein. Nur sputen müssen Sie sich, das alles findet schließlich schon nächste Woche Dienstag statt. Bonuspunkte gibt es für die Verwendung des Begriffs „Heiliger Bimbam“. Ich lese gerade parallel den Stephen-King-Roman Doctor Sleep und Ben Winters‘ famosen präapokalyptischen Krimi Der letzte Polizist, beide aus journalistischer Sorgfaltspflicht in der deutschen Übersetzung. Ich bin begeistert, dass beide Bücher den schon etwas in Vergessenheit geratenen Kraftausdruck „Heiliger Bimbam“ energisch zum Comeback befeuern. Bitte alle mitmachen. Wir dürfen jetzt nicht nachlassen.
Mission Statement 2 (Phase 1): Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?
Als ich vor gut vier Jahren mit widerwilligem Zähneknirschen diesen Blog begann, war ich ein zorniger junger Dreikäsehoch von knapp vierzig Jahren. Was wusste ich schon vom Leben. Stein und Bein habe ich damals geschworen, dass der Blog mein einziges Zugeständnis an die Online-Idiotie bliebe, ich den ganzen Quatsch mit sozialem Netzwerkheckmeck und Dauergezwitscher nicht mitmachen würde. Das war meine damalige Online-Strategie.
Meine neue Online-Strategie lautet: Ich mach den ganzen Quatsch doch. Jetzt, wo es jeder macht, ist es so uncool, dass es schon wieder cool ist. Aber ich werde die Sache langsam angehen, erst mal nur den großen Zeh reinhalten. Der erste Schritt meines großen Online-Love-Ins: Heute gebe ich diesen Blog für Kommentare frei. Weitere Phasen folgen, aber ganz bestimmt nicht mehr diese Woche, ich muss mich jetzt erst mal von meinem eigenen Ungestüm erholen. Frei heißt freilich nicht völlig frei, wo kämen wir da hin. Alle Kommentare guck ich mir erst mal an, bevor sie freigegeben werden, und das kann dauern, wir sind ja hier nicht im Internet. Beiträge, die mir nicht in den Kram passen, werden nicht freigeschaltet. Das, liebe Kinder, ist keine „ZENSU-HU-HU-HUR!!!“, sondern Ausübung meines Hausrechts, also ein durch und durch demokratischer Akt. Kraftausdrücke werden in Maßen toleriert, aber niemals honoriert. Die deutsche Sprache hat genügend Worte, um auch leidenschaftliche Zustände deutlich zu benennen, ohne sprachlich in die Gosse zu greifen. Wer Fragen hat, die nicht die ganze Klasse etwas angehen, darf sie mir per E-Mail schicken, die Adresse steht irgendwo rechts (von Ihnen aus). (Kleiner Tipp dazu: Viele Fragen können auch von Internetsuchmaschinen beantwortet werden.) Unbezahlte Anzeige:Unchained & Reloaded: Katastrophen und andere Kleinigkeiten
Ehe der Monat ganz ohne Wortmeldung verstreicht, schnell der Hinweis, dass ich jüngst noch ein Buch besprochen habe, und zwar Schöne Ruinen von Jess Walter.
Von den beiden Büchern, die ich selbst gerade schreibe, erscheint eines im rührigen Conbook Verlag. Dort war man so gut, mir schon jetzt eine kleine Seite einzurichten. Ach, wo ich schon mal hier bin, muss ich doch noch etwas loswerden. Neulich wollte ich fernsehen und habe mir für diese herrliche Retro-Beschäftigung herrlich retro eine Programmillustrierte gekauft (ja, gibt es noch, hat mich auch gewundert). Ich schlug sie an einer zufälligen Stelle auf und ließ meine Augen an einen zufälligen Punkt wandern. Ich stellte fest, dass ich die Wahl hatte zwischen etwas namens Beziehungen und andere Katastrophen und Männer und andere Katastrophen. Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin, Forderungen zu stellen, aber das hindert mich genauso wenig wie alle anderen Menschen vom Planeten Erde daran trotzdem welche zu stellen, wenn mir eine Laus über die Leber gelaufen ist: Ich fordere hiermit, dass keine Filme, TV-, Theater- und Audioproduktionen, Romane, Essays, Softwareapplikationen u. ä. mehr veröffentlicht werden, deren Titel ironisch auf „und andere Katastrophen“ oder – wo wir schon dabei sind – „und andere Kleinigkeiten“ enden. Es gibt bereits genug davon und es hat spätestens nach dem ersten Mal aufgehört, witzig zu sein. Diese niemals aussterbende Marotte erinnert unangenehm an den noch immer grassierenden Reloaded-Unfug, der vor Jahren durch einen Film in die Welt kam, den noch nicht mal irgendjemand mochte, wenn ich mich recht erinnere. Der Kleinigkeiten-Unfug kommt vielleicht von Verbrechen und andere Kleinigkeiten, einer von Woody Allens sechs besten Filmen (fragen sie nicht nach den anderen fünf, ich habe zufällig eine Zahl gewählt), der für seinen deutschen Titel nichts kann. Auf dem Buchmarkt scheint der Katastrophen-Kleinigkeiten-Unfug noch verbreiteter als auf dem Filmmarkt. Ganz besonders schlimm trifft es die Vampire: Es gibt sowohl Vampire und andere Katastrophen wie auch Vampire und andere Kleinigkeiten. Lesen möchte ich keins von beiden, der Titel versaut es mir, schönen Dank auch. Als ich übrigens in meiner Programmillustrierten den Titel Männer und andere Katastrophen sah, dachte ich spontan: Würg, könnte direkt ein Kerstin-Gier-Titel sein. Jetzt stelle ich bei meiner Recherche fest: Ist tatsächlich ein Kerstin-Gier-Titel (allerdings AUCH einer von einer gewissen Franziska Becker, während eine andere Autorin auf Mütter, Männer und andere Katastrophen erhöht). Rechtlicher Hinweis Ich gehe davon, dass Kerstin Gier ein tadelloser Mensch ist. Ich habe keines ihrer bestimmt zu Recht sehr populären Bücher gelesen, weshalb ich mir über deren Inhalte kein Urteil anmaßen möchte. Als objektive Tatsache kann ich nur feststellen, dass die Titel bekloppt sind.Porno-Marathon in Ketten (oder: Schmecke meinen Fruchtriegel der Rache, Vol. 1)
Meine große Bitte fürs neue Jahr an alle, die Texte für die Öffentlichkeit schreiben, ganz egal ob Zeitungskolumnen, Illustriertenartikel, Gedichte, Kochrezepte, Werbesprüche, Drehbücher, Strickmuster, Pressemitteilungen, Liedtexte, Produktbeschreibungen, Gebrauchsanweisungen, Tweets oder offene Briefe: Bitte, bitte, so verführerisch es auch sein sollte, und so umwerfend clever es Ihnen erscheinen mag – halten Sie unbedingt Abstand davon, jetzt jeden Ausdruck, jede Floskel, jede Schlag- und Titelzeile mit ‚Unchained‘ zu beenden. Wir haben dieses Elend schon mit ‚Reloaded‘ und ‚Quantum‘ durchgemacht. Wir haben es zwar überlebt, aber nur knapp. Bitte nicht Hanni und Nanni Unchained, Knaller-Angebote Unchained, Pommes mit Mayo Unchained. Es ist nicht clever. Jeder andere hatte die Idee auch schon. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Meine große Frage ans neue Jahr: Warum haben es all die Pornografen plötzlich auf mich abgesehen? Ich habe die Kommentarfunktion dieses Blogs abgeschaltet, damit ich nicht ständig reinschauen und aufräumen muss. Allerdings habe ich die Trackback-Funktion angelassen, weil ich nicht weiß, was das ist, und es harmlos klingt. Es sind in den vergangenen Jahren nur wenige Trackback-Anfragen reingekommen, die ich alle abgelehnt habe. Die meisten waren grober Unfug, das Nachvollziehbarste war noch die Anfrage einer Seite mit Feuerwehr-News zu diesem Beitrag (jetzt kommt wahrscheinlich wieder eine, weil ich ‚Feuerwehr‘ gesagt habe). In den letzten Tagen jedoch wimmelt mein Briefkasten vor höflichen Trackback-Bewerbungen, überwiegend zu folgenden Themen: nude teens…, hardcore sex…, naked girls…, aber auch special occassion for anal…. Wussten Sie, dass es sowas im Internet gibt?! Ich zitiere das hier so ausführlich, weil ich mir davon optimale Suchmaschinenoptimierung und die Anlockung hochwertiger neuer Leser verspreche. Solche, wie die TV-Redakteurin, die mich unlängst zum Thema ‚Frauen, die Männer in Uniform lieben‘ einladen wollte – wohlgemerkt in der Annahme, ich sei so eine (Liebe Shakira …). Betroffen ist von der Porno-Attacke nur ein Artikel, und zwar dieser. Warum? Weil das Wort ‚Banane‘ darin vorkommt? Oder wegen ‚Pipifax‘? Umkleideraum? Fruchtriegel? Zum Thema jenes Artikels fällt mir ein, dass ich dieses Jahr zu meinem Erschrecken schon wieder dabei bin. Wir sehen uns dann dort. Beim Thema ‚Unchained‘ fällt mir ein, dass ich gerade inneren Frieden mit Quentin Tarantino geschlossen habe. Das freut Tarantino bestimmt sehr, denn er hat manche Träne in sein Kissen kullern lassen, weil ausgerechnet ich ihn nicht recht lieben mochte, ich konnte es spüren. Dabei hatte ich Reservoir Dogs seinerzeit sehrwohl geliebt, ich war im anfälligen Alter und hatte das passende Geschlecht. Bei Pulp Fiction musste ich schon ein bisschen lügen (nicht lieben war gesellschaftlich nicht akzeptabel). Nach dem sterbenslangweiligen (euphemistisch: sehr erwachsenen) Jackie Brown und dem albernen Kill Bill 1 plusterte ich mich auf und schwor mit der Bockigkeit des enttäuschten Liebhabers: Von hier an kommt mir kein weiterer Film von diesem Tarantino vor die Augen! Das war leichter, als gedacht. Ich ging fort und schaute nie wieder zurück, denn dieser Tarantino bedeutete mir nichts mehr, gar nichts, wirklich nicht, keinerlei Interesse, schnief. Letztens jedoch kam es zur Entplusterung. Nach einem heißen Bad, einer Massage und einem Schluck Schnaps folgte die Einsicht: Herrje, man muss doch nicht aus jedem Kleinscheiß gleich ein radikales Politikum machen! Weil mir der Trailer zu Django Unchained gegen alle Widerstände gut gefallen hatte, beschloss ich, es noch einmal mit Kill Bill zu versuchen. Mit meiner neuen, altersweisen ‚Ist-doch-nur-ein-Film‘-Einstellung konnte ich hinterher ohne schlechtes Gewissen zugeben: Hat gar nicht wehgetan, sondern gut unterhalten. Auf eine doofe Art zwar, aber wir sind doch alle ab und zu mal ein bisschen doof. Das Doofe bleibt derweil das, was am Phänomen Tarantino ein wenig bedenklich ist. Er selbst kann nichts dafür, doch handeln seine Verehrer seine Filme, als handele es sich um hohe Kunst mit Anspruch und Tiefgang. Da muss man klipp und klar sagen: Nein! Tarantinos Filme sind nicht gehaltvoller als die von Michael Bay. Sie betüdeln ein anderes Publikum, aber nicht unbedingt ein besseres. Tarantino mag sich bei Filmen bedienen, die mehr als nur Oberfläche zu bieten haben. Seine eigenen Filme allerdings übernehmen nur die Oberfläche. Kill Bill wurde hauptsächlich von den japanischen Rache-Dramen Sasori und Lady Snowblood inspiriert, das zeugt von gutem Geschmack. Nun verhandeln diese Filme durchaus große Themen wie den Zusammenhang von Chauvinismus und Nationalismus, oder die Balance zwischen politischer Offenheit und politischem Opportunismus. Das, und lesbische Leidenschaft hinter Gittern. Das einzige Thema von Kill Bill hingegen ist: Ey, guck mal die Alte mit dem Samurai-Schwert! Soll man ruhig gucken, die Alte. Aber wer danach nicht weiterguckt, bleibt doof. Schöner hätte ich es übrigens gefunden, wenn man den deutschen Titel von Lady Snowblood direkt vom Originaltitel Shurayuki hime übersetzt hätte: Schneemetzelchen. Heute rechne ich es Tarantinos Filmen hoch an, dass sie ihren Inspirationsquellen neue Aufmerksamkeit verschaffen. Immerhin macht er inzwischen selbst keinen Hehl aus seiner Arbeitsweise; das war bei Reservoir Dogs noch anders. Seinerzeit mussten findige Enthüllungsjournalisten von alleine drauf kommen, dass Prämisse und Figuren von Ringo Lams City on Fire abgekupfert waren. Kill Bill ist gut, die Sasori- und Schneemetzelchen-Filme sind besser. Ob es die heute ohne Tarantino-Unterstützung in liebevoll restaurierten, erschwinglichen Fassungen für zu Hause gäbe, ist stark zu bezweifeln.Das E-Book ist der neue Internet-Kühlschrank
Oder: Acht wirkliche wahre Wahrheiten über E-Books, und dann ist aber auch gut
So war der Plan: Ich wollte mich bitterlich beschweren, dass zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse die Illustrierten nicht mit dem Thema Neuseeland titelten, wie sie es in der Vergangenheit getan hätten, sondern mit dem Thema E-Books (ich verwende den englischen Begriff, damit man mich versteht). Leider hat der Plan nicht hingehauen. Nicht etwa, weil die Presse ihre von der breiten Masse kaum geteilte E-Book-Hysterie abgelegt hätte. Sondern weil inzwischen gar nicht mehr zur Buchmesse getitelt wird. Früher noch eine sichere Cover-Bank wie Hitler oder Wetten, dass ..?, heute Marginalie. Dann hätte ich doch lieber E-Books als gar nichts gehabt.
Trotzdem, in den Zweizeilern, denen die Messe der Presse hier und da wert ist, stimmt das befürchtete Bild wieder: Was gelesen wird, interessiert nicht. Nur wie gelesen wird, digital nämlich, diesmal aber wirklich. E-Books sind nicht totzukriegen, genau wie der Internet-Kühlschrank. Über den schrieb ich 1998 als frisch vereidigter Nachrichtenredakteur meine erste eigene Nachrichtenmeldung. Das Gerät stand damals kurz vorm großen Durchbruch. Dort steht es seitdem und geht nicht weg. Jedes Jahr ist es dem Boulevard eine neue Meldung wert, wenn wieder irgendeine Messe ist. Zuletzt wurde der Internet-Kühlschrank auf der Internationalen Funkausstellung 2012 gesehen. Aber schon bald auch in Ihrer Küche, denn er steht jetzt kurz vor dem großen Durchbruch. Vieles wird über das E-Book und seine Bedeutung für die Menschheit behauptet. Damit Sie nicht den Überblick verlieren, möchte ich nutzwertig servicejournalistisch die wichtigsten Punkte zusammenfassen. Das eine oder andere habe ich bestimmt an anderer Stelle schon mal so ähnlich oder genauso geschrieben, aber das macht nichts. Die anderen sagen in der E-Book-Debatte ja auch ständig dasselbe. 1. Nicht jeder kann jetzt Autor und Verleger sein Weil die Produktionsmittel so erschwinglich und leicht zu bedienen sind, kann jetzt jeder ran. Das ist genau derselbe Unsinn, der vor ein paar Jahren übers Musizieren und Filmemachen verbreitet wurde. Was hat es uns gebracht? Katzenvideos. Theoretisch konnte schon seit der Erfindung des Schreibgerätes jeder ein Buch schreiben, der den Drang verspürte. In den meisten Fällen ist nichts draus geworden. Neu ist nur, dass das Nichtsgewordene jetzt gedankenlos veröffentlicht werden kann. Doch nicht jeder Buchhochlader ist ein Verleger, genauso wie nicht jeder Katzenvideohochlader ein Filmmogul ist. Ich bin übrigens im Besitz von Hämmern und Nägeln. Das macht mich nicht zum Handwerker, musste ich feststellen. Ich benutze jetzt wieder vermehrt Tesafilm. 2. An den literarischen Formen ändert das E-Book nichts „Ey, Alter, ich bin total geflasht: Opas Roman ist tot! E-Books eröffnen der Literatur ganz neue Möglichkeiten! Enhanced E-Books zum Beispiel … oder Fortsetzungsromane … oder, oder … noch irgendwas! Auf jeden Fall aber Enhanced E-Books und Fortsetzungsromane! Obwohl der Roman ja eigentlich tot ist …“ So tönt der junge Markt- und Medienanalytiker. Tatsächlich bleibt das E-Book ein Buch und die Kirche im Dorf. Dass alle multimedial aufgepeppten E-Books bislang spektakulär gefloppt sind, liegt nicht (wie oft kolportiert) daran, dass sie technisch noch nicht peppig genug waren. Sondern einzig und allein daran, dass diese Mischformen keine Sau interessieren. Warum auch? Hat sich jemals jemand die Gimmick-DVDs, die Plattenlabels mitunter in schierer Verzweiflung ihren CD-Veröffentlichungen beilegen, mehr als einmal angesehen? Ich habe etliche, die ich noch nie gesehen habe, obwohl mir die CDs gefallen. Musik ist halt Musik, Buch ist Buch, Film ist Film, Tetris ist Tetris. Alles schön und gut, und alles bitte zu seiner Zeit und im angemessenen Rahmen. Ein Buch, das die Unterstützung von Soundtracks, interaktiven Landkarten und Katzenvideos braucht, kann kein gutes Buch sein. Seltsam, dass die Literaturmodernisierungsenthusiasten jetzt wieder mit dem Fortsetzungsroman kommen. Noch seltsamer, dass sie meist selbst ganz neunmalklug darauf hinweisen, dass diese Form schon zu Dickens‘ Zeiten praktiziert wurde. Man soll also mit der modernsten Form des Lesens husch husch zurück zur Publikationsform des 19. Jahrhunderts? Das ist nicht innovativ, das ist hanebüchener Humbug. Fortsetzungsromane sind außerdem nie ausgestorben. Wer sich seinen Leserhythmus gerne vorschreiben lässt, findet eine große Auswahl am Bahnhofskiosk seines Vertrauens. Überhaupt, die Form: Mit E-Books könne man jetzt auch mal kürzere Texte raushauen, und vor allem aktuellere, so freut man sich. Ersteres konnte man schon immer (Buch ist Buch ab 49 Seiten, nicht erst ab dreistellig). Interessiert nur keinen deutschen Leser, hier wird Qualität noch in Quantität gemessen: Dickes Buch ist gutes Buch. Letzteres ist unnötig, denn nicht jede Neuigkeit muss stante pede ein Buch werden. Ein Zeitungsartikel, ein Blogeintrag, ein Tweet reichen zur schriftlichen Nachrichtenvermittlung vollkommen aus. 3. E-Books könnten vereinzelt günstiger sein, aber nicht viel Will der Boulevard den Geizbürger wütend machen, rechnet er ihm nach Milchmädchenmanier gerne vor, wie teuer das Smartphone, das er sich sowieso nicht gekauft hat, rein nach Materialwert wäre: Meistens ein Apfel und zwei Eier. Entwicklungs-, Produktions-, Vertriebs- und Marketing-Kosten, Produktpflege und Mitarbeitergehälter einfach mal außen vor gelassen, Gewinnspanne sowieso, Gewinnspanne ist schließlich was Unanständiges. Diese Unsinnsrechnung bekommt man auch immer wieder zum Thema E-Books zu hören: Muss nicht auf Papier, darf also nichts kosten. Dabei kostet die Erstellung eines Buches das, was die Erstellung eines Buches eben kostet. E-Books sind nicht günstiger zu schreiben, zu recherchieren, zu übersetzen, zu lektorieren, zu gestalten und zu vermarkten als gedruckte Bücher. Material wird als Kostenfaktor vom fachfremden Frotzler seit Jahr und Tag überschätzt. Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob ein Buch gebunden im Lager oder digital auf dem Server liegt. Dieser Unterschied ist allerdings weitaus geringer, als weithin angenommen wird. Möglicherweise kann man hier und da in den E-Book-Preisen noch etwas runtergehen. Doch im Großen und Ganzen scheinen mir die Preise auf dem deutschen Markt ganz vernünftig und kaum frech. 4. Klassische Verlage werden wichtiger denn je Die Hysteriker behaupten gerne das Gegenteil, empfinden die verlegerische Gatekeeper-Funktion (Schimpfwort über Nacht) als Bevormundung und nicht als den dankenswerten Dienst, der sie ist. Außerdem würden Verlage Autoren das Geld wegnehmen, das Blut aussaugen und ihre Erstgeborenen zu Gulasch verkochen. Tatsächlich sorgen Verlage dafür, dass Autoren von mehr als nur Mami, Papi und Facebook-Freunden gelesen werden und dafür auch noch Geld bekommen. Außerdem sorgen sie dafür, dass die Bücher der Autoren besser werden, als die Autoren gedacht hätten, und besser aussehen, als die Autoren es mit Powerpoint und Kreide hinbekommen würden. Dabei haben die Verlage jede Menge Ausgaben, die Autoren gar keine. Es ist nur gerecht, dass Verlage am Verkauf ihrer Produkte ordentlich mitverdienen. Natürlich können sich freie Autoren, Lektoren und Vermarkter zu Cliquen zusammenverschwören und durchaus professionelle Produkte am Verlagswesen vorbeipublizieren. Dafür müssen sie aber in eine finanzielle Vorleistung gehen, die sich die meisten literarischen Hoffnungsträger nicht werden leisten können. Selbstverständlich müssen Verlage ihre Arbeit mit Hirn und Herz betreiben, sonst wird es nichts. In letzten Jahren musste ich mich bei großen Publikumsverlagen immer häufiger über Übersetzungen ärgern, die direkt aus dem Google-Translator zu kommen schienen; von schauerlichen Fehlentscheidungen, was veröffentlicht und was ignoriert wird, mal ganz abgesehen. Doch das ist eben nicht ein Problem des Verlagswesens an sich. Das ist nur das Problem, wenn Verlage ihre Arbeit nicht vernünftig machen. Wenn sie sie vernünftig machen, bleiben sie unverzichtbar. 5. Das gedruckte Buch wird uns noch sehr, sehr lange erhalten bleibenUnd zwar nicht nur als bibliophiler Luxus-Fetisch für Menschen mit Ellenbogenflicken und Brillenbändchen, wie es selbst eben diese Menschen mit hängenden Schultern und gesenktem Blick oft prognostizieren. Der E-Book-Markt in Deutschland wächst schwindelerregend, vom vorletzten Jahr aufs letzte rund 100%. Nämlich von 0,5% auf 1% Anteil am gesamten Buchmarkt. Für dieses Jahr werden von Optimisten schon wieder 100% vorausgesagt, dann wären wir bereits bei 2%. Allerdings zeigt die Erfahrung und sagt der gesunde Menschenverstand, dass sich 100%-Sprünge nicht Jahr um Jahr um Jahr wiederholen. Außerdem ist das elektronische Buch traditionell in erster Linie etwas für den guten, alten Online-Handel. In Deutschland kommt der Versandhandel (inklusive Online, aber nicht nur) auf nicht mal 20% des gesamten Buchhandels. Dieser Anteil ist eher stabil als auf der Überholspur. Der US-amerikanische Markt ist bekanntlich der Streber unter den E-Book-Märkten. Dort beruhigen sich die Zuwächse mittlerweile, der Marktanteil liegt bei knapp 16%. Rapide steigt hingegen die Anzahl der Dualleser: Immer mehr Schmökerfreunde, die zu Anfang des E-Booms komplett auf E waren, lesen wieder mal so, mal so. Es setzt sich die Erkenntnis durch: Das Medium ist nicht die Message. 6. E-Book-Millionärin werden Sie nicht, und ich auch nicht Auch in deutschen Medien eine gern genommene Sensationsmeldung: Mausi X und John Y haben mit ihren selbst veröffentlichten Vampirgeschichten und Thrillern Millionen von E-Books verkauft. Das beflügelt das eigene Schreiben, möglicherweise sogar das Kündigungsschreiben. Mit letzterem sollte man noch warten, denn Mausi und John haben ihre Millionenseller auf Englisch verfasst. Ganz viele Leser überall auf der Welt sprechen Englisch als Muttersprache. Dazu kommen weltweit noch jede Menge Anglophile, die mit Begeisterung englische Bücher lesen, obwohl es nicht ihre Muttersprache ist. Mit Deutsch sieht das in beiden Fällen anders aus. Außerdem haben all die Mausis und Johns ihren Minuten-Ruhm genutzt, um sich klassische Verlagsverträge zu angeln. Denn ihre Millionen Bücher sind sie nur losgeworden, weil sie sie für knapp nichts verschleudert haben. Davon kommen nicht dauerhaft drei Mahlzeiten täglich auf den Tisch. Siehe Punkt 4. 7. Das Urheberrecht darf reformiert werden Ob Koks oder Kopie: Wird ein Gesetz nur häufig genug gebrochen, krabbeln gleich die Schildbürger unter ihren Schilden hervor und brabbeln, man solle das Gesetz einfach abschaffen, dann wird es nicht mehr gebrochen, denn Kriminelle dürften doch um Gottes willen nicht kriminalisiert werden. Dürfen sie wohl, müssen sie sogar. Ein Gesetz, das nicht greift aber in der Sache sinnvoll ist, muss reformiert werden, also verschärft. Piraten sind Verbrecher, dem Gesindel gehört das Handwerk gelegt. Auf hoher See, hoch droben in der Cloud und in den Parlamenten. 8. E-Books sind ganz, ganz toll Sollte der Eindruck entstanden sein, ich fände E-Books blöde, ist dieser gänzlich falsch. Ich liebe E-Books, denn ich liebe Bücher. Endlich habe ich genügend Platz für alle meine Schminksachen und 700 Seiten Rushdie in meiner Handtasche. Was mir allerdings mitunter die Zehennägel bis zum Zahnfleisch hochrollen lässt (tut ganz schön weh), ist die Hysterie an allen Fronten. Das E-Book ist nicht die tollste Erfindung seit dem Buchdruck. Das E-Book ist die tollste Erfindung seit dem Taschenbuch. Das ist doch wohl toll genug. Amen.