Wegen Kerzenanzünden und Tipparbeiten wird hier in den tollsten Tagen nur auf Sparflamme getippt. Spätestens im neuen Jahr stehen Ihnen dann wieder alle Dienste zur Verfügung.
Es dauert mich, dass ich gerade in der Weihnachtszeit nicht aus dem Gelobten Land berichten kann. Doch es wurde mir versichert, dass alles festlich wie immer ist. Apropos Tipparbeiten: Meine Gamera-Rezensionstrilogie ist seit einiger Zeit fertigveröffentlicht. Teil 1 und 3 wurden schon erwähnt, hier trotzdem noch mal vollständig: Gamera – Guardian of the Universe NEU Gamera – Attack of the Legion NEU Gamera – Revenge of Iris Damit ist auch meine Mitarbeit am Manifest beendet, zum Thema Film ist alles gesagt. Ich werde aber weiterhin an anderer Stelle Bücher – verdient – über den grünen Klee loben, zuletzt diese: Jean-Christophe Grangé: Der Ursprung des Bösen Ian McDonald: Cyberabad Robert Pobi: Bloodman Salman Rushdie: Joseph Anton Kyung-Sook Shin: Als Mutter verschwandArchiv der Kategorie: Allgemein
In True 2D: Meine Skytree-Erstbesteigung
Den Tokyo Skytree, den neuesten höchsten Turm der Welt, durfte ich mir in der Vergangenheit nur aus dem Fenster ansehen, oder ich musste pfeilschnell an ihm vorbeiflitzen. Vorletzte Woche hatte ich nun endlich die Gelegenheit, ihn mir aus der Nähe genauer anzuschauen. Leider habe ich gerade gar keine Zeit, ausführlich davon zu erzählen. Aber ich kann zumindest mal die Bilder zeigen.
So sieht der Skytree von außen aus:Das E-Book ist der neue Internet-Kühlschrank
Oder: Acht wirkliche wahre Wahrheiten über E-Books, und dann ist aber auch gut
So war der Plan: Ich wollte mich bitterlich beschweren, dass zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse die Illustrierten nicht mit dem Thema Neuseeland titelten, wie sie es in der Vergangenheit getan hätten, sondern mit dem Thema E-Books (ich verwende den englischen Begriff, damit man mich versteht). Leider hat der Plan nicht hingehauen. Nicht etwa, weil die Presse ihre von der breiten Masse kaum geteilte E-Book-Hysterie abgelegt hätte. Sondern weil inzwischen gar nicht mehr zur Buchmesse getitelt wird. Früher noch eine sichere Cover-Bank wie Hitler oder Wetten, dass ..?, heute Marginalie. Dann hätte ich doch lieber E-Books als gar nichts gehabt.
Trotzdem, in den Zweizeilern, denen die Messe der Presse hier und da wert ist, stimmt das befürchtete Bild wieder: Was gelesen wird, interessiert nicht. Nur wie gelesen wird, digital nämlich, diesmal aber wirklich. E-Books sind nicht totzukriegen, genau wie der Internet-Kühlschrank. Über den schrieb ich 1998 als frisch vereidigter Nachrichtenredakteur meine erste eigene Nachrichtenmeldung. Das Gerät stand damals kurz vorm großen Durchbruch. Dort steht es seitdem und geht nicht weg. Jedes Jahr ist es dem Boulevard eine neue Meldung wert, wenn wieder irgendeine Messe ist. Zuletzt wurde der Internet-Kühlschrank auf der Internationalen Funkausstellung 2012 gesehen. Aber schon bald auch in Ihrer Küche, denn er steht jetzt kurz vor dem großen Durchbruch. Vieles wird über das E-Book und seine Bedeutung für die Menschheit behauptet. Damit Sie nicht den Überblick verlieren, möchte ich nutzwertig servicejournalistisch die wichtigsten Punkte zusammenfassen. Das eine oder andere habe ich bestimmt an anderer Stelle schon mal so ähnlich oder genauso geschrieben, aber das macht nichts. Die anderen sagen in der E-Book-Debatte ja auch ständig dasselbe. 1. Nicht jeder kann jetzt Autor und Verleger sein Weil die Produktionsmittel so erschwinglich und leicht zu bedienen sind, kann jetzt jeder ran. Das ist genau derselbe Unsinn, der vor ein paar Jahren übers Musizieren und Filmemachen verbreitet wurde. Was hat es uns gebracht? Katzenvideos. Theoretisch konnte schon seit der Erfindung des Schreibgerätes jeder ein Buch schreiben, der den Drang verspürte. In den meisten Fällen ist nichts draus geworden. Neu ist nur, dass das Nichtsgewordene jetzt gedankenlos veröffentlicht werden kann. Doch nicht jeder Buchhochlader ist ein Verleger, genauso wie nicht jeder Katzenvideohochlader ein Filmmogul ist. Ich bin übrigens im Besitz von Hämmern und Nägeln. Das macht mich nicht zum Handwerker, musste ich feststellen. Ich benutze jetzt wieder vermehrt Tesafilm. 2. An den literarischen Formen ändert das E-Book nichts „Ey, Alter, ich bin total geflasht: Opas Roman ist tot! E-Books eröffnen der Literatur ganz neue Möglichkeiten! Enhanced E-Books zum Beispiel … oder Fortsetzungsromane … oder, oder … noch irgendwas! Auf jeden Fall aber Enhanced E-Books und Fortsetzungsromane! Obwohl der Roman ja eigentlich tot ist …“ So tönt der junge Markt- und Medienanalytiker. Tatsächlich bleibt das E-Book ein Buch und die Kirche im Dorf. Dass alle multimedial aufgepeppten E-Books bislang spektakulär gefloppt sind, liegt nicht (wie oft kolportiert) daran, dass sie technisch noch nicht peppig genug waren. Sondern einzig und allein daran, dass diese Mischformen keine Sau interessieren. Warum auch? Hat sich jemals jemand die Gimmick-DVDs, die Plattenlabels mitunter in schierer Verzweiflung ihren CD-Veröffentlichungen beilegen, mehr als einmal angesehen? Ich habe etliche, die ich noch nie gesehen habe, obwohl mir die CDs gefallen. Musik ist halt Musik, Buch ist Buch, Film ist Film, Tetris ist Tetris. Alles schön und gut, und alles bitte zu seiner Zeit und im angemessenen Rahmen. Ein Buch, das die Unterstützung von Soundtracks, interaktiven Landkarten und Katzenvideos braucht, kann kein gutes Buch sein. Seltsam, dass die Literaturmodernisierungsenthusiasten jetzt wieder mit dem Fortsetzungsroman kommen. Noch seltsamer, dass sie meist selbst ganz neunmalklug darauf hinweisen, dass diese Form schon zu Dickens‘ Zeiten praktiziert wurde. Man soll also mit der modernsten Form des Lesens husch husch zurück zur Publikationsform des 19. Jahrhunderts? Das ist nicht innovativ, das ist hanebüchener Humbug. Fortsetzungsromane sind außerdem nie ausgestorben. Wer sich seinen Leserhythmus gerne vorschreiben lässt, findet eine große Auswahl am Bahnhofskiosk seines Vertrauens. Überhaupt, die Form: Mit E-Books könne man jetzt auch mal kürzere Texte raushauen, und vor allem aktuellere, so freut man sich. Ersteres konnte man schon immer (Buch ist Buch ab 49 Seiten, nicht erst ab dreistellig). Interessiert nur keinen deutschen Leser, hier wird Qualität noch in Quantität gemessen: Dickes Buch ist gutes Buch. Letzteres ist unnötig, denn nicht jede Neuigkeit muss stante pede ein Buch werden. Ein Zeitungsartikel, ein Blogeintrag, ein Tweet reichen zur schriftlichen Nachrichtenvermittlung vollkommen aus. 3. E-Books könnten vereinzelt günstiger sein, aber nicht viel Will der Boulevard den Geizbürger wütend machen, rechnet er ihm nach Milchmädchenmanier gerne vor, wie teuer das Smartphone, das er sich sowieso nicht gekauft hat, rein nach Materialwert wäre: Meistens ein Apfel und zwei Eier. Entwicklungs-, Produktions-, Vertriebs- und Marketing-Kosten, Produktpflege und Mitarbeitergehälter einfach mal außen vor gelassen, Gewinnspanne sowieso, Gewinnspanne ist schließlich was Unanständiges. Diese Unsinnsrechnung bekommt man auch immer wieder zum Thema E-Books zu hören: Muss nicht auf Papier, darf also nichts kosten. Dabei kostet die Erstellung eines Buches das, was die Erstellung eines Buches eben kostet. E-Books sind nicht günstiger zu schreiben, zu recherchieren, zu übersetzen, zu lektorieren, zu gestalten und zu vermarkten als gedruckte Bücher. Material wird als Kostenfaktor vom fachfremden Frotzler seit Jahr und Tag überschätzt. Selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob ein Buch gebunden im Lager oder digital auf dem Server liegt. Dieser Unterschied ist allerdings weitaus geringer, als weithin angenommen wird. Möglicherweise kann man hier und da in den E-Book-Preisen noch etwas runtergehen. Doch im Großen und Ganzen scheinen mir die Preise auf dem deutschen Markt ganz vernünftig und kaum frech. 4. Klassische Verlage werden wichtiger denn je Die Hysteriker behaupten gerne das Gegenteil, empfinden die verlegerische Gatekeeper-Funktion (Schimpfwort über Nacht) als Bevormundung und nicht als den dankenswerten Dienst, der sie ist. Außerdem würden Verlage Autoren das Geld wegnehmen, das Blut aussaugen und ihre Erstgeborenen zu Gulasch verkochen. Tatsächlich sorgen Verlage dafür, dass Autoren von mehr als nur Mami, Papi und Facebook-Freunden gelesen werden und dafür auch noch Geld bekommen. Außerdem sorgen sie dafür, dass die Bücher der Autoren besser werden, als die Autoren gedacht hätten, und besser aussehen, als die Autoren es mit Powerpoint und Kreide hinbekommen würden. Dabei haben die Verlage jede Menge Ausgaben, die Autoren gar keine. Es ist nur gerecht, dass Verlage am Verkauf ihrer Produkte ordentlich mitverdienen. Natürlich können sich freie Autoren, Lektoren und Vermarkter zu Cliquen zusammenverschwören und durchaus professionelle Produkte am Verlagswesen vorbeipublizieren. Dafür müssen sie aber in eine finanzielle Vorleistung gehen, die sich die meisten literarischen Hoffnungsträger nicht werden leisten können. Selbstverständlich müssen Verlage ihre Arbeit mit Hirn und Herz betreiben, sonst wird es nichts. In letzten Jahren musste ich mich bei großen Publikumsverlagen immer häufiger über Übersetzungen ärgern, die direkt aus dem Google-Translator zu kommen schienen; von schauerlichen Fehlentscheidungen, was veröffentlicht und was ignoriert wird, mal ganz abgesehen. Doch das ist eben nicht ein Problem des Verlagswesens an sich. Das ist nur das Problem, wenn Verlage ihre Arbeit nicht vernünftig machen. Wenn sie sie vernünftig machen, bleiben sie unverzichtbar. 5. Das gedruckte Buch wird uns noch sehr, sehr lange erhalten bleibenUnd zwar nicht nur als bibliophiler Luxus-Fetisch für Menschen mit Ellenbogenflicken und Brillenbändchen, wie es selbst eben diese Menschen mit hängenden Schultern und gesenktem Blick oft prognostizieren. Der E-Book-Markt in Deutschland wächst schwindelerregend, vom vorletzten Jahr aufs letzte rund 100%. Nämlich von 0,5% auf 1% Anteil am gesamten Buchmarkt. Für dieses Jahr werden von Optimisten schon wieder 100% vorausgesagt, dann wären wir bereits bei 2%. Allerdings zeigt die Erfahrung und sagt der gesunde Menschenverstand, dass sich 100%-Sprünge nicht Jahr um Jahr um Jahr wiederholen. Außerdem ist das elektronische Buch traditionell in erster Linie etwas für den guten, alten Online-Handel. In Deutschland kommt der Versandhandel (inklusive Online, aber nicht nur) auf nicht mal 20% des gesamten Buchhandels. Dieser Anteil ist eher stabil als auf der Überholspur. Der US-amerikanische Markt ist bekanntlich der Streber unter den E-Book-Märkten. Dort beruhigen sich die Zuwächse mittlerweile, der Marktanteil liegt bei knapp 16%. Rapide steigt hingegen die Anzahl der Dualleser: Immer mehr Schmökerfreunde, die zu Anfang des E-Booms komplett auf E waren, lesen wieder mal so, mal so. Es setzt sich die Erkenntnis durch: Das Medium ist nicht die Message. 6. E-Book-Millionärin werden Sie nicht, und ich auch nicht Auch in deutschen Medien eine gern genommene Sensationsmeldung: Mausi X und John Y haben mit ihren selbst veröffentlichten Vampirgeschichten und Thrillern Millionen von E-Books verkauft. Das beflügelt das eigene Schreiben, möglicherweise sogar das Kündigungsschreiben. Mit letzterem sollte man noch warten, denn Mausi und John haben ihre Millionenseller auf Englisch verfasst. Ganz viele Leser überall auf der Welt sprechen Englisch als Muttersprache. Dazu kommen weltweit noch jede Menge Anglophile, die mit Begeisterung englische Bücher lesen, obwohl es nicht ihre Muttersprache ist. Mit Deutsch sieht das in beiden Fällen anders aus. Außerdem haben all die Mausis und Johns ihren Minuten-Ruhm genutzt, um sich klassische Verlagsverträge zu angeln. Denn ihre Millionen Bücher sind sie nur losgeworden, weil sie sie für knapp nichts verschleudert haben. Davon kommen nicht dauerhaft drei Mahlzeiten täglich auf den Tisch. Siehe Punkt 4. 7. Das Urheberrecht darf reformiert werden Ob Koks oder Kopie: Wird ein Gesetz nur häufig genug gebrochen, krabbeln gleich die Schildbürger unter ihren Schilden hervor und brabbeln, man solle das Gesetz einfach abschaffen, dann wird es nicht mehr gebrochen, denn Kriminelle dürften doch um Gottes willen nicht kriminalisiert werden. Dürfen sie wohl, müssen sie sogar. Ein Gesetz, das nicht greift aber in der Sache sinnvoll ist, muss reformiert werden, also verschärft. Piraten sind Verbrecher, dem Gesindel gehört das Handwerk gelegt. Auf hoher See, hoch droben in der Cloud und in den Parlamenten. 8. E-Books sind ganz, ganz toll Sollte der Eindruck entstanden sein, ich fände E-Books blöde, ist dieser gänzlich falsch. Ich liebe E-Books, denn ich liebe Bücher. Endlich habe ich genügend Platz für alle meine Schminksachen und 700 Seiten Rushdie in meiner Handtasche. Was mir allerdings mitunter die Zehennägel bis zum Zahnfleisch hochrollen lässt (tut ganz schön weh), ist die Hysterie an allen Fronten. Das E-Book ist nicht die tollste Erfindung seit dem Buchdruck. Das E-Book ist die tollste Erfindung seit dem Taschenbuch. Das ist doch wohl toll genug. Amen.
Zen der Woche
Wau! Flash! Ahaaa!
(Monat der bildlosen Sprach- und Medienkritik, Episode V – das letzte Kapitel)
Anderntags kam ich an die Werbung für ein neues Videospiel. Wie in der Unterhaltungsbranche üblich, wurde mit wohlwollenden Pressezitaten geworben. Eines lautete: „Wow, bin ich geflashed!” Wie die junge Generation sagt: Wirklich? Wie wir Älteren sagen: Seufz! Zielgruppengerechte Ansprache ist schön und gut. Aber wenn sich nun das sprachliche Niveau der professionellen, bezahlten Gaming-Presse zu 0% vom Gespräch am Urinal auf der Reeperbahn nachts um halb eins unterscheidet, muss man sie auch nicht lesen. Dann reicht es, zu den trostlosen Zahlenkolumnen der Testergebnisse vorzuspulen oder gleich im Internet nachzuschauen, wo unbezahlte Amateure mit vergleichbarem Vokabular gratis ihre Meinung zur Verfügung stellen. Es besteht kein Zweifel, dass Videospiele (Computerspiele sind nach Damenmanier stets ‚mitgemeint‘) heute die anspruchsvollste Art des Geschichtenerzählens sind. Technisch ist ihre Entwicklung weitgehend abgeschlossen; außerhalb von Jahrmarkt-Bereichen wie Bewegungssteuerung und 3D sind keine Quantensprünge mehr zu erwarten und haben seit Jahren keine mehr stattgefunden. Wenn man nicht gerade ein Benchmark-Nazi ist, musste man sich seit gefühlten Ewigkeiten keine neue Hardware kaufen. Das ist gut so, nun kann man sich dem Inhaltlichen zuwenden. Es braucht mehr Spiele-Autoren, die die grenzenlosen Freiheiten des Mediums nutzen und vor allem sinnvoll bändigen können. Da bin ich vorsichtig optimistisch, ein paar gibt es ja schon. Ich teile auch nicht die gern herbeifantasierte Sorge, dass Handy- und Browser-Games den richtigen Spielen den Rang ablaufen werden. Das ist so, als würde man behaupten, dass die Bücher von Trendprominenten eine Gefahr für den Literaturmarkt darstellen. Niemand sagt sich im Buchladen: „Ach, ich kauf mir doch lieber den neuen Glööckler als den neuen DeLillo.“ Genauso sagt niemand: „Ach, ich spiele doch lieber eine Runde Angry Birds als eine Runde Deus Ex.“ Was mir sehr wohl Sorgen bereitet, ist die Frage der Vermittlung über das Hardcore-Gamer-Ghetto hinaus. Das bürgerliche Feuilleton macht lobenswerte Mäuseschrittchen hin zu einer Berichterstattung über Videospiele. Meist allerdings folgt sie nach wie vor dem Event-Prinzip (das teuerste Spiel aller Zeiten! das erfolgreichste Spiel aller Zeiten! das gefährlichste Spiel aller Zeiten!). Von der Selbstverständlichkeit, Regelmäßigkeit und Kompetenz, mit der neue Bücher, Filme, Theater- und Musikstücke besprochen werden, ist man dabei in den Tageszeitungen und Nachrichtenmagazinen noch weit entfernt. Und wie soll man das von der arrivierten Journaille auch anders erwarten, wenn sich die Fachpresse, die mit gutem Exempel vorangehen müsste, als hilflos stammelnder Flash-Mob geriert?! (Ich weiß, es gibt ein oder zwei halbwegs lesenswerte Gaming-Magazine in Liebhaber-Auflagenstärke, aber Positivbeispiele haben in einer geifernden Polemik nichts verloren.) Dass etwas in dieser Branche journalistisch nicht so rund läuft, wie es müsste, war mir schon klar, als ich selbst kurzzeitig dazu gehörte. Das ist lange her. Es war keine bessere Zeit, doch es war eine Zeit, in der Zeitschriftenredakteure noch nicht wussten, dass das Internet bald alle Druckerzeugnisse außer Landlust und Landser killen würde. Ehe sich gleich die Falschen in den Rücken gedolcht fühlen: Ich möchte hier nicht von dem KONSOLEN-Spiele-Magazin erzählen, dem ich eine Zeit lang wegen Anstellung im selben Verlagshaus gelegentlich zuarbeitete. Das war sehr schön, solange der Traum währte. Hier soll es um das COMPUTER-Spiele-Magazin gehen, bei dem ich zwei Jobs früher für kurze Zeit exklusiv redaktionell verpflichtet war. Die Gründe für die Kürze dieses beruflichen Gastspiels waren in erster Linie meine grenzenlose Inkompetenz und meine Abneigung gegen den nordkoreanischen Kasernenton im Chefbüro. Der Liebe Führer hin oder her, es waren nicht alle schlecht dort. Ich teilte mein Büro mit einem sympathisch depressiven Veteranen der Szene, der mir gleich zu Beginn sagte, ich könne meine journalistische Karriere jetzt vergessen, denn die nachweisbare Mitarbeit bei einem PC-Spiele-Magazin sei so etwas wie ein scharlachroter Buchstabe auf der Bluse, ein Stigma, ein Schandfleck im Lebenslauf. Passenderweise war unser Büro in einem Keller untergebracht, der nur von einem schmalen Streifen Tageslicht erhellt wurde, für wenige Stunden am Tag. Ich fühlte mich sofort wie eines der toten Kinder in Stephen Kings Es, aus dem Gullideckel säuselnd: „Hier unten schweben wir alle!“ Schlimmer jedoch war die Arbeit als solche. Genau genommen war man an Spiele-Besprechungen gar nicht interessiert, sondern an buchhalterischen Warentests. Alles im Text, was nicht jeder Vierjährige verstand, wurde hinausgestrichen (Dear Leader: „Porno-Musik?! Darunter kann sich keiner was vorstellen!“). Noch ein bisschen schlimmer und unkreativer ging es nur in meinem nächsten Job als PR-Redakteur, als mal ein Kunde meine Chefin fragte, ob ich eigentlich geisteskrank wäre, weil ich die abwegige Idee hatte, eine Weihnachtspressemeldung im weihnachtlichen Stil zu formulieren. Mein erster Auftrag als Spieletester war der Test einer Baseball-Simulation. Ich verstand nicht viel von der Sportart (oder irgendeiner Sportart), war aber schon mal in Amerika gewesen. Als ich mit meinem Test fertig war, ihn so trostlos wie möglich formuliert und mit der üblichen kunstfeindlichen Prozent- und Punktewertung versehen hatte, begann die Redaktionskonferenz, ob die Punkte und Prozente richtig verteilt waren. Die Bewertung des Spiels oblag also nicht mir, sondern war eine Mehrheitsentscheidung von Menschen, die mehrheitlich das Spiel nicht gespielt hatten und noch weniger von Baseball verstanden als ich. So wurde freilich auch mit jedem anderen Test jedes anderen Testers verfahren. So kam man letztendlich bei Testartikeln an, deren Testergebnisse genauso willkürlich waren wie die vorangegangenen Texte freudlos. Übte man leise Kritik an der Schnarchlangweiligkeit dieser Artikel, bekam man das zu hören, was man noch heute überall dort in der Presselandschaft zu hören bekommt, wo man zu faul zum Arbeiten und zu blöd zum Denken ist: „Die Leser erwarten das so.“ Wahrlich, ich aber sage euch: Die Leser können das gar nicht beurteilen. Weil sie die Alternativen nicht kennen, denn sie wurden ihnen nie angeboten. Und ‚geflasht‘ schreibt man mit t.Eine Geschichte von Mann und Frau im Supermarkt
(Monat der bildlosen Sprach- und Medienkritik, Episode IV)
Geh ich letzte Woche Supermarkt, steht da Kind. Mitten im Gang, mir den Rücken zugewandt den Weg versperrend, möglicherweise mesmerisiert vom Obstangebot bei uns im Westen oder den Preisunterschieden bei Radieschen. Es war nicht weiter tragisch, Kindern räume ich uneingeschränktes Steh- und Starrrecht ein. Sie müssen in ihrem eigenen Tempo und von ihrem eigenen Standpunkt aus die Welt wahrnehmen und begreifen lernen dürfen. Sie können noch nicht wissen, dass die Welt hinter ihrem Rücken weiterexistiert und dort einer sein könnte, der vorbei möchte. Tragisch ist dieses Unwissen nur, wenn Erwachsene es an den Tag legen, was leider einerseits auch häufig der Fall ist, zum Glück andererseits hier nicht das Thema ist. Die Situation wurde außerdem schnell von der Mutter (nehme ich an) deeskaliert, die dem Kinde mütterlich bestimmt sagte: „Lass doch mal den Mann da durch!“ Das Kind wich, ich ging da durch, die Welt drehte sich weiter. Doch irgendetwas störte mich. Irgendetwas an dem, was die Mutter gesagt hatte. Ich kam allerdings ums Verrecken nicht drauf, was es war. Das fehlende ‚bitte‘ war es nicht, es war schließlich keine Bitte. Es ging um eine Selbstverständlichkeit ohne Verhandlungsspielraum, nicht um den Vorschlag des Tuns eines Gefallens. Am Ton war auch nichts auszusetzen. Keine Spur von der Hysterie, mit der Mütter sonst häufig mit ihren Kindern im Supermarkt umspringen, wenn die es wagen, sich kindgerecht zu verhalten. (Ja, ja – hier quatscht einer, der selber keine hat. Und wissen Sie was? Der hat trotzdem recht.) Der Ton war vernünftig, angenehm autoritär, kein bisschen diktatorisch. Geht doch. Bald hatte ich meinen diffusen Unmut vergessen, war von anderen Fragen bewegt. Wein oder Wasser? Jever oder Fun? Kann man Nudeln mit Ebly essen, oder wäre das Hartweizenoverkill? Irgendwelche Antworten wurden gefunden. Als ich an der Kasse war, trat in entgegengesetzter Abfertigungsrichtung eine Ex-Einkäuferin an den Kassierer heran, sie hatte wohl eine Reklamation. Um den Abfertigungsfluss nicht länger als nötig aufzuhalten, rief der Kassierer einen vorübergehend untätigen Kollegen herbei: „Kannst du bitte mal der Frau helfen?“ Wieder gefiel mir etwas nicht. Dabei auch hier: Ton und Umgang auf allen Seiten tadellos. Weder war die Reklamistin eine wilde Furie, noch war der Kassierer einer von denen, deren Körpersprache und Tonfall unmissverständlich kommunizieren: „Pah, eigentlich bin ich gar kein Supermarktkassierer! Eigentlich habe ich In-der-Nase-Bohren und Löcher-in-die-Luft-Starren auf Lehramt studiert!“ Alle schienen glücklich darüber, miteinander interagieren zu dürfen. Es war der reinste Hippie-Supermarkt. Dann wachte ich auf. Sinnbildlich gesprochen. Tatsächlich war ich noch immer im Hippie-Supermarkt und alles war wie vorher. Aber ich wusste jetzt, was mich störte. Mann? Frau? Müsste das nicht „Herr“ und „Dame“ heißen? Mann und Frau sind Begriffe aus der Biologie, gut geeignet zur Geschlechtsbestimmung der Spezies. Spricht man jedoch von Einzelpersonen, noch dazu von anwesenden, ist die Respektform wohl kaum zu viel verlangt. „Aber, aber!“, mischt sich der Kassierer ein, denn jetzt befinden wir uns tatsächlich in einem Traum (im Hintergrund tanzt ein Zwerg rückwärts, wie in jedem Traum). „Bei meinem Einbürgerungstest habe ich gelernt, dass der mittelhochdeutsche Begriff ‚Frau‘, vom mittelalterlichen ‚frouwe‘, durchaus eine ehrenvolle Anrede ist, es hieß nämlich ursprünglich so viel wie ‚Gebieterin‘, kann also neben dem Herrn bestehen. Unterschieden wird nicht so sehr zwischen Dame und Frau, sondern zwischen Frau und Weib. Beim ‚Mann‘ haben Sie allerdings recht, Digger.“ Mit pfiffiger Retoure, die einem immer erst Tage später einfällt, hätte der Dialog mit der vermuteten Kindesmutter sich folgendermaßen anhören können: Mudder: „Lass doch mal den Mann da durch!“ Icke: „Für Sie immer noch: der Herr da!“ Gut, dass einem so was nie spontan einfällt, denn selbstverständlich wäre das meinerseits hochgradig unhöflich gewesen. Lieber die Klappe halten und eine Woche später was in den Blog murmeln.Hansi Vegesack über Joseph Anton
(Monat der bildlosen Sprach- und Medienkritik, Episode III)
Morgen erscheint Joseph Anton, die Autobiografie von Salman Rushdie. Ich durfte die Tage schon ran, doch leider sind meine Ärmchen so dünn, dass ich nur bis Seite 38 gekommen bin. Am Inhalt liegt es nicht, der ist bislang ergreifend, spannend und klug. Aber für die letzten 682 Seiten warte ich erschöpft aufs E-Buch. Bis dahin arbeite ich mich am Titel ab. ‚Joseph Anton‘ war Rushdies Tarnname, als er nach dem Todesurteil durch den Ayatollah Khomeini untertauchen musste, zusammengesetzt aus den Vornamen seiner Lieblingsschriftsteller. Ohne Rushdies Schicksal trivialisieren zu wollen: Es wird wohl niemanden geben, der sich nun nicht die Frage stellt: Wie würde ich heißen wollen, wenn ich einmal untertauchen müsste, Gott bewahre? Die Idee mit den Schriftstellern gefällt mir. Ich bewundere Salman Rushdie für seine Entscheidungsfreude, denn ich müsste länger nachdenken, wer meine Lieblingsschriftsteller sind. Vielleicht hatte er auch überlegen müssen. Rushdie: „Moment, ich hab’s: Franz Edgar! Nein, warte … Walt Herrmann! Emily Jane! Nein …“ – Geheimpolizist: „Herr Rushdie, wir müssten wirklich so langsam los …“ Vielleicht steht es im Buch, ob die Wahl leicht fiel oder nicht, vielleicht bin ich noch nicht so weit. Mit der Wahl meines Tarnnamens bin ich auf jeden Fall noch nicht so weit. Eine Vornamenkombination aus meinem Lieblingsbücherregal, die mir spontan in den Sinn kommt, ist ‚Michael Douglas‘. Möglicherweise nicht unauffällig genug. Aber vielleicht könnte ich so Catherine Zeta-Jones in meinen Unterschlupf locken. Wussten Sie, dass der Schauspieler Michael Keaton privat Michael Douglas heißt? Hat nichts mit dem Thema zu tun, könnte Ihnen allerdings in brenzligen Situationen einen wertvollen Joker sparen. Noch eine Lieblingsschriftstellervornamenkombination, die mir einfiele: Stephen Ernest. Klingt doof, also umdrehen: Ernest Stephen. Klingt nicht schlecht, allerdings ein bisschen nach Bluesmusiker, Gebrauchtwagenhändler oder Show-Wrestler. Wahrscheinlich muss ich komplett umdenken. Ich könnte meinen Stripper-Namen nehmen. Vor ein paar Jahren war es sehr en vogue, sich bei seinem (oft bloß hypothetischen) Stripper-Namen rufen zu lassen. Ich glaube, die Autorin und ehemalige exotische Tänzerin Diablo Cody hatte diese Marotte inspiriert und dazu auch gleich die Betriebsinterna ausgeplaudert, wo diese Namen herkommen: Name vom ersten Haustier + Name vom Geburtsort = Stripper-Name. Mein Stripper-Name ist Hansi Vegesack. Ich nenne jeden einen Lügner, der behauptet, dass das kein verdammt hervorragender Stripper-Name wäre. Ich wollte mit diesem Namen schon immer etwas machen, ich weiß nur nicht was. Strippen kommt nicht in Frage, bei meinen dünnen Ärmchen. Untertauchen geht jetzt auch nicht mehr, ich habe meine Geheimidentität gerade gelüftet. Doch der Tag von Hansi Vegesack wird kommen. Da bin ich sehr zuversichtlich. (PS: Sehe gerade, dass auf dem Buchrücken meiner Ausgabe von Joseph Anton der Autorenname als Salmon Rushdie angegeben ist. Ein neues Pseudonym? Oder nur eine weitere Sternstude deutscher Präzisionspublizistik?)Polittalk mit Kate Winslet (Werwolfjägerin)
(Monat der bildlosen Sprach- und Medienkritik, Episode II)
Sehen Sie, was Sie angerichtet haben?! Jetzt musste ich mich im letzten Eintrag so aufregen, dass ich gar nicht zu Kate Beckinsale gekommen bin. Eigentlich sollte es nämlich um die beliebte britische Schauspielerin gehen, denn eigentlich sollte jener Eintrag ein Sequel beziehungsweise Spin-off der präzise gearbeiteten Kritik zum Film Total Recall von hier irgendwo weiter unten werden, aber irgendwann war mir die geplante Überleitung nicht mehr eingefallen. Ich erwähnte ja bereits, dass meine Lebensgefährtin und ich das Dekor des besagten Films unterschiedlich wahrgenommen hatten. Ein Wahrnehmungsfehler war uns derweil gemein: Wir haben beide Kate Beckinsale zuerst nicht erkannt. Nun muss man zugeben, dass wir beide nicht sehr mit ihrem Werk vertraut sind. Meine Freundin kannte die Beckinsale bisher nur aus der Kriegsschnulze Pearl Harbor, ich nur aus den Blut-und-Ballerfilmen der Underworld-Serie. Das ist der klassische Unterschied zwischen Frauen und Männern. Folgerichtig habe ich Kate Beckinsale in Total Recall dann doch früher als meine Freundin erkannt, nämlich als sie (Beckinsale) anfing rumzuschreien und Leute zu töten (nein, Spoiler-Warnungen gibt es hier nicht, wir sind ja nicht im Kindergarten). In Total Recall spielt noch eine Frau mit, die ich bis zum Schluss nicht erkannt habe und hinterher recherchieren musste. Da musste ich schmunzeln, denn es war Jessica Biel. Nun habe ich schon seit Jahren einen flotten Spruch, mit dem ich mein cooles, herablassendes Desinteresse an der amerikanischen Gegenwartskultur demonstriere, eine veritable Catchphrase: „Ich kann mir nie merken, was der Unterschied zwischen Jessica Biel und Jessica Alba ist.“ Catchphrase meiner Freundin: „Die sind doch total unterschiedlich!“ Ich kann mir aber wirklich nicht merken, wer wer ist in dieser Altersgruppe. Zeigte man mir drei Fotos von weißen Frauen, könnte ich nicht sagen, welche davon Megan Fox ist. Den Namen kenne ich, sie war vor ein paar Jahren sehr bekannt, es scheint mittlerweile etwas nachgelassen zu haben. Sie tauchte in meinem Internet immer in den Klatschnachrichtenschlagzeilen auf, aber weil man Klatschnachrichten nicht lesen sollte, habe ich nie draufgeklickt, deshalb blieb mir die Bildinformation vorenthalten. Huch, war es etwa voreilig davon auszugehen, dass Megan Fox eine weiße Frau ist? Ich glaube, ich hatte sie anfangs mit der Schauspielerin Megan Ward aus dem Film Freaked verwechselt. Beinahe hätte ich geschrieben: „ (…) mit der in Vergessenheit geratenen Schauspielerin Megan Ward“, allerdings sehe ich gerade in meinem Internet, dass sie inzwischen wohl in einer dieser CSI-Serien mitspielt. Die kann ich auch nicht auseinanderhalten. Einen Moment … gerade bekomme ich die Nachricht rein, dass sie in zwei verschiedenen CSI-Serien drei verschiedene Rollen gespielt hat. Also entweder sehr wandlungsfähig oder so was wie ‚zweite Leiche von unten‘. Schade eigentlich. Ich fand sie in Freaked recht apart. Im vorvorletzten Absatz über Kate Beckinsale hatte ich übrigens ursprünglich versehentlich geschrieben: Kate Winslet. Wer war das noch mal? Ehe mir irgendwelche Sexismen angedichtet werden: Bei männlichen Hollywood-Schauspielern unter 40 ist es noch schlimmer. Da fallen mir momentan nicht mal genügend Namen ein, um sie miteinander zu verwechseln. Bei Hollywood-Schauspielerinnen und -Schauspielern denke ich immer an deutsche Polit-Talkshows. Kürzlich las ich ein Buch mit essayistischen Alltagsbetrachtungen, in denen ungewöhnlich häufig die Rede war von politischen Talkshows und ihrem Personal. Mir fiel auf, dass ich in diesen Passagen seltener zustimmend mit dem Kopf nickte (womit eigentlich sonst?) als in anderen. Nicht, weil ich anderer Meinung war, sondern weil ich keiner Meinung war. Es ist nur sehr geringfügig übertrieben, wenn ich behaupte: Ich habe noch nie eine politische Talkshow im deutschen Fernsehen gesehen. Es ist kein bisschen übertrieben, wenn ich behaupte: Ich habe mich noch nie gezielt zum Anschauen einer politischen Talkshow im deutschen Fernsehen entschieden. Hier und da habe ich womöglich mal was aufgeschnappt beim ziellosen Kanalwechsel. Da ich den ziellosen Kanalwechsel aber durch kalten Entzug vor Jahren besiegt habe, ist das auch schon eine Weile her. So haben wir hier den bekannten Megan-Fox-Effekt: Anne Will, Günther Jauch, Maybrit Illner – ich könnte sie bei einer Gegenüberstellung nicht auf Anhieb unterschieden. Doch, ich bin politisch interessiert, sogar sehr. Ich werde jeden Morgen mit „die Nachrichten“ geweckt, überfliege täglich drei Tageszeitungen (Internet nicht mitgerechnet) und schaue zum Abendessen die Fernsehnachrichten, vorausgesetzt auf Silverline läuft nicht gleichzeitig die Asian Fight & Fright Night. Es ist mir wichtig, was Politiker sagen. Ich gehe allerdings davon aus, dass die allerwichtigsten Aussagen nicht exklusiv in den Talkshows verweilen, sondern in Nachrichtensendungen und Zeitungen wiederholt werden. Außerdem habe ich den Eindruck, wenn ich die Zuschauer über bereits ausgestrahlte Talkshows reden höre, dass diese Sendungen sehr aufregend sind. Und aufregen will ich mich so kurz vor dem Schlafengehen nicht mehr. Da flüchte ich mich lieber in meine flauschige Traumwelt voller Serienmörder und wandelnder Kadaver. Ist natürlich Quatsch, dass ich Anne Will nicht von Günter Jauch unterscheiden könnte. Die eine macht schließlich Wer wird Millionär?. Das ist eine Sendung, die ich gerne schaue, obwohl sie nicht auf AXN läuft. Seit Jahr und Tag trage ich mich schon mit dem Gedanken, selbst mal zu kandidieren. Nicht, weil ich so viel wüsste, sondern weil ich gerne so viel Geld hätte. Ich müsste mich drauf verlassen, dass die richtigen Fragen kommen und mein Vater wirklich so viel über mitteleuropäische Flüsse und Gebirge weiß, wie ich glaube. Gut wäre ich in Fragen, bei denen die Antwort „Britney Spears“ oder „Der Mann mit der Todeskralle“ lautet. Geliefert wäre ich bei Fragen, bei denen „1947“ oder „Sebastian Vettel“ herauskommt. Bei dem bloßen Gedanken an die Kandidatur wird es wohl bleiben. Zum einen wegen der Angst vor der Blamage, zum anderen weil man immer hört, man müsse eine Unzahl von Textnachrichten schicken, bevor man überhaupt mal von einem Sprecher des Quizshowcastingbeauftragten zurückgerufen würde. Mit diesen modernen Kommunikationsformen stehe ich leider motorisch auf Kriegsfuß. Wegen meines Mangels an SMS-schreiberischer Souveränität wurde ich schon auf offener Straße von 30-jährigen kleinen Kindern ausgelacht. Mehrmals. Apropos Polit-Talkshows: Bei Polit-Talkshows denke ich immer an Twitter. Das ist ebenfalls etwas, was ich nicht verfolge. Gleichwohl bekomme ich das Spektakulärste aus jener Ecke auch über die richtigen Medien mit, denn anstatt richtige Nachrichten zu verbreiten, verbreiten die in zunehmendem Maße bloß das, was gerade einer über einen anderen getwittert hat. Da erstaunten mich zuletzt die starken Anfeindungen, denen der Schriftsteller Bret Easton Ellis ausgesetzt war, weil er die Wahrheit über den Schriftsteller David Foster Wallace gezwitschert hatte. Der Tenor war, man müsse die Wahrheit über ihn beziehungsweise sein Werk verschweigen, aus Pietätsgründen, weil tot. Als Pietätsfreund kann ich das zwar im Ansatz nachvollziehen. Frage mich aber auch: Wann ist man denn tot genug, um wieder kritikfähig zu sein? Es muss irgendwo ein Cut-off-Date geben. Sonst dürfte kein irgendwann verstorbener Schriftsteller jemals angefeindet werden. Allerdings gibt es kaum eine tote Edelfeder zwischen Shakespeare und Hemingway, die nicht regelmäßig von aufgeregten Jungprofilierern „überschätzt“ und schlimmeres gescholten wird, ohne dass sich jemand ernsthaft drüber aufregen würde. Schade ist freilich, dass Ellis seine Kritik nicht zu Wallace‘ Lebzeiten geäußert hatte. Ob das an Feigheit liegt, wie Wallace-Verehrer kolportieren, oder bloß schlechtes Timing ist, wage ich nicht zu beurteilen. Aus der Geschichte wissen wir, dass Anfeindungen zwischen Autoren oft interessanter sind als ihre Werke. Beispielsweise waren weder Norman Mailer noch Gore Vidal besonders lesenswerte Schriftsteller, behaupte ich in einem Anfall von Rückfall in aufgeregtes Jungprofilierertum. Aber durch ihre Stutenbissigkeit hinterließen sie der Nachwelt ein paar amüsante Youtube-Clips von bleibendem Wert. Jetzt habe ich mich schon wieder so aufgeregt, dass ich gar nicht mehr weiß, wie ich diesen Text beenden wollte. Sehen Sie, was Sie angerichtet haben?Ein wilder Ritt auf dem Pomadenhengst, ein Text ohne Bilder, eine Welt am Abgrund
Unlängst ging ich mit undeutschem Besuch Kaffeetrinken, und zwar mehrmals täglich, der Besuch mochte Kaffee gern. Nachdem wir mehrere Kaffeehäuser besucht und jedes Mal ausführlich die Aushangangebote studiert hatten, fragte mich der Besuch aus ehrlicher Wissbegier und ganz ohne öden Sarkasmus: „Gibt es im Deutschen keine Worte für ‚to go‘?“ Da wurde genau der Richtige gefragt. Ich stieg auf ein Podium und referierte für den Rest des Tages darüber, was alles in der Welt schief liefe und woran das liegt (ich hatte sehr viel Kaffee getrunken).
Ich hatte demselben Besuch gegenüber schon mal einen Tag lang über das andere leidige Thema gesprochen, Sie wissen schon, den Sinn. Davon, dass er in der deutschen Sprache gefälligst nicht „gemacht“ wird, sondern allenfalls gestiftet, oder sich ergibt, oder notfalls gehabt wird. Jedoch ganz sicher nicht „gemacht“, schreib dir das hinter die Ohren. Das wäre eine Unsitte, die sich durch schlampige Übersetzungen ohnehin nicht sehens- oder hörenswerter amerikanischer Fernsehsendungen eingeschlichen hätte und nicht mehr rauszukriegen sei aus der deutschen Sprache und deshalb sei der Euro auf Talfahrt und alles würde immer teurer und und überhaupt. Das Thema war aber für den undeutschen Besuch vielleicht etwas zu advanced, you know. Oder vielleicht bloß zu uninteressant. Beim Sinn-„Machen“ genau wie beim To-Go ist die Bredouille, dass halbwegs aufmerksame Menschen seit Ewigkeiten auf den Missstand hinweisen, die Bekloppten aber trotzdem unbekümmert weitermachen, und täglich werden es mehr. Uns Mahner langweilt unser eigenes Mahnen mittlerweile, es ist wie mit einem Witz, der schon so’n Bart hat, wie man früher sagte, als einem noch keiner wuchs. Werden Witze allerdings tatsächlich mit ihrem Bart meistens unlustiger und somit für ihre Art irrelevanter, wird der Hinweis auf Missstände nicht unnötiger, solange die Missstände weiterbestehen, auch wenn das Gemahne den Unschuldigen schon aus den Ohren rauskommt. Man muss sich fragen, wie man mit den Schuldigen umgeht. Launige Schönsprechkolumnen scheinen nichts zu bewirken. Die Leute lesen, lachen, und ändern ihr Leben trotzdem nicht. Man kann in einem Rechtsstaat leider auch nicht jedem die Kehle durchschneiden, der sagt: „Das macht nicht wirklich Sinn.“ Das blasierte und inflationäre „nicht wirklich“ (gleiche Entstehungsgeschichte wie „macht Sinn“) ist übrigens das Thema meines nächsten Wochenendseminars (bitte rechtzeitig anmelden und Coffee to go selbst mitbringen). Ich habe in der Macht-Sinn-Debatte eine radikale Zero-Tolerance-Haltung eingenommen, weil es mir um den Erhalt sprachlicher Vielfalt geht, nicht um den Erhalt sprachlicher Korrektheit. Korrektheit ist was für Zahlenliebhaber, nicht für Worteliebhaber. Meine fellow Mahner müssen sich jetzt kurz die Augen zuhalten: Insgeheim glaube ich nicht, dass „macht Sinn“ sprachlich falsch ist. Wäre nicht die erste fremdsprachige Wendung, die ins Deutsche eindringt, da muss man tapfer sein. Es ist eher moralisch als sprachlich falsch, und das ist viel schlimmer. Diese Formulierung verdrängt zusehends alle anderen Formulierungen, mit denen man ausdrücken kann, dass einer Sache Sinn innewohnt. Ich bin für den Tod dieser einen Formulierung, damit die anderen Formulierungen leben können. Das ist nicht schön, aber Krieg ist nun mal nicht schön. Opfer müssen gebracht werden. Es geht nicht um richtige Sprache gegen falsche Sprache, sondern um gute Sprache gegen böse Sprache. Vereinzelt wurde Sinn bereits vor über hundert Jahren in der deutschsprachigen Literatur gemacht [citation needed], es wird als Formulierung also nicht per se falsch sein, zumindest heute nicht mehr. Denn selbst wenn etwas falsch ist, wird es mit der Zeit richtig, so es nur beharrlich weiter falsch gemacht wird. Es ist nun schon seit einigen Jahren kein offizieller Fehler mehr, das „desto“ gegen ein zweites „je“ auszutauschen, oder den altertümlichen Unterschied zwischen „wie“ und „als“ nicht mehr zu kennen. Sprache knickt gerne vor der Gewohnheit ein. Man muss das in gewissen Maßen akzeptieren, wenn man nicht einer dieser Menschen werden will, die mit so’n Bart in einer Höhle leben und wirre Traktate in trotziger alter Rechtschreibung in den Fels ritzen. Man sollte sich nur reiflich überlegen, welche Gewohnheit man zur eigenen macht. Ich kenne einen, der kriegt den guten alten Kehle-durchschneiden-Blick, wenn einer sagt: „der“ Blog. Ich sage das auch (der). Laut Regel ist der oder das egal. Derjenige mit dem Blick meint allerdings, Blog käme von Weblog, also von Log, also gefälligst: „das“ Blog. Das ist alles richtig. Vollkommen logisch und logisch vollkommen. Nun ist Sprache aber eben nicht nur schnöde Mathematik, sondern auch Poesie, und Poesie ist total irre. Da kommt es auf Fluss und Klang an, auf flow und sounds, nicht bloß auf „wenn a, dann b“. „Der Blog“ fließt für mich einfach grooviger wie „das Blog“. Alternativ plädiere ich in der Macht-Sinn-Debatte dafür, den Sinn einfach öfter mal komplett unerwähnt zu lassen. Man scheint den Respekt vor diesem einstmals großen Wort zu verlieren, indem man unentwegt jede Trivialität damit veredelt. „Möchtest du Milch auf dein Müsli?“ – „Ja, das macht Sinn.“ Wie wäre es einfach mit: Ja, bitte. Wenn Sie immer noch lesen, stimmen Sie mir womöglich zu, dass Worte und Formulierungen schützenswert sind. Dann muss ich Ihnen auch nichts von der Gefährdung des Wortes „gleichzeitig“ erzählen. Es wurden schließlich schon genügend launige Schönsprechkolumnen darüber geschrieben, dass alles nur noch „zeitgleich“ und nichts mehr „gleichzeitig“ geschieht. Warum erzähle ich es trotzdem? Um einen riesen Irrtum aus der Welt zu schaffen (zumindest aus dem Teil der Welt, den ich erreiche; bitte beteiligen Sie sich als Multiplikatoren). Und es nicht der Irrtum, an den sie jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit denken. Jener Irrtum ist nämlich der Irrtum. Ich hab da neulich vielleicht einen Schreck bekommen! Ich sah einen älteren, bereits veröffentlichten Text von mir zwecks baldiger überarbeiteter Wiederveröffentlichung durch, und stolperte über einen Satz, in dem ich achtlos das Wort „zeitgleich“ verwendet hatte, obwohl ich ganz sicher „gleichzeitig“ meinte. Schlimm genug, dass mir das passieren konnte. Aber wie konnte es sein, dass dieser Fauxpas auch an all den Berufslesern unbeanstandet vorbeigekommen war, die zwischen Tippen und Drucken Wache halten? Dabei weiß doch jeder schönsprechkolumnenlesender Klugscheißer, dass „zeitgleich“ übereinstimmende Zeiträume bezeichnet, jedoch nicht notwendigerweise übereinstimmende Zeitpunkte: Ich lief gestern 10 Minuten, du liefst heute 10 Minuten = wir liefen zeitgleich (nämlich 10 Minuten). Während gleichzeitig eben gleichzeitig heißt. Mit anderen Worten: „gleichzeitig“ und „zeitgleich“ heißen nicht dasselbe. So die landläufige Oberlehrer-Meinung, die ich die längste Zeit meines Lebens teilte. Behuft durch den schrecklichen Fund in meinem eigenen Werk habe ich recherchiert und musste feststellen: Es stimmt leider nicht. Nicht ganz. „Zeitgleich“ hat zwar tatsächlich die genannte Bedeutung mit dem Zeitraum, ist allerdings so flexibel, dass es ebenfalls synonym mit „gleichzeitig“ verwendet werden kann. Und zwar wohl schon immer. Ich bin weit zurück gegangen in meiner Recherche, habe aber keinen Hinweis gefunden, dass die Bedeutungsgleichheit eine neumodische Flause wäre. Eine neumodische Flause ist allenfalls der Oberlehrer-Hinweis auf den vermeintlichen Bedeutungsunterschied. Und natürlich die sprachliche Auslöschung von „gleichzeitig“ durch „zeitgleich“. Der erste Ausdruck scheint kaum mehr bekannt. Deshalb ist die ständige Verwendung von „zeitgleich“ anstelle von „gleichzeitig“ weiterhin schwer zu tadeln, wenn auch nicht zu ahnden. Sie ist ja nicht verkehrt. Sie ist nur böse. Denke ich an aussterbende Wörter, denke ich an den Typen, mit dem ich mir an manchem Morgen die Bushaltestelle teile. Es ist nicht lange her, da trug er mittellange Haare, die mit viel Gel über den Kopf zurückgekämmt waren. Da er außerdem einen konservativen Anzug trug, sah er aus, wie deutsche Fernsehkrimi-Stylisten sich seit rund 30 Jahren einen kokainsüchtigen Bankkaufmann vorstellen. Müsste ich für ihn Dialoge schreiben, klänge das so (Telefonat): „Was? Morgen große Koks-Party im P1? Klar, Digger, das macht Sinn, da bin ich bei dir. Ist zwar zeitgleich auch Crack-Anstich im Schumann’s, aber das klingt nicht wirklich spannend.“ Ich habe ihn wohlgemerkt nie reden hören, und ich gehe angesichts seines Arbeitsweges davon aus, dass er kein Bankkaufmann ist, und er hat sich in meiner Gegenwart nie drogensüchtig verhalten (nervöses Kratzen, irres Lachen). Ich habe mir nur so meine Gedanken gemacht. Einer davon ging: Oh Mann, wenn ich doch nur ein einziges knackiges Wort hätte, mit dem ich diesen Typen humorvoll-geringschätzig beschreiben könnte! Doch fällt mir keines ein! Es wird keines existieren! Eines Tages las ich dann im Duden-Newsletter (was lesen Sie denn zum Spaß?!) eine kleine Auflistung ausgestorbener Worte, ein werbender Auszug aus dem Büchlein Unnützes Sprachwissen (ich sage: nichts in diesem Büchlein ist unnütz, und Wissen ist es überhaupt nie!). Dass krisengeschüttelte Zeiten für das Wort „beleibzüchtigen“ (Versehen mit lebenslangem Unterhalt) keine Verwendung mehr haben, ist nachvollziehbar. Der „Pomadenhengst“ allerdings wurde im Jahr 2000 ganz offensichtlich voreilig von der Duden-Redaktion für obsolet erklärt und aus der Sprache gestrichen. Aber jetzt kommt der Kracher, und ich schwöre, es ist die Wahrheit: Als ich den Pomadenhengst von der Bushaltestelle das nächste Mal sah, hatte er eine ganz neue Trockenfrisur, einen naturstacheligen Mecki-Schnitt. Vielleicht hatte er sich gedacht, nachdem ihm jemand den Duden-Newsletter aufs fettige Kopfkissen gelegt hatte: Ach, wenn der Pomadenhengst als Wort gegangen ist, dann ist es auch für mich an der Zeit zu gehen. Kurz darauf dachte er weiter: Nein, Quatsch, ich werde mir doch nicht wegen so was den goldenen Schuss setzen! Ich lasse mir bloß eine andere Frisur „zaubern“, einen kecken Mecki-Schnitt. Den behalte ich solange, wie noch einer den frechen Igel Mecki, das Maskottchen der Illustrierten ‚Hörzu‘, kennt. Wenn diese Ära ebenfalls vorbei ist, nehme ich vielleicht so eine Modeglatze wie der Spacko von meiner Bushaltestelle, der damit versucht, seine Naturhalbglatze zu kaschieren, wie alle anderen Modeglatzköpfe auch. Werde ich ohnehin wahrscheinlich bald nötig haben, bei der ganzen Chemie, die ich mir bis vor kurzem in die Haare gepfiffen habe. Und das war die schöne Geschichte vom Pomadenhengst, der ein Igel wurde.Sie sagt: Total, ich sag: Recall (viel sinnvollerer Alternativtitel: Ihr sagt Kubrick, ich sag Wiseman)
Ich habe mich letzte Woche mit meiner Freundin gestritten. Doch fürchten Sie sich nicht! Weder davor, dass ich fortan Familiendramen vor aller Welt ausbreite, noch dass es sich überhaupt um ein Drama handelte. Wir haben uns schon wieder einigermaßen vertragen. Ich erwähne den Streit nur, weil ich das Thema so interessant fand. Wir sahen dieser Tage beiden den Film Total Recall, wenn auch kontinental getrennt. Wir fanden ihn beide unterm Strich annehmbar, zumindest eine Quadrillion mal besser als den gleichnamigen Film von Paul Dingsbums. Vielleicht etwas untertrieben, aber eine höhere Zahl kenne ich nicht. Mich störte am Film allenfalls, dass alles Interessante der Geschichte in der ersten Hälfte passiert, während die zweite nur davon handelt, dass große Sachen spektakulär kaputtgehen. Meine Freundin störte sich an etwas ganz anderem: „Es stört mich, dass wir immer noch so gesehen werden!“
Es stellte sich heraus, dass wir „wir Asiaten“ sind, und dass so sich auf den Look des Films bezieht, der die übliche Anti-Utopie-Schmuddeligkeit mit dem üblichen coolen asiatischen Großstadtflimmern verbindet. ‚Schmuddeligkeit‘ ist hier das Schlüsselwort. Wenn meine Freundin plötzlich Asiatin ist, dann ist Vorsicht geboten, ich bin schließlich auch nur in größenwahnsinnigen Ausnahmemomenten Europäer. Ich versicherte ihr, dass der Look des Films eher Asien-Verherrlichung als Asien-Verunglimpfung und sehr urban-romantisch sei, als dickhalsiger Spaßhasser könnte man sogar ‚kitschig‘ sagen. Das nahm sie mir nicht ab. „Würdest du da etwa leben wollen?!“ „Aber sofort!“, war die wahrheitsgemäße Antwort, die sie nicht hören wollte. „Das ist eine schmutzige Stadt mit traurigen Menschen, und die Botschaft lautet: Asien = schmutzig und traurig, jedenfalls nicht so sauber und glücklich wie die richtige Welt.“ „Das überinterpretierst du! Für mich als offizieller Sprecher aller Europäer sieht das einfach nur cool aus. Ohne die asiatischen Elemente wäre die Stadt viel trostloser. Und dass die Menschen dort traurig sind, liegt nur an der Unterdrückung durch die kapitalistischen Kaukasierschweine, nicht an ein paar flackernden Schriftzeichen.“ „Du kannst doch unmöglich finden, dass das gut aussieht!“ „Doch – wir alle finden, dass das gut aussieht! Hast du Blade Runner gesehen?“ „Auch so ein Mist!“ Da immerhin sind wir uns einig, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Ich sehe die Sache weiterhin so, wie ich sie sehe, finde die Sichtweise meiner Freundin allerdings nach längerem Hin und Her ansatzweise nachvollziehbar. Sollten Sie auf Eskalation und Ausgang des Streits warten, muss ich Sie enttäuschen. Wir haben beschlossen zu vertagen, bis wir den Film gemeinsam noch einmal schauen können. Ich werde ihn wohl kaufen. Nicht weil ich finde, dass Filmekaufen generell so eine super Idee ist (es ist ganz schön albern, seien wir ehrlich), sondern weil es ein Film von Len Wiseman ist. Bei Len Wiseman fällt mir ein, dass ich am Wochenende mal wieder einen Film von Stanley Kubrick gesehen habe. Eigentlich fällt es mir in erster Linie ein, weil Total Recall da draußen (also hier im Internet) die absurdesten Vorwürfe gemacht werden. Zum Beispiel, dass es in dem Film eine Schwebeautoverfolgungsjagd gibt, was nicht sein dürfe, weil es schon in einem anderen Film eine Schwebeautoverfolgungsjagd gibt, und per Gesetz darf es nur in einem Film eine Schwebeautoverfolgungsjagd geben. Am Samstag lief nun im Elitefernsehen eine Doppelvorstellung von Shining und Freitag, der 13.. Ob programmplanerisches Konzept oder bloß glücklicher Zufall, weiß ich nicht. Wer jedenfalls die beiden Schinken hintereinander sieht, wird feststellen, dass sie sich in einigen Schlüsselszenen wie ein Ei dem anderen gleichen. Insbesondere die beliebte „Here’s Johnny!“-Szene aus Shining findet sich fast haargenau so in Freitag, der 13. – und der kam zwei Wochen früher raus! Kübrique, j’accuse!